Ende der Welt - Die tägliche Glosse Duft-Dresscodes
Wem hätte nicht schon einmal der olfaktorische Übergriff der Tischnachbarin oder des Tischnachbars im Restaurant den Appetit verdorben, wenn die Lavendel-, Vanille- oder Ambrakeule herüberweht? Können Duftdresscodes im Restaurant Abhilfe schaffen? Eine Glosse von Georg Bayerle.
Vorausschauend auf bald wieder kühlere Monate, werden wir wir uns wieder näher auf die Pelle rücken. In der U-Bahn, aber auch in den Wirtshäusern. Keine schmeichelnde Sommerbrise, die nebst ihrer allgemein angenehmen Wirkung auch den Vorteil hat, dass sie etwaige Begleitdüfte benachbarter Mitmenschen einfach wegweht.
Wem hätte nicht schon einmal der olfaktorische Übergriff der Tischnachbarin oder des Tischnachbars im Restaurant den Appetit verdorben? Wenn die Lavendel-, Vanille- oder Ambrakeule herüberweht und man sich Plexiglaswände wie zu Pandemiezeiten zurückgewünschen würde?
Dass diese Klage nicht aus der Luft gegriffen ist, beweist die jüngste Inititative des Berliner Spitzenkochs The Duc Ngo, der jetzt öffentlich erklärt hat, dass ‚zu starke Parfums in meinen Restaurants unerwünscht‘ sind. Das sorgt zum Start der Herbstsaison für dicke Luft im Verhältnis von Köchen und Gästen, denn nun ist eine Debatte um einen Duftdresscode im Restaurant losgetreten.
Gehört es zur Sorgfaltspflicht gemeinsam mit der Tischreservierung etwaige Duftvorlieben des Kochs abzufragen?
Gehört es zur Sorgfaltspflicht gemeinsam mit der Tischreservierung etwaige Duftvorlieben des Kochs abzufragen? Werden wir Gäste demnächst am Eingang beschnuppert und dann, so wie etwa in Flipflops oder Jogginghosen, des Hauses verwiesen? Müssen wir uns künftig vorher über den Duftcode informieren, wenn Naturhotels beispielsweise den Stil „Wild-Aromatic“ vorschreiben? Und Tatsache ist ja, dass mit dem allgemeinen Trend zum Protz auch Düfte quasi in SUV-Version aufgetragen werden.
In der Schweiz versieht seit diesem Jahr schon ein Bergluft-Sommelier seine Dienste und wittert die Duftnoten in der Luft – frisch, aromatisch, kräuterwürzig. Nicht einmal Bergluft darf mehr ohne Beurteilung um die herrlichen Gipfel wehen. Man kann dem Luftsommelier nur wünschen, dass er nie auf einer Hütte übernachten muss, wo der Generalangriff von Mief und Muff vermutlich zu zeitweiser Arbeitsunfähigkeit führen würde.
Nichts gegen Gwyneth Paltrow freilich, die, an sich Schauspielerin, neben ihrer Vagina-Duftkerze noch einige weitere anrüchige Produkte auf den Markt gebracht hat. So eine Zumutung möchte man weder Köchen noch sich selbst oder anderen Gästen wünschen. Aber wie wird unsere überreizte Gesellschaft, die sich ja gar nichts vorschreiben lassen will, gegenüber einem Duftcode reagieren? Werden Gäste, die sich olfaktorisch diskriminiert fühlen möglicherweise übergriffig?
In Japan gibt es schon erste Restaurants mit Parfum-Verbot. Und gerade im Land der legendären Gastfreundlichkeit fällt eine steigende Zahl beleidigender Gäste auf. Es könnte einem echt stinken, wäre nicht Sommer und es gäbe die frische Luft, die manches Problem nichtig und klein erscheinen lässt.