Bayern 2 - Die Welt am Morgen


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Auskunft und Suche

In so seltenen wie glücklichen Fällen scheitert eine schlechte Idee schon vor ihrer Umsetzung. So hat der Protest von Bahnkunden und Sozialverbänden die Bahn daran gehindert, die "Ankunft"-Plakate auf den Bahnhöfen bis Monatsmitte abzuhängen. Ein wenig mehr Orientierung für Bahnreisende bleibt erhalten. Eine Glosse von Gregor Hoppe.

Von: Gregor Hoppe

Stand: 02.12.2024

Ausnahmsweise müssen wir heute die Bahn in den höchsten Tönen loben. Und zwar für ihr rasches Umdenken und Umlenken in der Angelegenheit „weiße Papierlisten für Ankunftszeiten und -gleise. Der Plan, diese abzuhängen, und nur noch die gelben Listen für Abfahrtszeiten und -gleise in ihren Vitrinen zu belassen, war kaum an die Öffentlichkeit gedrungen, da erhob sich starker Protest von Bahnkennern und Kunden. So führte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverband VdK, aus, das Abschaffen analoger Aushänge verschärf das Gefühl des Abgehängtseins, vor allem bei denen, die nicht durchgehend digital unterwegs sind.“ Eine nicht nur weise Entscheidung, sondern auch ein sympathischer menschlicher Zug der Bahn, dem stattzugeben und den unglücklichen Schritt zurückzunehmen.

Tatsächlich haben sogar ausgewiesene Digital-Nerds im Wirrwarr seiner elektronischen Infos vom Bahn-Navigator und der übrigens öfter mal ausgefallenen zentralen digitalen Anzeigentafeln an der Stirnseite der Gleisbetten Zuflucht genommen zu den ganz klassischen Plänen mit den Titeln „Abfahrt“ und „Ankunft“. Wie schön, dass die sich weiter bewähren dürfen.

Denn dass es sich dabei um etwa so ungefähre Angaben handelt wie bei den „zuverlässigen Informationen in Echtzeit“, die die Bahn ins Feld führte, um die „Ankunfts“-listen abschaffen zu können, das verstehen Bahnkunden schon von selbst. Zumal ja jederzeit ausnahmsweise Ankünfte an anderen Gleisen als vorgesehen per durchgekrächzter Spontanansage ausgerufen werden.

Die digital angezeigte Wirklichkeit ist nicht die, die den Menschen in der konkret wahrnehmbaren Welt umgibt

Wer diese Info in Echtzeit nicht mitkriegt, hat halt den Kürzeren gezogen. Die Bahn hatte beim ursprünglichen Plan nicht nur Internet, Apps und Zentralanzeigen ins Feld geführt, sondern auch auf die „dynamischen“ Anzeiger am Rand des betreffenden Gleises verwiesen. Da schien ein grundsätzlicher Denkfehler vorzuliegen, wie das leider auch heute noch vorkommt: Kenne ich das Ankunftsgleis nicht, weil die Liste nicht mehr aushängt, kann ich auch nicht auf den dynamischen Anzeiger am Bahnsteig stoßen, der sich dort befinden soll und mir was verraten.

Merke: Die digital angezeigte Wirklichkeit ist nicht die, die den Menschen in der konkret wahrnehmbaren Welt umgibt. Wir müssen generell die Angaben der Bahn als Ausdruck der von der Belegschaft als Wille und Vorstellung geäußerten Wünsche begreifen. Indem die Bahn die papierenen Listen mit Ankunftszeiten und dazugehörigen Gleisen wieder zurückhängt in die festlichen Vitrinen, bekennt sie sich wenigstens schwarz auf weiß dazu, anzugeben, wo und wann sie die Fahrgäste wieder abzuliefern sich vorgenommen hat. Und mehr sollten wir bis auf Weiteres von unserer Bahn nicht verlangen.


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