Bayern 2 - Die Welt am Morgen


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Nominierung der Backtüte

Was haben ein Kunstmuseum in Frankfurt, eine Bäckertüte im Schwarzwald und eine Dachdeckerin auf Tiktok gemeinsam? Sie alle durften diese Woche einen Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft bekanntgeben, der für die EM nominiert ist. Und noch viele andere Leute, Dinge und "Medien". Seltsam? Ja. Lenkt von der Leistung der Kicker ab? Auch ja. Findet unser Autor Uli Höhmann.

Von: Uli Höhmann

Stand: 16.05.2024

Heute gibt der Bundestrainer seinen Kader für die Fußball-EM in einem Monat bekannt! - Ja, es hat Zeiten gegeben, da hat diese Nachricht erheblich mehr Menschen in Deutschland die Kaffeetasse aus der Hand rutschen lassen. Und das weiß auch der DFB, weshalb er sich dieses Jahr offenbar gesagt hat: Performance mau - PR wow! Bundestrainer Julian Nagelsmann gibt nicht einfach eine Pressekonferenz, auf der er dann verliest, wer seine 26 Auserwählten sind. Nein, der DFB hat eine ganze Nominierungswoche daraus gemacht und dafür Ostereiersuche und Salamitaktik zu einem einzigartigen medialen Schrottwichteln gekreuzt. Seit Montag lässt der DFB mal hier, mal da einen Namen fallen, wo und wann, weiß niemand. Klassische Medien sind auch dabei wie die Tagesschau, RTL oder 1live. Das kennen wir: Vordergründig nachrichtlich-seriös können sie trotzdem kaum verbergen, dass sie vor lauter "Ich weiß was, ich weiß was" sich fast einnässen.

Origineller ist es da schon, wenn Influencer Namen bekanntgeben. Warum es ausgerechnet eine Dachdeckerin auf Tiktok und ein Altenpfleger auf Youtube sein müssen, die uns zwei Nationalspieler verraten - da kann ich jetzt auch nur spekulieren: Will der DFB uns damit sagen, Fußball ist ein Altherrensport für Erwins, die nicht mehr alle Pfannen am First haben? Ich weiß es nicht.

Die weiteren Verkündigungsengel des DFB: eine Show, eine Soap, ein Podcast, ein Museum, zwei abgehalfterte Stars - Günther Jauch und Peter Schilling - eine Dönerbude und eine Bäckertüte. Alles ist Medium und das Medium ist die Message. Weg mit den alten Leitmedien, dahin gehen, wo die Leute sind. Da hat der DFB aber wirklich mal krasse Berater gehabt und ich versuch mir vorzustellen, wie das wäre, wenn sich die Politik das abguckt: Aiwanger lässt Apfelsafttüten mit seinem Konterfei bedrucken, Katharina Schulzes Schattenriss im Milchschaum jeder Latte und Söder in jedem siebten Ei.

Nein, wirklich, der DFB macht das sehr schlau

Oder die jedes Jahr mit Spannung erwarteten Oscarnominierungen gibt's als Burgerstempel bei McDonalds, stecken als Zettelchen im Glückskeks, oder verkündet Manuel Neuer in der zweiten Halbzeit, lässig am linken Pfosten lehnend, weil er gerade nichts besseres zu tun hat: Nach Oppenheimer Christopher Nolans Bio-Pic über den Erfinder der Arschbombe.

Nein, wirklich, der DFB macht das sehr schlau: Wenn schon keine gute Performance auf dem Platz, dann wenigstens in den Medien. Das Turnier wird eh auf Tiktok gewonnen und es kann tatsächlich gut sein, dass die Bäckertüte aus Nagold mit dem VfB-Stürmer Chris Führich in ein paar Jahren mehr wert ist als der Pokal.

Eines allerdings vermisse ich bei der ganzen Nominierungskampagne: Urinalwerbung. Da stehst du vor dem Porzellan, machst quasi einen rein, die Blase leert sich wie dein Blick und du schaust dabei geradewegs in die stahlblauen Augen eines Nationalspielers, gerahmt über dem Pissoir: Füllkrug - läuft! Und wenn sie nach der Vorrunde ausscheiden, hängt an der selben Stelle gleich wieder wie vorher die Werbung für Prostagutt: Damit Sie sicher eine Halbzeit durchschlafen.


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