Ende der Welt - Die tägliche Glosse Keine Angst vor der Angst
Die Angst lauert überall – nicht nur für Barophobiker, die Furcht vor der Schwerkraft verspüren. Auch vor Hühnern (Alektorophobie), Meteoriten (Meteorophobie) oder der rechten Körperhälfte (Destrophobie) kann man sich fürchten. Das Schöne ist: mit seiner Angst ist man niemals allein. Eine Glosse von Thomas Koppelt.
Keine Angst, es geht ganz schnell und tut nicht weh. Hierzulande sollte man das immer dazusagen, denn die diffuse Angst vor dem Leben im Allgemeinen und der Weltlage im Speziellen gehört zur soziokulturellen Grundausstattung der Deutschen. Im Ausland gibt es dafür den Ausdruck: "German Angst". Und das ist ja das Tröstliche an der Angst: Sie verbindet. Angst haben wir schließlich alle, der Unterschied liegt in der Frage wovor.
Deshalb erwarten wir heute mit Spannung den alljährlich veröffentlichten Angst-Report einer namhaften deutschen Versicherungsgesellschaft. Welche Geißel der Menschheit wird in diesem Jahr das Rennen machen? Krieg? Terror? Klimawandel? Künstliche Intelligenz? Stefan Raabs Rückkehr ins Showgeschäft? Im vergangenen Jahr waren die Top 3-Angstmacher: Steuererhöhungen, unbezahlbare Mieten und steigende Lebenshaltungskosten. Der Klimawandel abgeschlagen auf Platz 10. Da ist angsttechnisch noch Luft nach oben.
Nicht abgefragt werden übrigens individuelle Alltagsängste. Dabei sind sie es, die uns wirklich das Leben schwer machen, die Arachnophobie zum Beispiel: Rund 28 Prozent der Deutschen sollen Angst vor Spinnen haben. Weniger geläufig ist die ähnlich klingende Arachibutyrophobie, die Angst vor Erdnussbutter, die am Gaumen haftet. Ich bin ja bekennender Hippopotomonstrosesquipedaliophobiker. Ich habe Angst vor langen Wörtern wie "Hexakosioihexekontahexaphobie". Unter der wiederum leiden in der Regel nur bibelfeste Christen mit Angst vor der teuflischen Zahl 666.
Erstaunlich ist, dass man auch vor eigentlich angenehmen Dingen Angst haben kann
Eine humanistische Grundbildung hilft bei der Angstbestimmung ungemein, aber nicht immer. Fast die Hälfte aller Deutschen soll von einer mittelschweren Nomophobie betroffen sein. Dahinter verbirgt sich nicht die Angst, mit dem Gesetz (Griechisch: nomos) in Konflikt zu geraten, sondern davor, sein Mobiltelefon nicht zur Hand zu haben. Nomophobie steht für "No-Mobile-Phone-Phobia".
Erstaunlich ist, dass man auch vor eigentlich angenehmen Dingen Angst haben kann: Anthophobie, die Angst vor Blumen. Cherophobie, die Angst davor, glücklich zu sein. Oder Euphophobie, die Angst vor guten Nachrichten – ein Fluch für Lottogewinner. Bei genauerer Betrachtung stellt man fest: Es gibt nichts, vor dem nicht irgendjemand Angst hat. Trypophobiker haben Angst vor Löchern und können einen Schwamm nicht einmal anschauen. Aulophobiker machen einen weiten Bogen um Flöten, Lachanophobiker um Gemüse, Anatidaephobiker um Gewässer, denn sie haben Angst davor, von einer Ente beobachtet zu werden. Ich hoffe, Sie leiden nicht unter Finemmundiphobie, auch wenn ich es verstehen würde: Es ist die Angst vor dem Ende der Welt.