Ende der Welt - Die tägliche Glosse Messner und der Yeti
Zu den seltsam-unerklärlichen Wesen, die diese unsere Erde bevölkern, gehört bekanntlich der Yeti. Man muss ihn sich als glücklichen Südtiroler vorstellen: er sitzt in seinem Zauberschloss in den Dolomiten am Kaminfeuer und reibt sich vergnügt die Hände. Eine Glosse von Georg Bayerle.
Zu den seltsam-unerklärlichen Wesen, die diese unsere Erde bevölkern, gehört bekanntlich der Yeti. Laut Lexikon ist er ‚ein zweibeiniges behaartes Fabelwesen im Himalaya‘, über das selbst Kryptozoologen keine befriedigende Auskunft geben können. Es gibt allerdings auch die nette Geschichte von nepalesischen Buben, die rätselhaften einzehigen Fußabdrücken im Schnee nachgelaufen sind und bei Reinhold Messner ankamen, der, nachdem er sich schon früh sieben Zehen erfroren hatte, gerade barfuß unterwegs war. Andere glauben, dass der Yeti eine Erfindung des größten Bergsteigers aller Zeiten sei.
Schließlich handelt das 43. von rund 90 Büchern, die dem Autor Reinhold Messner zugeschrieben werden vom Yeti. Und für den Verkaufserfolg kann es bekanntlich nicht schaden, wenn die Hauptfigur ein Stück weit vom Geheimnis umweht wird. Es könnte aber auch umgekehrt sein, denn auch Reinhold Messner ist eine geheimnisvolle Figur. Im 34. Buch mit dem für diese Radiorubrik passenden Titel „Bis ans Ende der Welt“ beschäftigt sich Messner mit den Grenzen des Möglichen.
Zwar geht es vordergründig um Gipfel und darum, das Ende seiner Kraft, Angst und Leidensfähigkeit zu erfahren. Tatsächlich aber spielt wohl auch eine Begegnung mit dem Yeti am Rande des Möglichen. Wie Messner in besagtem 43. Seiner unzählbaren Bücher kundtut, habe er ein erstes Exemplar des Yeti auf einer Himalaya-Expedition im Jahr 1986 gesichtet. Diese Notiz ist ein starkes Indiz dafür, dass der Yeti damals auch Reinhold Messner entdeckt hat.
Seither ist der Bücherberg in eisigere Höhen gewachsen als es sie auf Erden gibt
Man kann sich die Begegnung so vorstellen, dass die beiden Gestalten im Nebel- und Schneewind nur einigermaßen verschwommen erkennbar waren. Und so ist es gut möglich, dass sie damals bewusst oder unbewusst ihre Rollen getauscht haben. Seither schreibt der Yeti ohne Unterlass an der Legende Reinhold Messner und scheut keine Mühe dabei.
Länder, Wüsten und Gebirge überspannen die vom Yeti erfundene Bergsteigergestalt und ihre Geschichten, von denen niemand sagen kann, wo die Grenzen des Möglichen enden. Der Yeti hat seit diesem denkwürdigen Tag ganze Arbeit geleistet: seither ist der Bücherberg in eisigere Höhen gewachsen als es sie auf Erden gibt. Titel wie „Die weiße Einsamkeit“, „Am Limit“ und „Grenzenlos zum Erfolg“ sprechen eine beredte Sprache. Ja, der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen!
Man muss sich den Yeti als glücklichen Südtiroler vorstellen: er sitzt in seinem Zauberschloss in den Dolomiten am Kaminfeuer und reibt sich vergnügt die Hände, wenn ihm auf geheimen Wegen die neuesten Verkaufszahlen der von ihm erfundenen Figur vorgelegt werden.