Der Auwald Hochwasserschutz
Wenn ein Fluss zuströmendes Wasser nicht mehr aufnehmen kann, tritt er über die Ufer. Auen dienen in solchen Fällen als Auffangbecken. Gleich einem Schwamm nehmen sie die Wassermassen auf und lassen sie - nur zögerlich - wieder ablaufen.
Auen schützen vor Hochwasser
Die Bäume und Sträucher der Auwälder verlangsamen die Fluten, sogar Totholz ist dabei nützlich. In Rinnen und Altwassern sammelt sich Wasser, der Hochwasserabfluss wird gehemmt. Zugleich versickert Wasser und der Grundwasserspiegel steigt an. Auf diese Weise leisten Auen mit ihrem Strukturreichtum einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz.
Ihre herausragende Bedeutung als Hochwasserschutz haben die Auenlandschaften in Deutschland weitgehend eingebüßt. Mit Flussbegradigungen und dem Bau von Staustufen zur Stromerzeugung wurden die Flüsse seit dem 19. Jahrhundert "gezähmt". Man zwängte die Ströme in ein Korsett aus betonierten Kanälen und Deichen. Mangels Wasseraustausch verloren die Auwälder ihren typischen Charakter, mancherorts wurden sie zur Landgewinnung gezielt trocken gelegt. In Überschwemmungsbereichen entstanden Siedlungen und Industrieanlagen. Zudem wurden Auwälder gerodet, um Äcker und Wiesen für die landwirtschaftliche Nutzung zu schaffen. In den Restauen bauten Bauern und Förster Wege, die Wasserläufe und Rinnensysteme - und damit die hydrologische Dynamik - unterbrachen.
Eingesperrte Flüsse - Beispiel Rhein
Was es bedeutet, Flüsse mit hohem Flutpotential einzuengen, zeigt des Beispiel des Rheins. Von der Römerzeit bis ins 19. Jahrhundert nutzten die Menschen den Rhein als Verkehrsader, doch den Lauf des Flusses tasteten sie nicht an. Schließlich kümmerten sich im Zuge der Industrialisierung und des Siegeszugs der Naturwissenschaften fortschrittsgläubige Wasserbauer um den Strom. Der badische Ingenieur Johann Gottfried Tulla (1770-1828) regulierte kompromisslos den Oberrhein zwischen Basel und Worms und verkürzte den Lauf des Flusses von 354 auf 273 Kilometer. Tulla, der als “Bezwinger des Rheins” zu Ruhm gelangte, ließ begradigen, graben und mauern.
Statt sich in einem zwei bis drei Kilometer breiten Raum frei zu bewegen, wurde der Strom in ein kanalisiertes, 200 bis 240 Meter breites Bett gezwängt und von seinen Seitenarmen abgeschnitten. Das Wasser lief fortan schneller den Rhein hinab, Auen fielen trocken. Ingesamt wurden 700 Quadratkilometer Auwald zerstört. Fatale Folge: Zur Zeit der Schneeschmelze und bei hohen Niederschlägen, vor allem aber, wenn beides zusammenfiel, kam es immer wieder zu Überschwemmungen. Hochwasserwellen schnellten mit hoher Geschwindigkeit durch die verengten Flussbette den Rhein hinab, da sie nicht mehr in den Auen gebremst wurden. Auch der Bau von Deichen half da nicht viel. Die Anwohner mussten lernen, mit der Gefahr zu leben und regelmäßig den Schlamm, den der Fluss in ihre Häuser spülte, aus den Kellern schaufeln.
Die Situation verschärfte sich noch, als sich Frankreich im Versailler Vertrag von 1919 das Recht nahm, Wasser aus dem Oberrhein abzuleiten, aufzustauen und die Wasserkraft für die Energiegewinnung zu nutzen. 1928 begannen die Bauarbeiten für den Grand Canal d’Alsace (Rheinseitenkanal) mit mehreren Staustufen. So verlor der Fluss weitere 130 Quadratkilometer Auwald.
Wiedergutmachung: Renaturierungsprojekte
Mittlerweile laufen länderübergreifende Projekte zur Renaturierung und zum Hochwasserschutz. Überschwemmungsflächen werden reaktiviert und Altwasserarme an den Rhein angebunden.
Auch in Bayern gibt es Bemühungen, Fehler der Vergangenheit wieder gutzumachen. Die Donau-Auwälder zwischen Neuburg und Ingolstadt werden - an einigen Orten durch Errichtung von Ausleitungsbauwerken - redynamisiert, das heißt mit Wasser versorgt. Auch an der Isar, etwa im Raum Freising, finden Renaturierungsmaßnahmen statt, zu denen der Wiederaufbau naturnaher Auwälder gehört. Nicht "standortgemäße" Fichtenbestände werden entfernt und durch überschwemmungstaugliche Baumarten ersetzt.