Bayern 2 - Die Welt am Morgen


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Kater Kolumbus ordnet die Welt

Ja, ja, der Herbst, jedes Jahr das gleiche: Erst sagt jeder: "Oh Gott, es wird Herbst", dann ist jeder froh, dass es ruhiger wird und man das machen kann, was Rilke schon empfohlen hat, zum Beispiel "lesen und lange Briefe schreiben". Und natürlich wollen es auch die Mäuse gemütlich im Herbst, weshalb es auch sie in die Wohnungen und Häuser treibt. Neuerdings trampen sie sogar. Eine Glosse von Martin Zöller.

Author: Martin Zöller

Published at: 15-10-2024

Dass in einer komplexer werdenden Welt frühere Gewissheiten nicht mehr so viel wert sind, daran haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Wie sehr dies aber auch auf für den eigenen Haushalt gilt, lerne ich erst langsam. Meine jüngste Erkenntnis ist, dass auch der alte Satz, „mit Speck fängt man Mäuse“, nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Nach den Erfahrungen aus der Verwandtschaft müsste man sogar sagen. Nur ohne Speck fängt man Mäuse.

Schuld daran, dass sich meine Verwandtschaft mit dieser Frage beschäftigen musst, ist Kater Kolumbus. Der hat das  Hobby entdeckt. Mäuse zu fangen, frisst sie aber nicht, sondern setzt sie nur ab in ein neues Leben. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um hier die Augenbrauen sehr weit zu heben: Eine Katze transportiert eine Maus? Was ist da schiefgelaufen?

Konkret geht es um die Wohnung einer nahen Verwandten: Kater Kolumbus fängt im Park eine Maus und trägt sie ins Haus. Früher, so sagt meine Verwandtschaft, habe er sie sehr wohl auch gefressen und die Leiche als Geschenk gebracht. Und hier liegt offenbar das Problem: anstatt der Katze dafür zu danken, wurde geschimpft. Und irgendwann dachte sich Kolumbus: Dir werde ich’s zeigen. Wenn du meine Geschenke nicht tot willst, dann kriegst du sie eben lebendig.

Den Mäusen kann nichts Besseres passieren, schließlich zieht es sie ja grundsätzlich im Herbst in die Wohnungen. Und mit Kolumbus haben sie ein riskanten, aber schließlich doch geglückten Versuch unternommen, zu trampen. 

So kompliziert die Welt wird, so einfach ist dann eben doch Kolumbus

Und jetzt? Der Kater weigert sich, die Mäuse wieder rauszutragen. „Kolumbus macht Homeoffice“, sagt meine Verwandte lapidar: „Früher musste er raus, um mit Mäusen zu spielen, jetzt spielt er daheim mit ihnen.“ Nun wird fieberhaft daran gearbeitet, die Mäuse wieder loszuwerden, doch wie? Schnell war klar: in der Familie ist nur eine Lebendfalle durchsetzbar. Der erste Gedanke: Speck. Völliges Desinteresse, obwohl sogar bio! Nächster Versuch: Käse, ganz Klischee. Ebenfalls erfolglos, der Einzige, der sich durchsetzte, war der Käse-Geruch, nicht der Hausherr. 

Nun wurde ich selbst Zeuge weiterer Versuche, Bio – Haselnuss Creme. Es war ein besonderes Bild, wie mein Schwager mit gefletschten Zähnen und Ingrimm den Auslöser der Falls in mit dieser Creme einschmierte, als würde ein mittelalterlicher Kreuzritter sein Schwert schleifen. Zwischenstand vom Sonntagnachmittag: eine Maus wurde gefangen, mit Erdnussbutter. Doch noch sind mutmaßlich weitere Täter auf freiem Fuß.

So kompliziert die Welt wird, so einfach ist dann eben doch Kolumbus. Er ist ein Kater also fängt er Mäuse. In der Nachbarschaft wird gerade eine Katze gesucht, die dieses Programm sogar im Namen trägt, sie heißt Mausi. Mein Gefühl: Mausi kehrt bestimmt wieder. Sie macht halt als Mausi ihrem Namen alle Ehre. Sie wird zurückkehren und viele glückliche Mäuse mitbringen. Frische Tramper auf dem Weg zum Winterlager in der Sockenschublade.


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