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Das Thema Suffragetten

Stand: 05.03.2012 | Archiv

Eine Frau will sich mit der Lobbyarbeit der National Union of Women's Suffrage Societies nicht zufrieden geben: Emmeline Pankhurst. Die 1858 geborene Tochter eines erfolgreichen, liberalen Geschäftsmannes und einer engagierten Feministin kommt über ihre Mutter mit der Stimmrechtsbewegung in Kontakt.

Emmeline Pankhurst und die Women's Social and Political Union

Schon früh wird ihr Bewusstsein für die systematische Unterdrückung der Frau geschärft: Im Alter von 14 Jahren besucht sie ihre erste Frauenstimmrechtsversammlung. In den 1870er Jahren absolviert sie eine Mädchenschule in Paris und heiratet nach ihrer Rückkehr nach Manchester den Rechtsanwalt Richard Pankhurst. Sie haben fünf Kinder, der Sohn Frank fällt der Diphterie zum Opfer. Als ihr Mann 1898 stirbt, arbeitet sie als Standesbeamtin, um die Familie zu ernähren. Mit großer Leidenschaft engagiert sie sich für die Frauenbewegung.

Zusammen mit ihrer Tochter Christabel (1880-1928) und anderen Frauen gründet Emmeline Pankhurst 1903 in Manchester die Women' Social and Political Union (WSPU), die bald mit radikalen Forderungen und medienwirksamen Aktionen auf sich aufmerksam macht. Die Gruppe wird im Januar 1906 in einem Artikel der "Daily Mail" erstmals verächtlich als Suffragetten bezeichnet, heute sind sie die berühmteste englische Frauenrechtorganisation. Als Farben wählen die Suffragetten Violett, Weiß und Grün - man soll sie an ihrer Kleidung erkennen. Männer, die sie unterstützen, tragen entsprechende Krawatten und Hüte. Violett symbolisiert Würde und den Anspruch auf das Stimmrecht, Weiß die Unschuld der Frauen und Grün die Hoffnung auf einen Neubeginn. Die Komponistin Ethel Smith (1858-1944), eine enge Freundin Emmeline Pankhursts, komponiert die Hymne der Bewegung, den March of the Women.

Die Suffragetten stammen zumeist aus der Mittel- und Oberschicht, doch sie nehmen Kontakt zur Labour Party auf und versuchen Arbeiterinnen zu rekrutieren, um der Organisation eine breitere Basis zu geben. Unter dem Einfluss von Christabel Pankhurst präsentieren sich die Suffragetten jedoch mehr und mehr als "elitäre Elite" und verlegen 1906 ihr Hauptquartier nach London. In der Folge gehen die Arbeiterinnen wieder auf Distanz. Emmeline Pankhursts Tochter Sylvia (1882-1960), eine überzeugte Sozialistin, versucht diese Entwicklung zu stoppen. Sie muss jedoch die WSPU verlassen und ruft die East London Federation of Suffragettes (ELFS) ins Leben.

Unter der energischen Führung von Emmeline und Christabel Pankhurst wird die WSPU schnell als laute und höchst eigenwillige Gruppierung bekannt, die permanent bemüht ist, die Regierung unter Druck zu setzen.

Der Beginn der Suffragettenkämpfe

Am 13. Oktober 1905 findet in der Free Trade Hall in Manchester eine Versammlung der Liberalen Partei statt. Christabel Pankhurst und ihre Mitstreiterin Annie Kenney fragen nach der Einführung des Frauenstimmrechts, doch sie werden von Saalordnern aus dem Raum geworfen. Draußen läuft währenddessen eine "Votes for Women"-Protestveranstaltung der Suffragetten, es kommt zu Verhaftungen. Christabel Pankhurst und Annie Kenney werden zu einer geringen Geldstrafe oder sieben bzw. drei Tagen Haft verurteilt. Sie weigern sich zu zahlen - und landen im Gefängnis. Die Nachricht geht um die Welt. "Taten, nicht Worte!" heißt nun die Parole der Pankhurst-Damen.

Die Suffragetten setzen auf direkte Aktion und moderne Propagandamittel. Um Aufmerksamkeit zu erlangen, verteilen sie Kampfschriften, Buttons, Wimpel und Fahnen. Zudem bringen sie Postkarten, Plakate, Spielkarten und Seifen in Umlauf. In ganz London sind Agitatorinnen unterwegs, die mit Glocken auf sich aufmerksam machen für das Frauenwahlrecht werben.

Im Jahr 1906 gewährt Finnland, damals noch Teil des Russischen Reiches, als erstes Land der Welt seinen Frauen das aktive und das passive Wahlrecht. Die britischen Frauen sind von diesem Zugeständnis noch weit entfernt. Beim politischen Establishment stoßen die Suffragetten mit ihren Forderungen auf taube Ohren und die Regierung reagiert zunehmend nervös. Im Jahr 1907 geht die Polizei mit Härte gegen Demonstrantinnen vor, Aufmärsche werden mit Berittenen aufgelöst. Verhaftungen nehmen zu.

Im Juni 1908 findet im Hyde Park eine Kundgebung statt - 500.000 Frauen erscheinen. Diese beeindruckende Masse kommt zustande, weil auch andere Frauenorganisationen mit den Suffragetten marschieren. Viele tragen die Farben der Bewegung: Weiß, Grün und Violett. Premierminister Henry Herbert Asquith (1852-1928) zeigt sich unbeeindruckt und weigert sich, eine Abordnung der Suffragetten zu empfangen. Als die Polizei einige Wochen später eine weitere Demonstration auseinander treibt, zerbersten erstmals Fensterscheiben. Nach langen Jahren des friedlichen Protestes beginnen sich die Suffragetten zu wehren.


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