Ende der Welt - Die tägliche Glosse Außer Balance
Unsere Eltern und Großeltern kannten den Begriff noch nicht: „Work Life Balance“. Aber vermutlich fühlten Sie, dass da irgendwas nicht ganz im Gleichgewicht war. Den Jüngeren hingegen ist das Ganze sehr vertraut und das innere Bilde der Waage gab häufig den Ausschlag bei der Jobwahl. Sollte das wirklich wieder anders kommen? Eine Glosse von Norbert Joa.
Achtung, Achtung – die folgenden Minuten könnten vor allem junge, zarte Gemüter aus dem seelischen Gleichgewicht bringen. Denn gleich tönt ein Vorstandsvorsitzender, ein Boomer – zugleich Chef eines boomenden Konzerns, kurz: der 61jährige Sebastian Ebel, wörtlich: „Um die Krise zu überwinden, müssen wir wieder mehr und besser arbeiten. Wir müssen unsere hohen Lebens- und Sozialstandards verdienen. Ich reagiere allergisch auf den Begriff Work-Life Balance. ZITAT ENDE. So stürzt der Mann mit nur drei Sätzen Millionen in Seelennot – will da einer tatsächlich wieder mehr auf die Waagschale ARBEIT legen? Nunja, Sebastian Ebel greift zu einem perfiden Trick, indem er behauptet: ZITAT Wenn ich nicht ein Minimum Spaß bei der Arbeit habe, wird’s schwierig - Work und Life sollten kein Gegensatz sein. ZITAT ENDE
Würden alle so ticken wie Herr Ebel, wäre TUI pleite
Hm, da ist was dran. Dann gingen freilich auch zehn Stunden am Tag – gelebt wird ja sowieso. Und daheim sterben die Leut, isses oft öde. Oder – wie Ebel anfügt: „Jeder, der Kinder hat, weiß, dass der Life Teil auch nicht immer einfach ist.“ Ja – und Ebel hat fünf Kinder. Oder besser: er weiß in der Konzernzentrale immer, wo sie sind. An der Stelle würde man gern mal mit seiner Frau reden, über deren Work Life Balance. – Mit Glück und Pech hat die fünffache Mutter auch noch einen Beruf und fünf Au Pairs. Was sie wohl nicht hat, sind gemeinsame Reisen, samt Kofferpacken und MegaOrga für sieben Personen. Ihr äußerst erfolgreicher Mann wurde nämlich gefragt, wie er es mit Urlaub halte – seine Antwort: „Wenn sie darunter verstehen, dass ich nicht im Unternehmen bin oder nicht arbeite, dann bleiben Weihnachten und Ostern.“
So, und jetzt kommts – Törö – Sebastian Ebel leitet einen Konzern - mit 21 Milliarden Euro Jahresumsatz und 66 000 Mitarbeitern – namens: TUI. Der Reise & Urlaubsriese. Würden alle so ticken wie Herr Ebel, wäre TUI pleite. Bei fünf freien Tagen im Jahr. Nun, den Boomern kann´s langsam egal sein – hierzulande gehen in den nächsten zehn Jahren 16 Millionen in Rente und 12 Millionen Junge rücken nach. Müssten die dann zum Ausgleich tatsächlich zurück zur 6 Tage oder 48 Stunden Woche, würde jedenfalls auch TUI davon profitieren. Was meinen Sie, wie die Urlaubswochen dann aussehen, wie entfesselt konsumiert würde, auf dem Kreuzfahrtschiff?
Von Gleichgewicht wäre an Deck wohl nicht mehr die Rede.