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Gesinnungsterror im Namen Gottes

Von: Volker Eklkofer, Simon Demmelhuber / Sendung: Christian Feldmann

Stand: 29.07.2015 | Archiv

Die Geschichte der Inquisition: Gesinnungsterror im Namen Gottes

ReligionRS, Gy

Zum Schutz vor Irrlehren schafft sich die katholische Kirche eine Behörde, die Strafgericht und Repressionsapparat zugleich ist. Mit Zwangsmethoden gehen die Glaubenswächter der Inquisition jahrhundertelang gegen Abweichler vor.

Der Aufstieg des Christentums

Schon die Urkirche ringt um die korrekte Auslegung der Schrift, doch erst als der römische Kaiser Konstantin (306-327) dem Christentum weit reichende Privilegien einräumt, werden die Auseinandersetzungen schärfer. Kaiser Theodosius I. (379-394) erhebt das Christentum schließlich zur Staatsreligion. Allmählich formiert sich eine Staatskirche, die zwischen wahrem und falschem Glauben trennt und zunehmend beansprucht, über die Lebensform der Gesellschaft zu bestimmen.

Roma locuta, causa finita

Als Nachfolger der Apostel Petrus und Paulus erringen die Bischöfe von Rom schrittweise eine Vorrangstellung (Primat). Nur noch sie tragen ab dem 5. Jahrhundert den anfangs für alle Bischöfe üblichen Ehrentitel papa. Am Ende dieser Entwicklung verfügt der Papst in Fragen der christlichen Glaubens- und Sittenlehre über die absolute Autorität. Im Zuge der Kreuzzugsbewegung, die in der Hand der Kirche liegt, wächst der Einfluss des Papstes. Eine vom Kloster Cluny in Burgund ausgehende Reformbewegung wagt im 11. Jahrhundert die Auseinandersetzung mit der weltlichen Macht. Sie fordert die Unabhängigkeit des Papsttums vom Kaiser und verlangt die kirchliche Universalherrschaft.

Kirche vs. Sekten - Kampf gegen konkurrierende Lehren

Der etablierten römischen Kirche stellen diverse Sekten schon früh ein abweichendes Glaubensverständnis entgegen. Aus diesen Gruppen, die oft durch hellenistische und orientalische Kulte beeinflusst sind, ragen die esoterischen Gnostiker und die Arianer hervor, die den Gedanken der Gottgleichheit Jesu verwerfen. Die arianische Lehre wird auf dem Konzil von Nikaia (325) verdammt, auch die Gnostiker stoßen auf heftige Ablehnung. Rasant verbreitet sich im Römischen Reich die Lehre des persischen Predigers Manichäus (etwa 215-276), der eine Verneinung alles Irdischen propagiert. Kaiser und Kirche sind alarmiert. Theodosius I. erlässt scharfe Gesetze, bläst zur Hetzjagd und schafft damit das Modell für die spätere Inquisition. Die Manichäer werden zu Staatsfeinden erklärt und müssen mit Verbannung, Todesstrafe und dem Verlust ihrer Güter rechnen.

Die Anfänge der Inquisition

Im 12./13. Jahrhundert wächst in Rom die Angst vor Häretikern, also Anhängern abweichender Lehren. In Südfrankreich breitet sich die Sektenbewegung der Katharer aus, deren radikale Bußethik große Zustimmung findet. Wegen ihrer Hochburg Albi werden die Anhänger der Katharerlehre auch Albigenser genannt. Die seit etwa 1175 aktiven Waldenser, Anhänger des Kaufmanns Petrus Waldes aus Lyon, gelten ebenfalls als Häretiker. Sie üben die Laienpredigt aus, treten für freiwillige Armut ein und lehnen sowohl die Lehrautorität wie auch Hierarchie der Kirche ab. Während der Papst um die kirchliche Einheit fürchtet, strebt die französische Krone nach der Erweiterung ihres Territoriums. So ermutigt Papst Innozenz III. (1198-1216) den französischen König zum Albigenserkreuzzug (1209-1229), der in ein einen regelrechten Ausrottungskrieg mündet.

Papst Innozenz III. ist ein frommer und selbstbewusster Mann. Nach seiner Auffassung ist das Papsttum die Sonne, von der der Mond, das Kaisertum, das Licht empfängt. Er beruft 1215 in Rom das IV. Laterankonzil ein. Hier wird nicht nur die Kirche über den Staat gestellt, hier werden auch die Lehren aus dem Katharerkonflikt gezogen. Fortan sollen weltliche Institutionen gezielt in die Häretikerbekämpfung einbezogen werden. Kaiser Friedrich II. (1215-1250) verleiht den Ketzerbestimmungen des Papstes reichsgesetzliche Geltung. Die Sünde der Häresie wird als Majestätsbeleidigung (crimen laesae maiestatis) gewertet und entsprechend bestraft - 1224 verfügt Friedrich den Tod durch Verbrennen. Wenn Hoffnung auf "Bekehrung und Rettung" besteht, kommt "nur" das Herausreißen der Zunge in Betracht. Später werden Ketzer auch zu Kerker, Ehrverlust, Vertreibung, Enteignung, Galeere, Prügel, Pranger oder zum Tragen von Bußkreuzen verurteilt.

Zum Aufspüren von Ketzern - der Begriff ist eine Umformung des Wortes Katharer, die in Italien gazzari genannt werden - entsteht die Inquisition (lat. inquisitio = Untersuchung). Sonderermittler - oft sind es Angehörige des neuen Ordens der Dominikaner - sollen im Auftrag des Papstes oder eines Bischofs Abweichler ausfindig machen. Beim strafrechtlichen Verfahren vor dem Glaubensgericht der Inquisition erhebt dieselbe Instanz Anklage, die die Untersuchung führt und das Urteil spricht. Ein Verfahren kann jederzeit aufgrund von Denunziation eröffnet werden, der Name des Zuträgers bleibt geheim. Schuldige werden zur Abstrafung dem "weltlichen Arm der Gerechtigkeit" übergeben. Immerhin: Dank der oft geordneten Prozessführung (Beweissicherung, Zeugenvernehmung) befinden sich Angeklagte in vorteilhafterer Position als vor weltlichen Gerichten.

Die Inquisition wird etabliert

Im Jahr 1231 richtet Papst Gregor IX. (1227-1241) die Inquisition als päpstliche Behörde ein, Verfahrensregeln werden festgeschrieben, das Einsatzgebiet der Ermittler erstreckt sich bald über ganz Europa. Papst Innozenz IV. (1243-1254) gestattet 1252 die Anwendung der Folter - schließlich gilt ein Geständnis als unumstößlicher Beweis, um Anhänger von Irrlehren zu überführen. Im Laufe der Zeit übernimmt die Inquisition dank des oft engen Zusammenspiels von Kirche und Staat vielfältige Aufgaben: Schutz der Reinheit des Glaubens, Vorgehen gegen Andersgläubige und Kirchenkritiker, Bekehren vermeintlicher Ketzer, Ersticken gefährlicher Umtriebe bereits im Keim, Ausüben sozialer Kontrolle, Förderung eines Spitzel- und Denunziantenwesens. Mit anderen Worten: Die Inquisition bläht sich zu einer Art Kirchen-Geheimdienst auf.

Auch bei den grausamen Hexenverfolgungen in der Zeit vom 15. bis 17. Jahrhundert, denen europaweit etwa 50.000 Menschen zum Opfer fallen, findet man Inquisitoren an vorderster Front. Allerdings sind es oft rein weltliche Gerichte und Machthaber kleiner Territorien, die Scheiterhaufen entzünden lassen, während Geistliche zur Zurückhaltung raten. Zudem finden Hexenverfolgungen nicht nur in katholischen, sondern auch in evangelischen Gebieten statt.

Zensur im Namen Gottes - die Heilige Kongregation der Römischen und Universalen Inquisition

Die rasche Expansion der Reformation zwingt Papst Paul III. (1534-1549), die Inquisition zu erneuern und 1542 in Rom zu zentralisieren. Dank des Buchdrucks verbreiten sich die Schriften Luthers rasend schnell, Gegenmaßnahmen zur Reinhaltung des Glaubens sind dringend geboten. Vor allem aber muss das Einsickern des Protestantismus in Italien verhindert werden. Die vom Papst als Inquisitoren eingesetzten Kardinäle erkennen schnell, dass es wichtiger ist, Bücher zu zensieren als Menschen zu verbrennen.

Mit dem Ziel der Kommunikationskontrolle entsteht ein 1559 ein "Index verbotener Bücher", der bis weit ins 20. Jahrhundert regelmäßig aktualisiert wird. Der Besitz dieser Werke ist Katholiken untersagt. 1571 wird als Sonderbehörde die Indexkongregation, die "kleine Schwester der Inquisition", gegründet. Oft reagiert sie auf Denunziation, eröffnet ein geheimes Verfahren, erstellt Gutachten und diskutiert diese im Expertenkreis. Zensiert werden einzelne Schriften, aber auch Gesamtwerke von Andersgläubigen, Atheisten und Häretikern.

Ein besonderer Arbeitschwerpunkt der Römischen Inquisition ist die Unterdrückung der aufkeimenden Naturwissenschaften. Spektakulärstes Beispiel: Der Florentiner Hofmathematiker Galileo Galilei (1564-1642) muss seine Feststellung, dass sich die Erde um die Sonne dreht, widerrufen und wird 1633 unter Arrest gestellt. Am Ende verliert die Inquisition - zum Schaden der katholischen Kirche - aus Angst vor der Moderne auf mehreren Themenfeldern den Anschluss an den wissenschaftlichen Diskurs. Der Versuch einer "Totalkontrolle der Wissenskultur", wie es der Historiker Peter Godman formuliert, scheitert.

Bei der Ketzerverfolgung lässt die Römische Inquisition ansonsten eher Milde walten. Nur wenige Todesurteile werden vollstreckt, darunter sind prominente Fälle wie die Exekution des Dominikanermönchs Girolamo Savonarola (1452-1498), der den Sittenverfall am päpstlichen Hof kritisiert und in Florenz eine theokratische Demokratie errichtet, sowie die Verbrennung des Priesters und Philosophen Giordiano Bruno (1548-1600), der gegen den christlichen Trinitätsglauben zu Felde zieht. Zu den unbestrittenen Verdiensten der Römischen Inquisition zählt immerhin, dass Italien vom Hexenwahn verschont bleibt.

Staatsterror mit kirchlichem Plazet - die Spanische Inquisition

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gehen die Kämpfe der christlichen Staaten der Pyrenäenhalbinsel um die Rückgewinnung des Landes von der islamischen Herrschaft zu Ende. Durch die Heirat Ferdinands von Aragon mit Isabella von Kastilien (1469) entsteht ein Einheitsstaat, die Krone beherrscht Adel und Kirche. Den Machthabern schwebt eine homogene Bevölkerung vor. Juden (Conversos) und Muslime (Moriscos) aus den eroberten Gebieten, die zum Christentum übergetreten sind, um einer Ausweisung zu entgehen, sind ihnen ein Dorn im Auge. Das Königspaar beantragt in Rom die Einrichtung einer Inquisitionsbehörde, die unter staatlicher Kontrolle stehen soll. Im November 1478 gibt Papst Sixtus IV. (1471-1484) grünes Licht.

Ab 1480 wird die Inquisition in Spanien als politisches Machtmittel des Staates eingesetzt. Auch hier treten Dominikaner, die geistliche Sturmtruppe der Inquisition, in Erscheinung und helfen beim Aufbau einer rigiden Organisation. Zunächst trifft es Conversos, die als Häretiker und Staatsfeinde denunziert werden. Das Vermögen wohlhabender Neuchristen wird eingezogen, Hinrichtungen und Vertreibungen finden statt. 1492 fällt Granada, die letzte maurische Bastion in Spanien. Nun rücken die Moriscos ins Visier der Inquisitoren. 1609 geht die Bekämpfung der Moriscos in die Schlussphase, ihre Ausweisung wird dekretiert. Bis 1640 müssen etwa 300.000 Moriscos Spanien verlassen.

Eine Auswertung von Inquisitionsakten hat ergeben, dass in Spanien zwischen 1540 und 1700 knapp 45.000 Menschen angeklagt werden; 1,8 Prozent werden auf dem Scheiterhaufen verbrannt, 1,7 Prozent in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Zahlreiche Verdächtige werden versklavt, andere kommen geringeren Strafen davon. Die ökonomischen Folgen vor allem der Morisco-Vertreibung sind beträchtlich.

Der Niedergang der Inquisition

Zunächst durch die Reformation, dann durch die neuen Ideen der Aufklärung, büßt die katholische Kirche erheblich an Einfluss ein, ihre machtpolitische Geltung nimmt ab und in der Zeit um 1800 ist die Inquisition endgültig erlahmt. 1908 verfügt Papst Pius X. (1903-1914) die Umbenennung der Behörde in Heiliges Officium. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führen die Zensoren letzte Rückzugsgefechte unter anderem gegen kommunistische Autoren und Philosophen wie Jean-Paul Sartre.

Auf dem II. Vatikanischen Konzil (1962-1965) attackiert der Kölner Kardinal Joseph Frings das Heilige Officium und prangert das Verfahren der Inquisition als unzeitgemäß an. Der Index wird abgeschafft, die katholische Weltkirche bekennt sich zur Religions- und Gewissensfreiheit. An die Stelle des Heiligen Offiziums tritt die Glaubenskongregation, die ohne besondere Geheimhaltung agieren und die katholische Glaubens- und Sittenlehre fördern und schützen soll.

Papst Johannes Paul II. (1978-2005) bekennt sich zu dem wohl düstersten Kapitel der Kirchengeschichte. Er gewährt Forschern Zugang zu den Archiven der Inquisition, lässt Galileo Galilei 1992 rehabilitieren und legt im Jahr 2000 ein öffentliches Schuldbekenntnis für die von Kirchenvertretern verübte Gewalt und für "Methoden der Intoleranz" ab.


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