Bayern 2 - Die Welt am Morgen


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Die Brotzeit im Internet

Das Internet weiß vieles, ob es stimmt oder nicht, wer weiß. Aber was eine bayerische Brotzeit in einem Biergarten ist und was nicht, das hat nichts mit Wissen zu tun, sondern mit einem speziellen Gefühl. Eine Glosse von Martin Zöller.

Von: Martin Zöller

Stand: 05.08.2024

Es gibt sehr viele gute Gründe, weshalb man auf das Internet verzichten könnte, manchmal ist es aber auch lustig. Vor allem, wenn die Leute unverblümt Fragen stellen: „Hilfe mein Toaster geht nicht - warum?“ oder „Wer kennt sich aus mit kasachisch-chilenischen Vorspeisen?“ oder „wie lange dauerte der 30-jährige Krieg?“ Nicht selten denkt man sich: Ruf die Frage doch nicht in die Welt hinaus sondern red‘ erstmal mit deinen Nachbarn oder dem Postboten.  

Nun wurde ich aufmerksam auf eine lebhafte Diskussion in einem Nachbarschafts-Netzwerk. Hier hatte Nutzer K. eine Frage gestellt, die immerhin für die Wochen mit Biergartenwetter relevant ist. Nutzer K. berichtete über einen Biergarten, vor dem ein Schild gestanden habe: „Nur Brotzeit erlaubt, keine warmen Speisen oder Salate.“ Nutzer K. war erschüttert: „Ich habe mich heute den ganzen Nachmittag gefragt was denn zu einer Brotzeit gehört und ob ein Wurstsalat ein Salat ist?“  

„Was gehört zu einer Brotzeit?“

Zunächst mal: Weltgeschichtlich gesehen ist die Frage, ob Wurstsalat ein Salat ist oder nicht, vermutlich eine der harmlosesten, über die sich je jemand den Kopf zerbrochen hat. Aber: Auf dem bayerischen Boden der Tatsachen ist sie halt doch wichtig. Deshalb zunächst: Per Definition ist Salat kalt, besteht aus kleinen Stücken und grundsätzlich aus Gemüse, aber das ist Wurscht. Also: Wurstsalat ist Salat, wenn nicht sogar der Biergarten-Salat schlechthin. Also hat Wurstsalat Biergartenverbot? Ausgeschlossen. Deshalb, lieber K.: Wirst Du jemals mit einem Wurstsalat aus dem Biergarten hinausgeschmissen, ich bezahle die Anwaltskosten, solange er kalt ist. Wir verstehen uns: Wenn der Wurstsalat warm ist, ist er nicht nur eine warme Speise und hat zurecht Biergartenverbot, sondern ist auch eine grauenhafte Vorstellung. 

Und: „Was gehört zu einer Brotzeit?“ Gerhard Polt philosophierte einmal „Brot plus Zeit ist Brotzeit“. Das Internet ist da weniger tiefgründig: Obazda, Radi, Salami. Aber auch: „Feta-Mais-Zucchini Crostini“ oder als „Brotzeit mit Fisch“: „Göttliches Lachstatar gebettet auf Avocado.“ Hmm. Ist das Brotzeit? 

Erstens: Frage weniger das Internet, sondern häufiger die Nachbarn oder den Briefträger.  Zweitens: Es gilt für die Brotzeit-Frage in Biergärten der legendäre Satz des amerikanischen Richters Potter Stewart, der 1964 in einem Verfahren über obszöne Videos sinngemäß sagte, was obszön sei, das sei schwer zu definieren, aber: „Ich erkenne es, wenn ich es sehe“.  

Das gilt auch im Biergarten. Einmal den Blick schweifen lassen durch die Kastanien und über die Biertische und man weiß: Das ist eine Brotzeit. Und das ist keine.


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