Bayern 2 - radioWissen


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Ein Wittelsbacher auf dem Kaiserthron

Von: Volker Eklkofer, Simon Demmelhuber / Sendung: Michael Zametzer

Stand: 08.07.2019 | Archiv

Ludwig der Bayer: Ein Wittelsbacher auf dem Kaiserthron

GeschichteMS, RS, Gy

Ludwig der Bayer war eine schillernde Gestalt, ein König und Kaiser der Widersprüche. Als zugleich töricht und klug, jähzornig und mild, machtversessen und verzagt beschreiben ihn Zeitgenossen. Und als gewaltigen Adler, dem der Papst das Gefieder zerzauste.

Eine Familie drängt nach oben - Bayern unter den Wittelsbachern

Die Vorgeschichte: Im Jahr 1180 belehnt Kaiser Friedrich I. Barbarossa den Grafen Otto von Wittelsbach mit dem Herzogtum Bayern und begründet damit die Führungsposition der aufstrebenden Adelsdynastie. Als 1214 die Rheinpfalz hinzukommt, steigt Bayern zwar zur Territorialmacht auf, wird jedoch durch Streitigkeiten innerhalb der Herrscherfamilie geschwächt. 1255 erfolgt die erste Teilung: Herzog Ludwig II. der Strenge erhält Oberbayern und die Pfalz, sein Bruder Heinrich VIII. regiert in Niederbayern. Ludwig, ein enger Verbündeter des Königs Rudolf von Habsburg, hinterlässt sein Land den Söhnen Rudolf und Ludwig. Damit sind die lebenslangen Machtkonflikte der beiden ungleichen Brüder vorgebahnt.

Ludwig setzt sich in der eigenen Familie durch: Ludwig, der Zweitgeborene, kommt 1281/82 in der Münchner Residenz zur Welt. Er steht zunächst im Schatten Rudolfs, der nach dem Tod des Vaters 1294 zusammen mit der Mutter die Geschicke Oberbayerns lenkt. Doch Ludwig treibt seine Karriere konsequent voran, die Brüder verfeinden sich bald. Ludwig, seit 1301 Mitregent, heiratet 1308 Beatrix, die Tochter des Herzogs Heinrich III. von Glogau. Als sie 1322 stirbt, geht er eine zweite Ehe mit Margarethe von Holland ein.

Nach dem Tod der Herzöge Stephan I. (1310) und Otto III. (1312) von Niederbayern kommt es zum Streit um die Vormundschaft über deren Söhne, die sowohl Ludwig von Oberbayern als auch Friedrich der Schöne von Habsburg beanspruchen. Der Konflikt um den Einfluss in Niederbayern eskaliert in der Schlacht von Gammelsdorf nahe Moosburg, die im November 1313 mit einem Sieg Ludwigs endet.

Bayern steigt auf - Ein Wittelsbacher auf dem Königsthron

Ludwig setzt sich im Reich durch: Im August 1313 stirbt Kaiser Heinrich VII. während eines Feldzugs an der Malaria. Heinrich aus dem Hause Luxemburg hatten die Kurfürsten 1308 zum König gewählt. 1312 wurde er im Lateran in Rom zum Kaiser gekrönt. Nun, nach seinem Tod,  konkurrieren mit den Habsburgern, den Luxemburgern und den Wittelsbachern gleich drei mächtige Dynastien um die Wahl zum neuen König. Eine Mehrheit der Kurfürsten entscheidet sich 1314 für Ludwig, den Kandidaten der luxemburgischen Partei. Rudolf, der als Inhaber der Pfälzer Kurstimme gegen seinen Bruder Ludwig votiert, gerät in die Defensive und muss seine Herrschaftsansprüche 1317 schließlich aufgeben.

Doch auch Habsburg bringt bei der Königswahl die nötige Anzahl von Stimmen (Quorum) zugunsten Friedrichs des Schönen zusammen. Weil beide rivalisierenden Lager auf ihren Kandidaten beharren und die Rechtmäßigkeit der Wahl für sich reklamieren, ist ein Doppelkönigtum unvermeidlich. Nachdem juristisch-friedliche Mittel keine Einigung erzielen, kann nur noch ein Krieg die Entscheidung herbeiführen. Acht Jahre zieht sich die Auseinandersetzung hin, schließlich siegt Ludwig 1322 in einer der letzten großen Ritterschlachten des Mittelalters bei Mühldorf am Inn. Friedrich der Schöne gerät in Gefangenschaft. Als Friedrichs Bruder Leopold den Kampf fortsetzt und Verbindung zu Frankreich und dem Papst aufnimmt, ernennt Ludwig den einstigen Nebenbuhler Friedrich zum Mitregenten. An der Regierung wird der Habsburger jedoch nicht beteiligt.

Die Folgen der Doppelwahl - Der Papst mischt sich in den Thronstreit ein

Da der Kriegsausgang als Gottesurteil gilt und die Machtverhältnisse klärt, ist Ludwigs Königherrschaft im Reich nun unangefochten. Aber schon drei Jahre später erwächst ihm mit Papst Johannes XXII. ein neuer, weitaus gefährlicherer Gegner. Johannes, der in Avignon residiert und auf den Schutz des französischen Königs angewiesen ist, will nur einem vom Papst anerkannten Monarchen die Ausübung der Herrschaftsrechte zugestehen. Er beansprucht das Recht des Schiedsrichters und möchte den Thronstreit von der Kurie entscheiden lassen. Da Ludwig der Forderung, die Krone niederzulegen, nicht Folge leistet und zudem in Italien Reichs- und Kaiserrechte proklamiert, greift Johannes zur schärfsten Kirchenstrafe und bannt den deutschen König. Um Ludwig vollständig zu isolieren, belegt er das Reich zusätzlich mit dem Interdikt.

Doch die Wirkung der päpstlichen Strafaktion verpufft. Fürsten und Städte stärken Ludwig den Rücken, der bayerische Klerus bleibt überwiegend königstreu. Zudem gehen einflussreiche geistliche Gegner des Papsttums zu Ludwig über, darunter der Staatstheoretiker Marsilius von Padua und der Philosoph William von Ockham, die sich im Armutsstreit mit dem Papst überworfen haben. Ludwig stellt die von Johannes verfolgten Franziskaner unter seinen Schirm und nutzt die in München versammelten Gelehrten als Verfasser antipäpstlicher Streitschriften. Gleichzeitig versucht er mit Stiftungen wie dem reich ausgestatten Kloster Ettal, seine Frömmigkeit unter Beweis zu stellen.

Im Zug seiner Machtsicherung baut der König zudem den Judenschutz aus, fördert den Handel und sichert sich die Gunst der Städte durch Selbstverwaltungsrechte und Privilegien. Wohlhabende Patrizierfamilien etwa in Regensburg zeigen sich erkenntlich und finanzieren die Aktivitäten des Herrschers. Zu Ludwigs Verdiensten zählt darüber hinaus die Kodifikation des bayerischen Rechts (Stadtrecht 1334, Landrecht 1336-1346).

Im Zenit der Macht - Kaiser Ludwig der Bayer

Obwohl Jonannes XXII. mit aller Macht einen Italienzug Ludwigs zu verhindern versucht, macht sich der König 1327 auf den Weg über die Alpen. Im Jahr darauf empfängt er in Rom von Vertretern des römischen Volkes die Kaiserkrone. Weil der Papst ihn nicht als Kaiser oder König ansprechen will, nennt er ihn fortan abschätzig "Bavarus". Damit will er seinen Gegner als schlichten Provinzler abstempeln. Noch heute sprechen wir von Ludwig dem Bayern, doch der einst abwertende Beiname ist längst positiv besetzt und hat sich zum Wissenschaftsbegriff gewandelt.

Die Kaiserkrönung gießt erneut Öl ins Feuer der päpstlich-französischen Feindschaft. Der Konflikt eskaliert ungebremst. Im April 1338 erklärt Ludwig Papst Johannes XXII. schließlich für abgesetzt und hebt Nikolaus V. als Gegenpapst auf den Stuhl Petri in Rom. Im Reich erfährt die papstkritische Politik Ludwigs weiterhin Rückhalt. 1338 weisen die Kurfürsten den Einfluss des Papstes auf die deutsche Königswahl entschieden zurück. Mit dem Weistum von Rhense stellen sie unmissverständlich klar, dass der von ihnen gewählte Kandidat auch ohne Bestätigung des Papstes rechtmäßig den Titel des König führt und alle damit verbundenen Gewalten besitzt. Die Königswürde, so die Botschaft, basiert einzig auf Wahl, Krönung und Inthronisation. Nachdem Ludwig der Bayer im Sommer des selben Jahres auf dem Reichstag von Frankfurt verkündet, dass die kaiserliche Würde und Macht einzig von Gott alleine kommt, steht er im Zenit seiner Herrschaft.

Dynastische Winkelzüge - Ludwig baut seine Hausmacht aus

Als 1324 die Markgrafen von Brandenburg, die Askanier, aussterben, belehnt der Kaiser seinen ältesten Sohn Ludwig V. mit der Mark Brandenburg, zu der die Stadt Berlin und das Handelszentrum Cölln gehören. Mit diesem Schachzug sichern sich die Wittelsbacher zudem die wichtige Brandenburger Kurstimme. Auch in Bayern bleibt Ludwig nicht untätig. Nach dem Erlöschen der niederbayerischen Linie  der Wittelsbacher 1340 vereinigt er die beiden Landesteile in seiner Hand. Das Jahr 1342 bringt eine weitere Vermehrung des Besitzes. Der Kaiser arrangiert die Heirat des Sohnes Ludwig mit Margarete "Maultasch", der Erbin des Landes Tirol. Die dazu nötige Trennung der Ehe Margaretes mit Johann Heinrich von Luxemburg geschieht durch kaiserliche Vollmacht - ein Schlag gegen die kirchliche Sicht der Ehe. Das Haus Böhmen-Luxemburg, dem Ludwig seinen Thron verdankt, reagiert empört. Schließlich erbt Kaiser Ludwig 1346 nach dem Tod seiner zweiten Frau noch die ökonomisch bedeutsamen Grafschaften Holland, Seeland, Friesland und Hennegau.

Zu hoch gespielt - Ludwigs Macht bröckelt

Mit dem Tiroler Abenteuer hat Ludwig den Bogen überspannt. Die meisten Reichsfürsten betrachten seine skrupellose Hausmachtpolitik und den wittelsbachischen Machtzuwachs längst mit Misstrauen. Die "Maultasch"-Affäre bringt das Fass zum Überlaufen - und die Gegner des Kaisers erinnern an die unlösbare Feindschaft mit dem Papst. 1346 erklärt ein Teil der Kurfürsten Ludwig für abgesetzt und wählt in Abstimmung mit Papst Clemens VI. den Luxemburger Karl (später Kaiser Karl IV.) zum König. Noch bevor es zum Kampf kommt, stirbt Kaiser Ludwig der Bayer am 11. Oktober 1347 auf einer Bärenjagd. Obwohl er bis zu seinem Tod nicht aus dem kirchlichen Bann gelöst wird, findet er seine letzte Ruhe in der Münchner Frauenkirche. Seinen Söhnen fehlt das politische Geschick Ludwigs des Bayern. Sie können dem Luxemburger Gegenkönig, der schon bald die einhellige Anerkennung der Reichsfürsten genießt, die Macht nicht mehr streitig machen.

Kampf der Dynastien - Ludwig der Bayer und seine Zeit

Der Staufer Kaiser Friedrich II. muss 1231/32 im Statutum in favorem principum wichtige Hoheitsrechte an die weltlichen und geistlichen Fürsten abtreten. Das Reich zersplittert in mehrere Landesherrschaften, die immer unabhängiger werden. Die Fürsten verfolgen Sonderinteressen und versuchen ihre Einflussbereiche durch Kriege, Heiraten oder Erbverträge zu erweitern. Gebiete werden häufig geteilt, Familienstreitigkeiten und weitere Kleinstaaterei sind die Folge. Das alleinige Recht, den König zu "küren", beanspruchen im späten 13. Jahrhundert sieben Kurfürsten: die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen. Die Dynastien der Habsburger, Luxemburger und Wittelsbacher erlangen überregionale Bedeutung und konkurrieren um die Wahl zum deutschen König. In diesem Spiel der Kräfte zählt nur eines: Machtzuwachs. So erklärt sich die aggressive Hausmachtpolitik Ludwigs des Bayern.

Wer führt das Schwert? - Der Streit des Kaisers mit dem Papst

Nachdem sich die Päpste der Oberherrschaft Ostroms entziehen konnten, unterstanden sie den fränkischen Königen beziehungsweise den Kaisern des Heiligen Römischen Reiches. Der Investiturstreit, der sich im 11./12. Jahrhundert an der Einsetzung von Bischöfen und Äbten durch den König, also durch einen Laien, entzündet, endet mit dem Einlenken der Monarchen in England, Frankreich und im Reich. Das Papsttum befreit sich von weltlicher Macht und weiß seine neue politische Stellung zu nutzen, indem es beispielsweise die Führung Europas in den Kreuzzügen übernimmt. Der Höhepunkt päpstlicher Machtentfaltung ist erreicht, als Papst Bonifaz VIII. im späten 13. Jahrhundert die Zwei-Schwerter-Theorie verkündet: Gott hat der Kirche zwei Schwerter anvertraut - und das weltliche hat dem geistlichen zu dienen. Eine Kaiser-/Königswahlwahl bedarf nach dieser Auffassung der Zustimmung des Papstes. Ludwig der Bayer lehnt die päpstliche Einflussnahme bei der Thronbesetzung ab, es kommt zum Konflikt mit der Kurie.


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