Katharina Hochstrasser
Geschichte | MS, RS, Gy |
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Sex ohne Trauschein - wen juckt`s. Daran stoßen sich heute nur wenige. In vergangenen Jahrhunderten war das „Laster“ der Lust ein schwer bestraftes Vergehen. Mit bösen Folgen für ertappte Sünder: Die Obrigkeit kannte kein Pardon!
Ist doch meine Sache, wen ich heirate! Stimmt. Heute ist das so. "Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen", garantiert Artikel 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das gilt auch in Deutschland. Heiratsfähig ist, wer das geforderte Mindestalter erreicht hat, voll geschäftsfähig, ledig und mit dem Partner nicht blutsverwandt ist. Sind die Auflagen erfüllt, steht einer Hochzeit nichts im Weg.
Gnadenlos in puncto sexto
So war es nicht immer. Die längste Zeit unserer Geschichte stand das Recht, eine Ehe einzugehen, unter strenger kirchlicher, staatlicher und familiärer Kontrolle. Heiraten durfte nur, wer eine amtliche Ehebewilligung vorlegen konnte. Die Erlaubnis war bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts an das Einkommen des Mannes gebunden. Wer zu wenig verdiente, musste ledig bleiben. Und damit auch auf Sex verzichten. Denn der war fortpflanzungshalber nur in der Ehe erlaubt. Alles andere, vor allem Sex ohne Trauschein, galt als "höchst strafwürdiges Laster der Leichtfertigkeit". Im 16. und 17. Jahrhundert war "Leichtfertigkeit" nicht nur ein unbedachtes, sorgloses oder im schlimmsten Fall fahrlässiges Handeln, sondern ein Verbrechen. Denn in puncto sexto, sprich mit dem sechsten Gebot, kannte man keinen Spaß. Wer Unzucht trieb, zügellos lebte und der Fleischeslust frönte, beleidigte Gott. Daran konnte es, mit der Bibel und den Kirchenvätern als Richtschnur, keinen Zweifel geben. Das Wort des Allmächtigen galt und seine Gerechtigkeit stand außer aller Frage. Jede Zuwiderhandlung war Gotteslästerung, eine Beleidigung der höchsten Majestät.
Die Moralkeule schlägt zu.
Leichtfertig und damit dem Gericht und der Strafe verfallen, waren Ehebruch, falsche Eheversprechen, jede Art sexueller Aktivität vor und außerhalb der Ehe und besonders ledige Schwangerschaften. Die ertappten Sünder beiderlei Geschlechts bezahlten teuer für ihren Fehltritt. Ihnen drohten hohe Geldstrafen, Haft, öffentliche Bloßstellung, Ehrverlust, Ausschluss aus der Gemeinschaft, im Wiederholungsfall sogar körperliche Strafen und Verbannung. Der obrigkeitliche Furor gegen das Laster der Leichtfertigkeit verurteilte zwar auch Männer, stigmatisierte jedoch vor allem die Frauen. Ohne Hilfe der Familie oder einen Mann, der sie trotz ihres "moralischen Makels" heiratete, hatten ledige Mütter kaum Chancen auf ein menschenwürdiges Leben. Der soziale und finanzielle Abstieg war in der Regel unvermeidbar. Die meisten ledigen Mütter mussten sich als schlecht bezahlte und noch schlechter behandelte Dienstboten verdingen und waren der Willkür des Brotherrn auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Geburtenkontrolle und Armutsregulierung
Auch wenn die Bevölkerung vielleicht ein Auge zudrückt und nicht gar so genau hinschaut, die Obrigkeit kennt kein Pardon. Der Staat dringt immer weiter vor, füllt rechtliche Leerstellen aus und reglementiert das Leben der Untertanen. Die Beschneidung und Disziplinierung der Sexualität hat dabei zwei Stoßrichtungen: Zum einen geht es um Gehorsamkeit gegen Gott, es geht aber auch um Sozial- und vor allem um Geburtenkontrolle.
Katharina Hochstrasser, schuldig und verurteilt
Der Staat versucht mit allen Mitteln, die Zahl unehelicher Kinder zu senken, um das Heer der Armen, Bettler und Hilfsbedürftigen möglichst klein zu halten. Aufgrund des hohen Verfolgungsdrucks sind die Gerichtsakten des 17. und 18. Jahrhunderts voll mit Berichten über leichtfertige Mütter. Sie erzählen in dürren, teilnahmslosen Worten von den Schicksalen gestrauchelter, gefallener, oder wie es damals hieß, "geschwächter" Jungfrauen. Eine von ihnen ist Katharina Hochstrasser, eine Bauerntochter aus Niederbayern. Sie ist Mitte 20 und nicht verheiratet, als sie 1732 schwanger wird. Das für sie zuständige Niedergericht Schwarzach spricht sie der "Leichtfertigkeit" schuldig. Katharina kommt glimpflich davon: Acht Tage Schandgeige, zwei Gulden Geldbuße. Die Obrigkeit hat ihre Pflicht erfüllt, der weltlichen und göttlichen Gerechtigkeit ist genüge getan.