Herrlichkeit und Katzenjammer Das Thema
Ihren Ursprung nahm die romantische Strömung im Deutschland des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts reichte sie hinein und aus literaturwissenschaftlicher Sicht lässt sie sich unterteilen in die Phasen Früh- (1798 bis 1805), Hoch- (1806 bis 1818) und Spätromantik (1816 bis 1835). Im Unterschied zu anderen Epochen hatte die Romantik außerdem verschiedene Zentren: Zunächst Jena, später dann Heidelberg und schließlich Berlin. Aber auch in Dresden, München und Wien fanden Begegnungen unter den Romantikern statt, zu deren Gedankenaustausch die Frauen jener Zeit rege beitrugen. Sie initiierten oder unterhielten oftmals literarische Zirkel, und auch diese waren wichtige Treffpunkte der damaligen Künstlerszene. Indes zog die Romantikwelle ihre Kreise, erfasste das einfache Volk und beeinflusste im europäischen Ausland literarisches Schaffen. Mit dem Revolutionsjahr 1848 endete hierzulande die literarische Epoche der Romantik.
Eine literarische Bewegung zieht ihre Kreise
Die Romantik verstand sich als Gegenmodell zum Modell der "reinen Vernunft", wie sie damals zu Zeiten der Aufklärung und beginnenden Industrialisierung das Denken und Handeln der Menschen bestimmte. In den Augen der Romantiker verkörperte die bürgerliche Gesellschaft das Spießertum per se, geprägt von bloßem Nützlichkeitsdenken und Gewinnstreben der "Philister" und beherrscht vom eintönigen Grau ihres Berufsalltags. Nein, dieser Welt konnten sie nichts abgewinnen. Ohnehin trug sie nur den Schein des Vorläufigen und Vordergründigen, das eigentlich Wesentliche lag für die Romantiker dahinter, verborgen im Wunderbaren, Übernatürlichen und Unbewussten, das nur entdecken kann, wer an die Kraft der Intuition, des Ahnens und Sehens glaubt.
Das Reich der Fantasie und des Traums bis hin zu den Nachtseiten der menschlichen Seele, das war die Welt, in die sich das romantische Ich begab. Durch sie wollte es zu Wahrhaftigkeit und Identität gelangen. Zum Schlüsselwort wird der von Friedrich Schlegel begründete Begriff der Universalpoesie, der die ganzheitliche Harmonisierung des Lebens verlangte. Einher damit ging die Rückbesinnung auf die Vergangenheit: die mittelalterliche Kultur und Lebensweise wurde zum Ideal (v)erklärt, waren damals doch die Menschen im katholischen Glauben geeint. Auch in den volkstümlichen Mythen entdeckten die Romantiker den Urgrund der Poesie, ebenso wie in der Natur, deren urwüchsige Schönheit sie begeisterte und ihnen zum Sinnbild geheimnisvoller Empfindungen wurde.
"Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder", forderte einst Novalis, der jung starb und uns, der Nachwelt, sein Werk "Heinrich von Ofterdingen" unvollendet hinterließ. Es ist ein Bildungsroman, in der Art von Goethes "Wilhelm Meisters Wanderjahre", von dem sich die romantische Erzählprosa inspirieren ließ. Die Blaue Blume, die Heinrich im Traum erscheint, wird zum Hauptsymbol der Bewegung und ihrer allumfassenden Sehnsucht nach dem "Goldenen Zeitalter".
Sehnsucht und Aufbruch
Die romantischen Erzählungen, Gedichte und Märchen ranken sich um die Stimmungen und Empfindungen ihrer Figuren. In naturnahen Schilderungen, in Traumsequenzen und phantastischen Szenerien erleben sie Abenteuerliches, bisweilen Unheimliches, sogar Bedrohliches, mitunter auch Komisches. Das Motiv des Reisens und Wanderns im weitesten Sinne ist ein immerwährendes. Stets ist der romantische Held unterwegs, stets ist er auf dem Weg zur Innerlichkeit. Nur scheinbar ist er ein zielloser Träumer, obgleich er sein Ziel nie wirklich erreicht. Die Sehnsucht ist es, die ihn zum Aufbruch treibt: Sehnsucht nach Freiheit der Gefühle, Sehnsucht nach Heimat und Naturverbundenheit, Sehnsucht nach fernen Ländern und Kulturen, Sehnsucht nach Überwindung aller Grenzen, nach Harmonie und Unendlichkeit.
Eine eigene Kultur
Das Ideal der Romantiker war es, der zerrissenen Welt eine "heile Gegenwelt" gegenüberzustellen und darüber die Poetisierung, sprich Harmonisierung der Gesellschaft herbeizuführen. Durchaus lässt sich die romantische Weltanschauung als Flucht aus der Wirklichkeit bis hin zur Verklärung der scheinbar guten alten Zeit werten. Sie kann aber auch als eine Form des Protestes gegen die etablierte bürgerliche Gesellschaft gelten, in der das Individuum und mit ihm die Lebendigkeit der Seele, des Gefühls und der Spontaneität verloren gingen. Und schließlich könnte die Bewegung sogar als erste deutsche Jugendbewegung eingeordnet werden, die sich das Recht nahm, ihre ganz eigene Kultur zu schaffen. Eine Kultur, die, das steht zweifelsohne fest, eine Lyrik mit klangschöner und bildreicher Sprache hervorbrachte.