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Das Fegefeuer - Ort der Läuterung Das Thema

Stand: 15.10.2012 | Archiv

Die Jenseitsvorstellung der Bibel

Jüngstes Gericht, Michelangelo, Cappella Sistina | Bild: picture-alliance/dpa

Jüngstes Gericht, Michelangelo, Cappella Sistina

Die Jenseitsvorstellung der Bibel ist grundsätzlich von der Überzeugung geprägt, dass die Guten belohnt und die Schlechten bestraft werden. Die Frage allerdings, wer vor das Gericht treten muss und zu welchem Zeitpunkt, findet unterschiedliche Antworten. Und darüber hinaus: Was geschieht mit den minderschweren Sündern? Die Bibel hat darauf keine eindeutige Antwort, im Gegenteil, das Fegfeuer wird in der Bibel nicht erwähnt. Das Matthäusevangelium (Mt. 25,31 ff) beschreibt, dass alle Menschen nach dem Tod vor ihren Richter treten müssen und dort in Gut oder Böse geteilt werden. In dieser Art sind die meisten der uns bekannten Weltgerichtsbilder aufgebaut, der richtende Gott in der Mitte scheidet die Völker zu seiner Rechten in gute, zu seiner Linken in schlechte Menschen. Im Johannesevangelium ist dieses Bild leicht abgewandelt; es treten nur die Schlechten vor das Gericht, den Guten wird die sofortige Auferstehung gewährt. (Joh. 5, 28 f.). Dies bedeutet aber im Gegenzug, dass nun vor Gericht auch weniger gute Menschen die Möglichkeit haben, ins Paradies aufzusteigen. An dieser Stelle trat eine Problematik zutage, die mit der Erfindung des Fegfeuers beantwortet wurde.

Geschichtliche Ursprünge der Fegfeuervorstellungen

Todesengel, Cappella Sistina, Michelangelo | Bild: picture-alliance/dpa

Todesengel, Michelangelo, Cappella Sistina

Der Kirchenvater Augustinus mahnte die Gläubigen im 4. Jahrhundert: "Täuscht euch nicht: Es gibt nur zwei Orte", das Paradies für die Guten, jedoch die Hölle für die Sünder. Auf mittelalterlichen Darstellungen gab es für den Mensch nach dessen Tod nur diese zwei Möglichkeiten. Hier stellte sich das Problem, was mit den Minderschuldigen passiere. Kein Mensch ist am Ende seines Lebens frei von Schuld. Was war mit den noch nicht getauften verstorbenen Kindern, konnte man ihnen Schuld anlasten? Diese Problematik erkannte durchaus auch Augustinus. An diesem Punkt steht die Erfindung eines "Dritten Ortes", des "Purgatoriums" oder auch "Fegfeuers", eines Platzes also zwischen Himmel und Hölle. Selbstverständlich wurde dieser dritte Ort nicht von heute auf morgen erfunden.

Man kann an Hand von Schriften die Entstehung bis ins 2. Jahrhundert zurückverfolgen. Der Theologe Tertullian spricht im 3. Jahrhundert vom "Refrigerium"; einem Ort der Rast oder des Schlafes nach dem Tod. Sein etwa zeitgleich lehrender Kollege Origenes geht noch einen Schritt weiter, er verneint die Hölle ganz. Er ist der Auffassung, dass jeder Sünder nach entsprechend langer Buße im Feuerstrom die Möglichkeit hat, im Himmel aufgenommen zu werden. Augustinus definiert einen Ort, an dem Schmerzen eine reinigende Funktion übernehmen. Erst Papst Gregor der Große brachte in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts Ordnung in die verschiedenen Theorien und bestätigte den Glauben an ein Reinigungsfeuer. Die Wende aber brachte erst das 12. Jahrhundert zwischen 1170 und 1200: Nun wurde auch der Begriff Purgatorium (Ort der Reinigung) eingeführt, in einer Zeit, in der begonnen wurde, Gerechtigkeit für den Einzelnen zu suchen.

Im 13. Jahrhundert wurde durch große Theologen das Purgatorium als Ort beschrieben, in dem die Sünder für einen zeitlich begrenzten Raum ihre Schuld ableisten mussten, auf Aufnahme ins Paradies hoffend. Die Vision des Tnugdal, in Irland im 12. Jahrhundert niedergeschrieben, zeigt, dass im keltischen und germanischen Raum ähnliche Jenseitsvorstellungen existierten. Der Ritter Tnugdal irrt in dieser Erzählung durch zwei Höllen, bevor er ins Paradies aufsteigt. Die Erzählung versucht die verschiedenen literarischen und theologischen Traditionen zu verbinden. Die literarische Krönung der Jenseitsvorstellungen entsteht Anfang des 14. Jahrhunderts mit Dantes "Göttlicher Komödie". Ihm gelingt es erstmals auf kunstvolle Weise, dem neuen Bild vom Fegfeuer einen literarischen Rahmen zu verleihen. Erst mit der Reformation wird dieses Bild der Höllenqualen, zumindest in Teilen Europas, revidiert, neu diskutiert oder abgeschafft. Zu dieser Entwicklung kommt es, da vor allem die Auswüchse des Ablasshandels und der Messstipendien zu Unmut geführt haben.

Christliche Bußpraktiken

In der frühchristliche Praxis konnte im Gebet während der Eucharistiefeier, hier besonders im Hochgebet, und in einem sehr ausgiebigen Bußverfahren der Sünder wieder in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen werden, dies allerdings nur ein einziges Mal, durch eine Generalbeichte. Dazu musste der Sünder nicht nur vor Gott sondern auch für die Gemeinschaft der Gläubigen Buße tun. Verstarb der Sünder vor Ableisten der Buße, bestand die Möglichkeit die Bußeübungen im Jenseits zu vollenden. Die westliche Kirche ging dabei von einer reinigenden Strafe, die östliche Kirche hingegen von einem therapeutischen Heilungs- und Reinigungsprozess aus.

Ausgehend vom irisch-angelsächsischen Sprachraum setzte sich die auch heute noch übliche Privatbeichte durch. Die Sünden wurden nach Ableisten eines genau festgelegten Bußrituals erlassen. Hatte ein Sünder bis zu seinem Tod nicht alles gebüßt, konnte er im Jenseits das Strafkonto ableisten – und damit war die Idee des Fegfeuers geboren. Hinzu kam dass man den Verstorbenen im Jenseits mit Messstipendien und Ablasszahlungen zur Hilfe kommen und den Aufenthalt im Fegfeuer merklich verkürzen konnte. Die "Legenda aurea" des Jacobus a Voragine (um 1270) beschreibt im Kapitel über den Heiligen Odilo, Abt von Cluny, die Entstehung des Festes Allerseelen am 2. November, an dem auch für arme Menschen die Möglichkeit besteht, für ihre Verstorbenen zu beten.

Fegfeuer im 20. Jahrhundert

Es ist im 20. Jahrhundert eine deutliche Tendenz festzustellen, das Fegfeuer auch in katholisch geprägten Regionen zu unterdrücken. Besonders ab Mitte des Jahrhunderts wurden in vielen Kirchen die Bilder von den Altären entfernt, wobei man in diesem Fall regionale Unterschiede berücksichtigen muss. Diese Tendenz spiegelt eine allgemeine Dechristianisierung unserer Zeit wieder. Die Kirche äußert sich zurückhaltend, beginnt aber dennoch der Zeit angepasst die Lehre des Fegfeuers zu überdenken. Die beiden Theologen und Jesuitenpatres Karl Rahner und Ladislaus Boros trugen dazu bei, die Lehre des Fegfeuers aufzubrechen und in Teilen dem 20. Jahrhundert anzupassen. Karl Rahner vertritt dabei die Überzeugung, dass der Gedanke des Zeitlichen und Räumlichen im Jenseits nicht mehr haltbar ist, in seiner These kann der Reinigungsprozess im Moment des Todes auf unterschiedliche Art mit unterschiedlicher Ausprägung und Intensität vollzogen werden. Auch Ladislaus Boros vertritt eine ähnliche These, in der Stunde des Todes werden "alle Sehnsüchte, Handlungen und Orientierungen zu einer letzten radikalen Entscheidung gebündelt."

Wurde 1992 im Katechismus der Katholische Kirche das Dogma noch im unveränderten Wortlaut wiederholt, so finden sich in neuesten Äußerungen von Papst Benedikt XIV. Einschränkungen. So erklärt er, dass es im Normalfall keine nur Guten oder nur Bösen Menschen gibt. Den meisten aber sind die moralischen und sittlichen Schranken bewusst und sie erkennen, wenn sie übertreten werden. An anderer Stelle definiert er die Reinigung durch Gott als ein beglückendes Erlebnis, da hier erfüllt wird, was der Mensch aus eigener Kraft nicht schaffen konnte.


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