Zur Geschichte der Informationskontrolle
Literatur und Musik | RS, Gy |
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Der Mensch ist zur Freiheit bestimmt. Vor Gott, vor seinesgleichen und erst recht vor dem Staat. Geistige Bevormundung und Zensur sind mit der Würde des Menschen unvereinbar. Dennoch dauerte es lange, diese Fesseln abzustreifen.
Am 20. Mai 1527 verliert Hans Hergot seinen Kopf. Leider wortwörtlich und aus eher nichtigem Anlass. Der Drucker ist kein Verbrecher. Er verlegt nur Bücher und schreibt gelegentlich selbst. Unter anderem die Flugschrift "Von der newen Wandlung eynes Christlichen Lebens". Das schmale Büchlein erträumt eine Art christlichen Kommunismus ohne Privateigentum und Ständeprivilegien. Damit ist Herzog Georg von Sachsen gar nicht einverstanden. Er lässt den gefährlichen Fantasten festnehmen. Das Hofgericht erkennt Hergot des Aufruhrs für schuldig, der Henker tut seine Pflicht und kürzt mit der Leibes- zugleich die Lebenslänge des Delinquenten.
Pech gehabt. Zur falschen Zeit am falschen Ort. Hätte Hans Hergot das Buch heute veröffentlicht, gebloggt, gepostet, gepinnt oder sonst wie schriftlich, akustisch, optisch und elektronisch verbreitet, wären sein Kopf und Hals nach wie vor unzertrennliche Freunde. Artikel 5 des Grundgesetzes hätte einen Schutzschirm über ihm aufgespannt und dafür gebürgt, dass er seine Gedanken und unzensiert wie ungestraft mitteilen kann.
Endlich frei!
Angesichts einer langen Geschichte der Denkverbote, Meinungskontrollen, Maulkorbparagrafen, geistigen Bevormundung ist die Freiheit der Meinungsäußerung ein kostbares Wunder. Erst diese Freiheiten machen uns zu selbstbestimmten, mündigen Menschen. Und doch scheint es, als nähmen wir sie oft gar nicht mehr wahr oder gäben sie leichtfertig preis. Wie teuer sie sind, macht uns erst ihr Fehlen, ihr Missbrauch oder ihre Beschränkung bewusst. Was es für den einzelnen und die Gesellschaft bedeutet, wenn bloße Worte und Ideen wie ein Verbrechen bestraft werden, lehren Geschichte und Gegenwart zur Genüge. Egal ob Inquisition, Nazibarbarei, Gottesstaat oder präsidialdespotisches Obrigkeitsgehabe: Wer die Freiheit der Meinung beschneidet, schändet den Menschen und beraubt ihn seiner fundamentalen Rechte.