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Bestie Massenmörder Das Thema

Stand: 15.01.2009 | Archiv

Christopher R. Browning, Professor für Geschichte an der Universtität Tacoma, Washington, hat in seinem 1993 erschienenen Buch "Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die 'Endlösung' in Polen" das Thema gewählt, weil es nur von dieser Einsatzgruppe Namenslisten gab. Vierzig Prozent seiner Angehörigen konnten zwanzig Jahre später verhört werden. Die Verhörprotokolle liegen vor und geben zum ersten Mal den Blick frei auf diesen Tätertypus.

Die Täter

Das Reserve-Polizeibataillon 101 umfasste 500 Männer im Einsatz hinter der Front. Ihr Alter lag im Schnitt bei 39,5 Jahren, d. h. sie hatten die Zeit vor den Nazis erlebt und waren nicht von den politischen Ansichten der Hitlerjugend geprägt. Noch dazu kamen sie aus dem "Roten Hamburg" und aus der unteren Mittelschicht, waren vor dem Wehrdienst Verkäufer, Sortierer, einfache Angestellte oder Kräfte im Büro, also kein Querschnitt der deutschen Gesellschaft. Und wahrscheinlich weniger abgebrüht als die Durchschnittsdeutschen.

Der Massenmord

Am Morgen des 13. Juli 1942 trafen Mannschaftslastwagen mit den Männern des Reserve-Polizeibataillons 101 bei Jozefow ein, einer kleinen Ortschaft im Süden des Bezirks Lublin, in der damals 1.800 Juden lebten. Auf Befehl des Kommandeurs sollten sie das Dorf umstellen, jeden erschießen, der zu fliehen versucht und auch alle Kinder, Kranke und Schwache. Die arbeitsfähigen Männer sollten selektiert, die anderen im Wald erschossen werden. Bis auf zwölf Soldaten kamen alle dem Befehl nach, obwohl ihnen der Kommandeur die Möglichkeit gab, nicht teilzunehmen. Einige haben sich allerdings gedrückt oder sich ablösen lassen, nachdem sie ihre Opfer mit einem aufgesetzten Genickschuss umgebracht hatten. Sie konnten die Umstände nicht ertragen, nicht weil sie das Töten unschuldiger Menschen für falsch oder abartig hielten. Die Mordaktion an den 1.500 Juden von Jozefow dauerte den ganzen Tag. Es war nur der Anfang. Das Reserve-Polizeibataillon beteiligte sich in dem Zeitraum zwischen Juli 1942 und November 1943 an der Ermordung von mindestens 38.000 Menschen und an der Deportation von 45.000 Menschen in das Vernichtungslager Treblinka.

Die Erklärung: Ganz normale Männer

Die Täter sprechen in ihren Aussagen vor dem Staatsanwalt vom Anpassungsdruck; sie wollten nicht als Feiglinge gelten. Bei den meisten Verfahren dieser Art hieß es immer, man habe den Befehl gehabt und keine Wahl. Diese Entschuldigung gilt für die Männer des Reserve-Polizeibataillons 101 nicht. Einen direkten Zwang gab es nicht. Warum mordeten sie dennoch? Sie mussten keine Bestrafung fürchten; also war der Gehorsam nicht erzwungen, sondern ein willentlicher Akt. Das lässt sich nur erklären, wenn eine ideologische Motivation hinzukommt. Die Nationalsozialisten haben die Juden zu absoluten Parias der Gesellschaft gemacht, Schritt für Schritt aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, am Ende deportiert und getötet. Sie wurden nicht mehr als Menschen anerkannt, konnten wie Ungeziefer getötet werden. Man hatte den Opfern ihre Menschlichkeit genommen. Und so konnten aus ganz normalen Männern schreckliche Massenmörder werden. Die Umstände allein sind also nicht entscheidend. Innerhalb des Bataillons wurden einige zu eifrigen Mördern, andere handelten nur nach den Vorgaben und eine dritte Gruppe versuchte sich dem Morden zu entziehen. Gesellschaft funktioniert ohne Autorität nicht, sonst droht Chaos. Wenn aber das individuelle Wollen ganz aufgegeben wird, bleibt nur das Sollen des Kollektivs, die legitime Politik der Regierung, der man folgt. Gleichzeitig motiviert in einer Gruppe die Art und Weise, wie man gesehen werden möchte. Das gilt auch für jedes Militär. Wenn Menschen bereit sind, sich aufgrund der Gruppenloyalität töten zu lassen, dann töten sie auch unbewaffnete Zivilisten, Frauen und Kinder aus den gleichen Gründen.


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