Bayern 2 - Die Welt am Morgen


0

Ende der Welt - Die tägliche Glosse Alarmierender Niedergang beim Hupen

Auch wenn das Hupen von einer Würdigung als Weltkulturerbe noch weit entfernt scheint, verdient diese elementare Lautäußerung, mit der viele Berufspendelnde ihren Tag beginnen, doch genauere Aufmerksamkeit. Eine Glosse von Georg Bayerle.

Von: Georg Bayerle

Stand: 18.07.2024

Die wahre Befindlichkeit einer Gesellschaft erkennen wir nicht, indem wir ihren immer komplexeren Wirrungen nachsteigen, sondern in den Basislauten. Damit gemeint sind jetzt nicht die ersten Quak- und Schmatzgeräusche der Babies. Schon die Unesco hat hier den Weg aufgezeigt, indem sie zum Beispiel den „Silbo“, die eigentümliche Pfeifsprache der Ureinwohner von La Gomera als Weltkulturerbe adelte. Auch wenn das Hupen von einer derartigen Würdigung noch weit entfernt scheint, verdient diese elementare Lautäußerung, mit der viele Berufspendelnde ihren Tag beginnen, doch genauere Aufmerksamkeit.  

Das auch, weil es einer der wenigen gesellschaftlichen Codes ist, der heute noch praktisch alle Generationen miteinander verbindet, zumindest die ab 18, wenn’s den Führerschein gibt. Ursprünglich eingeführt wurde die Autohupe vor etwas mehr als 100 Jahren, als plötzlich Fahrzeuge mit mehr als Pferdegeschwindigkeit die Straßen unsicher machten. Aus dem damals primitiven Warnsignal schuf der Mensch in seinem kreativen Drange schnell eine nuancenreiche Kunstsprache. Eine bestimmte synkopierte Lautfolge konnte etwa einer hübschen Person am Straßenrand gelten. 

Je nach genauer Intonation sollte der Hupton einfach nur Aufmerksamkeit, oder aber Bewunderung oder sogar eine Einladung zum Mitfahren signalisieren – besonders südliche Länder haben sich in diesem hup-phonetischen Bedeutungsfeld hervorgetan. Typisch auf der Münchner Leopoldstraße war jahrzehntelang die Protzautofanfare. Das ist vorbei, weil die Stadt längst vor Protzautos überquillt. Wie überhaupt ein drastischer Niedergang in der Hupkommunikation festzustellen ist.

Hupen als eigene Sprache

Gehupt wird zwar mehr denn je, aber übersetzt in Sprache handelt es sich praktisch ausnahmslos um mehr oder weniger deftige Kraftausdrücke, die auch nicht warnen sollen, sondern dem Depp vorne oder seitlich mitgegeben werden, weil der irgendetwas Störendes gemacht hat. Wer blinkend die Spur zu wechseln versucht wird weggehupt und wehe, Sie treten an der Ampel nicht sofort das Gaspedal durch, bevor sie auf Grün gesprungen ist.  

Wie immer lohnt sich der interkulturelle Vergleich: ein kurzer Aufenthalt inmitten des Hupkonzerts auf dem achtspurigen Kreisverkehr um den Arc de Tromphe etwa beweist, dass Paris eben eine Weltstadt der Hochkultur ist. Während die Fahrzeuge durcheinanderstrudeln werden Bekanntschaften geschlossen und Komplimente ausgetauscht. Am Hupen sollt ihr die Mitmenschen erkennen. Da haben wir Einiges vor uns, wenn’s mit diesem Land wieder aufwärts gehen soll! 


0