Bayern 2 - Die Welt am Morgen


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Doofe Fragen

Wünschen Sie sich auch manchmal, schlagfertig zu sein? Wenn jemand einen blöden Spruch macht, sofort mit einem noch besseren kontern zu können? Unser Autor Uli Höhmann wünscht sich das auch, v.a. wenn ihm doofe Fragen gestellt werden oder er sie sich selbst stellt. Und was eine doofe Frage ist, damit kennt er sich aus - sehr gut sogar.

Von: Uli Höhmann

Stand: 29.05.2024

Neulich in der Pause eines Auftritts als Kleinkünstler, der ich auch bin: Ich steh am Urinal, lass laufen und hör jemanden von hinten rufen: "Ey, geiler Vortrag eben! Wie kriegt man so 'ne Hammer-Stimme?" Das sind Momente, wie sie wahrscheinlich nur Männer erleben – unverlangtes Feedback beim Pinkeln – und es sind Momente, in denen ich mir nichts sehnlicher wünsche, als super schlagfertig zu sein, um richtig cool kontern zu können: "Fragst du das auch einen Basketballer: Ey, geiler Wurf! Wie wird man zwo Meter zehn?“
„Was...?“
„Meine Eltern haben mich groß gezogen."
"Ha ha, sehr witzig!"

Hinterher fällt mir so was ein. Hinterher fällt mir immer eine Menge ein, wenn ich Zeit habe, nachzudenken. Aber das geht bestimmt den meisten Menschen so. Schade, dass sich so wenige die Zeit nehmen, über ihre Fragen so lange nachzudenken wie über ihre Antworten. Und dann fragen sie: "Ey, geiler Text, wie kommt man da drauf?" Die Frage ist ja durchaus berechtigt, manchmal stell ich sie mir sogar selbst: Alter, wie kommst du auf den ganzen Kram?! Trotzdem ist die Frage ziemlich doof, weil ich mit ein bisschen Nachdenken schnell feststellen werde, dass mich eine ehrliche Antwort null weiterbringt: "Jo, wie kam ich da drauf: Aaaaaalso, ich saß aufm Thron, denk noch: Uli, Müsli kaufen! It's my party, is heut Freitag? Nee, Nachmittag, Kasperle ist wieder da, der Hahn tropft, auf der Glatze Locken drehen, Mon Cheri mit Minipli, muss mich beim Vadder melden, Shit: Papier alle! And I cry if want to." Kannste folgen? Ich auch nicht. Aber so entstand meine letzte Glosse. Ist so!

Wundern Sie sich nicht über doofe Antworten, meistens bekommt man sie auf eine doofe Frage. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede, ich mach das professionell, das Doofe-Fragen-stellen, denn ich bin Journalist.

Ich stell jetzt keine Fragen mehr, ich geb jetzt nur noch doofe Antworten

Erst kürzlich suchte mich in einem Anflug von Larmoyanz und Midlife-Crisis der Engel der Selbstkritik heim und er sprach: „Na, du oider Depp, machst di wieder lustig über andre, ha? Na schaung ma doch amal, was du so für Premiumfragen gstellt hast in deinem langen Leben als Pressefuzzi.“ Und er durchsiebte samt und sonders meine Interviews aus den letzten 25 Jahren und rieb mir mit Freude meine häufigste Frage unter die Nase. Spoiler: Ich hab mit vielem gerechnet, aber damit nicht, mit Fragen wie: „Wie ist die Stimmung?“ Oder: „Sind Deutsche betroffen?“ Oder: „Gab's Tote?“ Fragen, die immer passen, egal bei welchem Thema, ob Krieg, Klima oder Karaoke. Doch dick und rot eingekringelt stand da ganz oben auf der Liste nur ein einziges Wort. Meine häufigste Frage aus einem halben Berufsleben ist die Frage: Und?

Sehen Sie's mir nach, aber nach dieser niederschmetternden Erkenntnis habe ich die Seiten gewechselt: Ich stell jetzt keine Fragen mehr, ich geb jetzt nur noch doofe Antworten. Wenn's gut läuft, auch beim Pinkeln. Ist lustiger. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin Kleinkünstler.


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