Ende der Welt - Die tägliche Glosse Kalendarische Todeszone
In vielen Bereichen des Lebens überlappen sich die Arbeitsbereiche von Eheleuten mittlerweile: Windeln wechseln, Einkommenssteuer, der Schule, das machen Mama und Papa. Bei handwerklicher Arbeit gibt es bei uns nur einen Verantwortlichen: mich. Und der kriegt keine Blumenkränze, sondern die Krise. Eine Glosse von Martin Zöller.
Bergsteiger bezeichnen die Höhe ab 7000 Metern am Mount Everest als die „Todeszone“, obwohl es auch bis dorthin kein Spaziergang sein dürfte. Ähnlich verhält es sich mit dem Kalender: die Zeit nach den Sommerferien ist immer anstrengend, aber die Zeit ab jetzt bis Weihnachten ist die kalendarische Todeszone.
Denn ob im Büro, in der Schule, ja selbst im Garten ist jetzt nochmal die Hölle los. Gefühlt haben die Kinder jeden zweiten Tag Proben und Schulaufgaben, jeden dritten Tag einen Zahnarzttermin und jeden vierten Tag eine Weihnachtsfeier. Und hätten die Eltern fürs Geldverdienen nicht schon genug zu tun, fällt natürlich dann auch noch die Heizung aus und abends ist Elternsprechtag. Verglichen mit anderen Erdteilen traumhafte Luxusprobleme, aber für unser Leben trotzdem welche.
Um die wenige Zeit in der kalendarischen Todeszone effizient zu nutzen, bedarf es eines gutes Teamworks – und da werden wir aktuell immer konservativer: Kuchen, Basteln, Waschen: Sie. Garten, Wertstoffhof, Hausarbeit: ich. Klare Zuordnungen“ wer macht was“ sparen Zeit aber führen auch zu klarer Verantwortlichkeit. Wir sind ja nicht bei den Beatles, wo alle Songs, egal ob fantastisch oder naja mit Lennon/McCartney nach Hause gingen, sondern wir sind bei einer normalen Familie und da gibt es nur einen Schuldigen, wenn das Bild schief hängt: mich.
„Flexi-Zange“ kennt noch nicht mal Google
Deshalb aktiv gebeichtet: Ja, ich habe beim Aufhängen der Lampe fünfmal länger gebraucht als geplant und ja, ich habe beim Reifenwechsel die Radmuttern so rund gedreht, dass ich noch in die Werkstatt muss. Es gilt sogar: Je mehr ich so tue, als wäre ich in meinem Arbeitsbereich kompetent, desto schlechter werde ich. Tiefpunkt am Samstag, als ich im Beisein der Kinder die Decke zu einem Schweizer Käse bohrte und von meiner Tochter die „Flexi-Zange“ erbat. „Heißt das nicht Kombizange?“, fragte sie. Ja. „Flexi-Zange“ kennt noch nicht mal google.
Seit diesem Kompetenz-Tiefpunkt weiß ich: Ich muss die Arbeit auf meine Weise machen und das fängt schon mit der Sprache an. Maulschlüssel, Kombizange, Schraubendreher, Japansäge, da kann ich auf bairisch nur sagen: „What“? Deshalb fragte ich meine Kinder: „Wie sollen wir die Flexi bzw. Kombi-Zange nennen, damit wir alle wissen was gemeint ist?“ Vorschlag meiner Kinder: „Günther“. Großer Lacher, aber na gut, jeder weiß jetzt was gemeint ist, wenn ich auf der Leiter stehe und rufe „bringt mir einer bitte Günther?“. Und den Schraubenzieher, in den man vorne die - na wie heißen die nochmal – diese verschiedenen Bits reinstecken kann? Idee meiner Kinder: „Norbert“.
Norbert und Günther ich brauche Euch – als gute Kameraden sein, auf den weiteren Baustellen in der kalendarischen Todeszone bis Weihnachten. Zur Beruhigung: der Hammer wird immer Hammer heißen, allerdings weiß ich gerade nicht wo er ist. Geschweige denn, dass ich irgendwem in der Familie jemals zeigen könnte, wo der Hammer hängt.