Bayern 2 - radioWissen


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Am Beispiel des Klosters Benediktbeuern

Von: Simon Demmelhuber / Sendung: Carola Zinner

Stand: 27.04.2015 | Archiv

Säkularisation in Bayern: Das Kloster Benediktbeuern

Geschichte / ReligionMS, RS, Gy

Im Frühjahr 1803 beendet ein Federstrich die Tradition der bayerischen Klöster: Kurfürst Max IV. Joseph befiehlt die Auflösung aller Ordensniederlassungen und konfisziert ihr Vermögen. Ein radikaler Kehraus mit Folgen bis heute.

In den Abendstunden des 20. Februar 1799 ist München außer Rand und Band. Vivatrufe hallen durch die Straßen, Menschenmassen drängen sich, in den Wirtshäusern geht es hoch her. Der Jubel gilt dem neuen Kurfürsten Max IV. Joseph. Er folgt dem unbeliebten, kinderlos gestorbenen Karl Theodor auf den Thron, und nun soll alles anders, vor allem aber besser werden.

Der Masterplan des Ministers: Modernisierung als Staatsziel

Diesem Ziel haben sich auch der frisch eingezogene Landesherr und sein engster Berater, Maximilian Graf Montgelas verschrieben. Ein neues Bayern wollen sie schaffen, einen aufgeklärten modernen Staat im Geiste der Aufklärung, ein straff verwaltetes Land mit effizienten Behörden, einheitlicher Rechtsprechung und einer zentralisierten, auf alle Lebensbereiche sowie alle Untertanen gleichermaßen durchgreifenden Staatsgewalt. Die Pläne für diese umfassende Reform hat Graf Montgelas schon lange ausgearbeitet und in mehreren Denkschriften niedergelegt. Sein vorrangigstes Modernisierungsziel ist dabei "die Stärkung und Konzentration der Staatssouveränität, Zurückdrängung der Rechte kirchlicher Institutionen sowie der kirchlichen Gerichtsbarkeit zugunsten des Staates".

Drohender Staatsbankrott: Der Kurfürst braucht Geld

Die Rahmenbedingungen für die anvisierte Generalrenovierung sind freilich äußert prekär: Das Hoheitsgebiet des Kurfürsten ist durchsetzt von rechtlich autarken, geistlichen Territorien, Hochstiften und Klöstern, die dem besonderen Schutz des Reichs unterstehen. Rund ein Drittel der gesamten Fläche ist so dem direkten Zugriff des Landesherrn und seiner Gerichtsbarkeit entzogen. Dazu kommt eine ausgesprochen desolate Finanzlage: Seit 1792 kämpft Bayern in wechselnden Bündnissen mit europäischen Monarchien gegen das revolutionäre Frankreich und Napoleon. Die immensen Kriegskosten haben die Staatskasse geplündert und eine erdrückende Schuldenlast aufgetürmt. Das Land steht am Rande des Bankrotts. Geld muss her, möglichst viel und vor allem schnell.

Aufgeklärter Kehraus: Schluss mit dem frommen Aberglauben

Die Probleme drängen, aber Montgelas weiß, wie sie zu lösen sind: Vornehmlich durch den "Einbau der Kirche in den Staat" und "eine eventuelle künftige Einziehung reichsunmittelbaren und -mittelbaren Besitzes kirchlicher Institutionen." Im Klartext: Die Klöster sollen es richten und den Staatssäckel füllen. Beim Kurfürsten rennt er mit diesen Vorschlägen offene Türen ein. Max IV. Joseph ist ein überzeugter Parteigänger der Aufklärung. Ordensleute, Klöster und das Mönchswesen überhaupt gelten ihm als Hort abergläubischen, irrationalen, rückständigen Unsinns. Hier muss aufgeräumt werden, nicht mit dem kleinen Handbesen, sondern mit schwerem Gerät, endgültig und für immer. Mit seinen antimonastischen Ressentiments steht der Kurfürst nicht allein auf weiter Flur. Weite Teile der Weltgeistlichkeit, der aufgeklärten Beamtenschaft und auch des Bürgertums sind zum Sturm auf die Bastionen der traditionellen Volksfrömmigkeit bereit.

Der erste Schlag: Die Auflösung der Bettelorden

Der Entschluss, die Klöster aufzulösen und ihr Vermögen einzuziehen, ist zunächst nur Gedankenspiel, das der Kurfürst und sein Vertrauter in Gesprächen und Geheimpapieren durchexerzieren. 1802 wagen sich die Klosterstürmer erstmals aus der Deckung. Vorerst erproben sie ihre Strategie jedoch nur an einem leichten, wehrlosen Gegner: Am 25. Januar 1802 befiehlt Max IV. Joseph die Aufhebung aller Ordensniederlassungen, die weder Sitz noch Stimme im Bayerischen Landtag haben und nicht durch Reichsgesetze geschützt sind. Zu diesen 91 "nichtständischen" Klöstern gehören vor allem die Bettelorden der Dominikaner, Franziskaner, Kapuziner, Augustiner-Eremiten und Karmeliten. Ihre Liquidierung, so lautet die offizielle Begründung, sei aus Sorge um Kultur und Jugenderziehung sowie aufgrund des böswilligen, reformfeindlichen Verhaltens der Bettelmönche unumgänglich geworden.

Auftakt: Die Inventarisierung der ständischen Klöster

Das eigentliche Finale, der Sturm auf die reichen, politisch bedeutenden Prälatenorden, beginnt im November desselben Jahres: Kurfürstliche Kommissare beziehen Posten in sämtlichen ständischen Klöstern und erfassen vor Ort das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen in penibel erstellten Inventarlisten. Die Voraussetzungen für den letzten, entscheidenden Schlag sind geschaffen. Aber noch sind dem Kurfürsten die Hände gebunden. Um die ständischen Klöster tatsächlich aufzulösen und ihren Besitz einzuziehen, muss das Reich zustimmen und den Schutz der ständischen Klöster aufheben.

Der Sturm bricht los: Kahlschlag der bayerischen Klosterlandschaft

Im Frühjahr 1803 räumt der "Reichsdeputationshauptschluss" auch diese Hürde aus. Das von einem Ausschuss des Reichstags erarbeitete Gesetz erlaubt den "respectiven" Landesherren, nach eigenem Willen, frei und voll über das Klostervermögen in ihren Territorien zu "disponieren". Auf diesen Blankoscheck haben Max IV. Joseph und Montgelas lange gewartet. Nun haben sie grünes Licht zum Losschlagen und zögern keine Sekunde mehr: Schon im März 1803 rücken in den 73 ständischen Prälatenklöstern Altbayerns die kurfürstlichen Aufhebungskommissare an und übernehmen das Regiment. Der große Ausverkauf beginnt.

Ausverkauf: Tausend Jahre Klosterkultur unter dem Hammer

Die Aufhebung der Klöster geht einher mit der Beschlagnahme des bereits im Vorjahr inventarisierten beweglichen und unbeweglichen Klosterbesitzes. Sonderkommissionen mustern vorab Kunstschätze, Dokumente, Möbel, Gerätschaften, Geschirr, Instrumente, wissenschaftliche Sammlungen und Bücher aus, die der Staat für sich beansprucht. Der Rest wird öffentlich versteigert, die Erlöse fließen der Staatskasse zu. Die erhofften Gewinne aus der Zwangsenteignung bleiben allerdings aus. Das plötzliche Überangebot zur Versteigerung ausgeschriebener Klosterliegenschaften und Bauwerke übersättigt den Markt. Die Preise verfallen, zahlreiche Objekte werden weit unter dem Schätzwert losgeschlagen. Da der Staat zudem für die Pensionen der entlassenen Mönche, Nonnen, ehemaligen Klosterangestellten und vor allem der Prälaten aufkommen muss, schmelzen die Erträge zusätzlich ab.

Viel Schatten, wenig Licht: Die Folgen der Säkularisation

Durch den unsachgemäßen Umgang mit Kunstwerken, Büchern, Archivalien und wissenschaftlichen Sammlungen und Gebäuden gehen zwischen Frühjahr und Winter 1083 nicht nur unwiederbringliche materielle Werte verloren. Schwerer wiegt die Zerschlagung eines politischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Ordnungsrahmens, der vor allem den ländlichen Raum kulturell getragen und erhalten hatte. Als Grundherren waren die Klöster nicht nur die wichtigsten Arbeitgeber im ländlichen Raum gewesen. Sie hatten überdies wichtige Aufgaben der sozialen, medizinischen und religiösen Fürsorge wahrgenommen, Schulen, Apotheken und Spitäler unterhalten, in Fällen minderer Schwere Recht gesprochen und bäuerliche Streitsachen geschlichtet, für das geistliche Wohl ihrer Untertanen gesorgt. Mit all dem ist nun Schluss, das Gesicht Bayerns hat sich ein für alle Mal verändert.


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