Signalgeber und Botschafter
Mensch, Natur und Umwelt | MS, RS, Gy |
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Der Körper ist eine Großbaustelle. Dauernd fehlt oder klemmt etwas. Ständig muss nachbestellt, kontrolliert, justiert, repariert, ausrangiert werden. Hormone packen es an! Sie halten den Laden in Schwung und das Leben am Laufen.
Es knackt im Gebüsch. Sofort sind wir hellwach und hochkonzentriert. Abends schlafen wir ein und wachen morgens wieder auf. Wie funktioniert das? Wieso endet unsere Kindheit mit einer turbulenten Metamorphose: Haare sprießen, wo vorher nie welche waren, Stimme und Stimmung fahren Achterbahn, aus Mädchen werden Frauen, aus Buben Männer. Und irgendwann flattern Schmetterlinge im Bauch, wir verlieben uns, gebären Kinder, der Kreislauf beginnt erneut. Nichts davon ist willentlich gesteuert, es geschieht einfach.
Kleiner Anstoß, große Wirkung
Aber wie kriegt unser Körper das alles hin? Wer oder was lenkt, wer oder was bewegt die rund 100 Billionen Körperzellen, aus denen wir bestehen? Wer koordiniert das Zusammenspiel der Muskeln, Sehnen, Sinne und Organe? Klar: Der oberste Drahtzieher dessen, was wir Leben, Bewusstsein, Wahrnehmung nennen, ist das Gehirn mit seinen mehr als 100 Milliarden Nervenzellen. Hier werden Sinneseindrücke ausgewertet, Bewegungsimpulse ausgelöst, Handlungen und Veränderungen angeordnet. Aber wie kommen die Befehle dorthin, wo sie ausgeführt werden? Wer sagt den Zellen irgendwo da draußen im Kosmos des Körpers, dass sie sich teilen oder wachsen, ihre Tätigkeit bremsen oder steigern sollen?
Buchhalter, Botschafter, Survivaltrainer
Einen Großteil des Jobs stemmen Hormone. Die meist aus Eiweißen und Fettstoffen in speziellen Drüsen gebildeten Signalsubstanzen steuern und regulieren so ziemlich alle Körperfunktionen. Sie takten unsere innere Uhr, überwachen den Zucker- und Wasserhaushalt, kümmern sich um die Energieversorgung und die Fortpflanzung, sorgen für den Nachschub wichtiger Betriebsstoffe und halten unser inneres Milieu im Gleichgewicht. Was die winzigen Botschafter leisten, ist absolut erstaunlich. Schon eine verschwindend geringe Dosis Adrenalin versetzt uns von einer Sekunde auf die andere in höchste Alarmbereitschaft. Der Hormonschalter knipst kurzfristig alles aus, was nicht zum Fliehen oder Kämpfen nötig ist. Die Sinne arbeiten messerscharf, wir sind hellwach und fit für alles, was rasches Handeln und eine Extraportion Lebenskraft erfordert.
Der Stoff aus dem Gefühle sind
Aber nicht nur körperliche Vorgänge sind hormonell beeinflusst. Hormone steuern und stimulieren auch psychische und kognitive Prozesse. Während Stresshormone wie Adrenalin, Cortisol oder Noradrenalin Unruhe und Angst auslösen, zaubern uns Melatonin, Serotonin und Dopamin und ein entspanntes Lächeln ins Gesicht. Andere Botenstoffe, wie etwa die Endorphine, lassen uns Schmerzen und Anspannung leichter ertragen.
Letztlich steuern Hormone sogar unser Liebesleben und Sozialverhalten. Das gilt besonders für eine Signalsubstanz, die als "Kuschel"-, "Nähe-", "Bindungs-" oder "Lusthormon" populär geworden ist. Die anfangs als "Gebärhormon" abgestempelte Signalsubstanz entpuppte sich als Zauberstoff, der an weit mehr Hebeln und Schaltern dreht. Oxytocin macht uns gesellig, fürsorglich, bindungsfähig, liebenswürdig, liebeshungrig und süchtig nach Streicheleinheiten. Mit einem Wort: Wenn die Chemie der Hormone, stimmt auch das Miteinander.