Bayern 2 - Die Welt am Morgen


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Krähen zählen ihre Rufe

Vögel, genauer gesagt Krähen, können zählen. Das haben wissenschaftliche Tests gezeigt. Was heißt das für uns Menschen? Dass wir, hinfällige Spezies, die wir sind, hoffentlich in Zukunft öfter auf Krähen zählen können. Eine Glosse von Ralf Thume.

Von: Ralf Thume

Stand: 28.05.2024

Das mit dem Zählen hat’s in sich. Das kennt man ja von den Lehrern. Also nicht, dass die nicht zählen könnten. Aber dass man sich schwertut damit vorauszuberechnen, wie viele von ihnen man braucht Jahr für Jahr an den Schulen hierzulande. Mal braucht man sie und hat sie nicht, dann hat man sie und braucht sie nicht. Dazwischen scheint’s nichts zu geben.

Aber damit nicht genug. Die Vorausberechenschwäche breitet sich aus. Nicht gerade pandemisch, aber doch besorgniserregend. So hat der Gesundheitsminister gerade eingestehen müssen, dass man sich vertan hat bei der Zahl der neuen Pflegefälle fürs vergangene Jahr. Sie ist wohl um die sieben Mal höher als erwartet. Wie kann das sein? Man weiß es nicht. Man staunt. Wir staunen mit.

Zugegeben, da geht’s ja um zehntausende, hunderttausende. Vielleicht sollte man bescheidener werden, ganz unten anfangen, so im Zahlenraum bis zehn. Dort könnte der zerknirschte Statistiker übers Abschätzen viel lernen von anderen Zweibeinern, von Zweiflüglern, die nie eine Universität besucht haben, es sei denn, sie hätten sich mal hineinverflogen: von Krähen.     

Immer mehr Vögel zieht es in die Städte

Am Institut für Neurobiologie der Universität Tübingen hat man einigen von ihnen nämlich das Zählen beigebracht. Beigebracht, wie oft sie krächzen sollen. Das ging so: Der Mensch präsentiert dem Vogel verschiedene Bilder oder Töne, auf die hin der Vogel eine unterschiedliche Anzahl von Krächzern ausstoßen soll. Und am Schluss soll der Vogel noch einen Knopf drücken mit seinem Schnabel. Damit der Mensch weiß, dass der Vogel fertig ist. Das klingt kompliziert. Aber nur für den Menschen. Die Krähen haben’s kapiert.  

Wie gut, dass beim jüngsten großen Vogelzählen, der Stunde der Gartenvögel, rausgekommen ist, dass es immer mehr Vögel in die Städte zieht. Man kann nur hoffen, dass möglichst viele Krähen dabei sind. Und sich vielleicht eines Tages herablassen mögen für uns zu einfachen Pflegediensten: kurze Hausbesuche mit Medikamententransport, zuverlässiges Pillenabzählen inklusive.

Einen anderen Vogel würde man sich allerdings wohl lieber vom Leibe halten: den Kuckuck. Von dem heißt’s ja, so oft der ruft, so viele Jahre hat man noch. Oder halt so wenige. Aber das ist bestimmt nur Aberglaube. Ungefähr so verlässlich wie die alljährliche Prognose der Zahl der Pflegebedürftigen. 


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