Ende der Welt - Die tägliche Glosse EM-Blues
Das Sommermärchen 2.0 ist ausgeblieben, stattdessen singt Deutschland leise den EM-Blues. Dabei gibt es so viele Sportarten und Wettbewerbe, die dieses Land wieder aufrichten könnten… . Eine Glosse von Thomas Koppelt.
Ole. Ole. Ole. Ole. Ja, Sie hören es: Die EM-Begeisterung hat bei mir etwas nachgelassen. Weiß auch nicht warum. Ach ja, wir sind ausgeschieden. Aber will man ein schlechter Verlierer sein? Eine beleidigte Leberwurst? An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass wir immer noch amtierende Metzger-Weltmeister sind!
Bei der letzten World Butchers' Challenge in Sacramento gelang es dem deutschen Team – darunter ein Dorfmetzger aus dem fränkischen Möhrendorf und ein Fleischsommelier aus Nürnberg – in 3,5 Stunden ein halbes Rind, ein halbes Schwein, ein ganzes Lamm und 5 Hähnchen fachmännisch auszubeinen, zuzuschneiden und thekenfertigzu präsentieren. Dieser Titel will nächstes Jahr in Paris verteidigt werden. Also, ran an den Speck! Es geht um die Wurst!
Ja, ich weiß, es fällt gerade schwer, sich zu motivieren. Das Auto ist entflaggt, das Toni-Kroos-Trikot schon bei der Altkleidersammlung – aber, liebe Sportbegeisterte und Partypeople, das nächste Groß-Event steht ja zum Glück bereits bevor! Die Welt blickt gespannt auf… Nein, nicht auf Paris, ich rede nicht von den Olympischen Spielen, ich rede von der Kirschkernweitspuck-Weltmeisterschaft Ende Juli in Düren.
Wer spielt heute Abend?
Kirschkernweitspucken, noch eine Randsportart, aber was für eine! Keine komplizierten Abseitsregeln, keine strittigen Handspiel-Entscheidungen, kein Freistoß-Spray und keine Videoschiedsrichter, kein nervtötendes Zeitspiel und keine taktischen Fouls – nur ein Kirschkern und ein Maßband. Der Mensch zurückgeworfen auf Zwerchfell und Lippenspannung im archaischen Kampf gegen Steinobst und Schwerkraft… Ich merke schon, ich kann Sie nicht begeistern. Ich versteh's ja.
Wer spielt heute Abend? Die Niederlande gegen England? Da fällt mir ein, ich wollte eigentlich schon lange mal den Speicher aufräumen. Nein, vergessen wir endlich das unselige Viertelfinale. Es gibt so viele Sportarten und Wettbewerbe, die unsere Begeisterung neu entfachen könnten: Die Hipster-Olympiade in Berlin mit den Disziplinen Hornbrillen-Weitwurf und Jutebeutel-Sackhüpfen. Die Geschlechter verbindenden Weltmeisterschaften im Frauentragen durch einen 253,5 Meter langen Parcours inklusive zwei Wassergräben. Die Extrembügeln-WM mit Mannschaftswettbewerben in Synchronbügeln. Die Weltmeisterschaft im Versteckspiel, abgehalten in einer schwer zu findenden Geisterstadt in Norditalien. Ende September erwarten uns die Handwerker-Weltmeisterschaften mit sage und säge 32 attraktiven Gewerken wie Fahrzeugtechnik oder Stahlbetonbau. Außerdem Weltmeisterschaften in Aerobic, Zehendrücken, Luftgitarre-Spielen und – nicht zu vergessen – die dreitägigen Gedächtnisweltmeisterschaften, ausgerichtet vom internationalen Gedächtnissportverband in… äh… in… gerade wusste ich's doch noch… Egal. Ich geh mal den Speicher ausmisten.