Ende der Welt - Die tägliche Glosse Ameisen-Amputation
In Ameisenstaaten wäre unsere Ampel-Koalition also längst wieder auf den Beinen, wenn auch nicht auf allen: Die Insekten beißen sich gegenseitig die Extremitäten ab, fanden Forscher heraus. Aber gerade Olaf Scholz vertritt seine Standpunkte in der Regel ja sowieso in Sitzungen. Da fällt es gar nicht weiter auf, wenn Christian Lindner hin und wieder ein paar lädierte SPD-Gliederungen abbeißt, die von akuten Selbstzweifeln befallen sind. Wer weiß, ob die Partei überhaupt noch die Schuhe braucht, die Willy Brandt ihr hinterlassen hat. Eine Glosse von Peter Jungblut.
Eine Beziehung funktioniert bekanntlich nur so lange, wie wir den anderen auch mal abbeißen lassen, sei es vom Vanilleeis, von der Sesamstange oder der Schmalznudel. Aber wir brauchen uns gar nicht groß was drauf einbilden: Die Ameisen-Art Camponotus floridanus beißt sich gegenseitig nicht etwa die Tannnennadeln oder die Blattläuse ab, sondern gleich die Beine, und zwar immer dann, wenn sie sich verletzt haben und eine Infektion droht. Das haben Würzburger Forscher herausgefunden.
Und das Bemerkenswerte daran: Diese Amputationen sollen 90 Prozent der Betroffenen überleben. Kein Wunder, Ameisen haben bekanntlich sechs Beine und kommen auch mit fünfen klar, wie die Wissenschaft herausgefunden hat. Sie stehen also weder mit einem Bein im Grab, noch mit zwei Beinen im Leben, was vermutlich erklärt, warum ihre öffentliche Meinung in der Regel nicht ganz so schwankungsanfällig ist wie unsere. Ob Ameisen sich allerdings auch gegenseitig Beine machen können, wie es uns ja eigen ist, sogar auf die Schnelle, das sei dahingestellt.
Scheint staatenbildenden Wesen offenbar angeboren zu sein, dass sie mit ihren Extremitäten verschwenderisch umgehen. Wir kennen das ja auch, dass wir jemanden den kleinen Finger reichen und danach die Hand weg ist, aber die Überlebensrate wurde anscheinend noch nicht genauer erforscht. Andere verlieren sogar gelegentlich den Kopf, und das ohne nennenswerte Beeinträchtigungen im Alltag, abgesehen von Schlafproblemen und Hitzewallungen.
Wir wissen Bescheid: Sie stützen sich auf Annahmen, hoffentlich plausible
Was die Ameisen angeht, dürften ihnen die Sympathien großer Teile der arbeitenden Bevölkerung gewiss sein: Wer sich kein Bein ausreißt, ist ja bekanntlich stets dankbar, wenn es andere für ihn tun, ob im Büro oder an der Werkbank. Warum soll das im Ameisenhaufen anders sein? Allerdings beißen die Herrschaften dort nur dann die Beine ihrer Kolleginnen ab, wenn ein Oberschenkel in Mitleidenschaft gezogen wurde, so die Ergebnisse der aktuellen Studie.
Verletzungen am Unterschenkel werden dagegen mit Speichel sterilisiert, in der Hoffnung auf Heilung. In Ameisenstaaten wäre unsere Ampel-Koalition also längst wieder auf den Beinen, wenn auch nicht auf allen. Aber gerade Olaf Scholz vertritt seine Standpunkte in der Regel ja sowieso in Sitzungen. Da fällt es gar nicht weiter auf, wenn Christian Lindner hin und wieder ein paar lädierte SPD-Gliederungen abbeißt, die von akuten Selbstzweifeln befallen sind.
Wer weiß, ob die Partei überhaupt noch die Schuhe braucht, die Willy Brandt ihr hinterlassen hat. Der Parteilinken wachsen ja gerade Flügel, was hin und wieder auch bei Ameisen beobachtet wird, allerdings nur, wenn es trocken, warm und windstill ist, was für das Klima bei den derzeitigen Haushaltsberatungen eindeutig nicht gilt. Wird spannend werden, wer dabei mit wessen Beinen rauskommt und die Hosen anhat. Es empfiehlt sich genaueres Hinschauen. Sollten die Grünen wackeln, wissen wir Bescheid: Sie stützen sich auf Annahmen, hoffentlich plausible. Im Ameisenstaat wird auch mal eine dieser lästigen Schuldenbremsen vorbeisurren. Auch dort kein Grund, die Beine baumeln zu lassen, jedenfalls nicht die eigenen.