Bayern 2 - Die Welt am Morgen


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Rhabarber-Obsession

Das Rhabarber hierzulande sogar als Schorle konsumiert wird, erklären sie jenseits des Großen Teichs zur abstrusen Marotte. Immerhin gibt die „New York Times“ offen zu, dass sie keine Angst mehr vor uns haben müssten, auch nicht vor unserer ansonsten gern als „aggressiv“ wahrgenommenen Aussprache. Naja, es lässt sich ja leider nicht abstreiten, dass die Römer unseren Rhabarber wörtlich als Wurzelgemüse von Barbaren verstanden haben. Eine Glosse von Peter Jungblut.

Von: Peter Jungblut

Stand: 10.06.2024

Dass die Chinesen Deutschland für ein einziges Museumdorf halten, daran haben wir uns ja längst gewöhnt. Vermutlich heuern sie große Teile der deutschen Arbeitnehmerschaft demnächst als lebende Wetterfiguren für Riesen-Kuckucksuhren an, lassen uns in Folklore-Shows Sauerkraut essen oder in Möbelhäusern skurrile Bauvorschriften singen. Aber dass uns jetzt auch die Amerikaner für einen einzigen Malerwinkel halten, das ist ein schwerer Schlag.

Klar, viele Touristen von dort drüben interessieren sich nur für den „Mad King“ – den „verrückten“ Märchenkönig - und das „Hofbrauhaus“, aber von der liberalen „New York Times“ hätte man doch mehr Landeskunde erwarten können, als jetzt offenbar wurde. Die Deutschen, war da zu lesen, freuten sich doch tatsächlich im Frühling auf Erdbeeren, Spargel und Rhabarber, weil sie diese Lebensmittel als saisonale Angebote verstünden. Für Amerikaner sei das ausgesprochen erklärungsbedürftig, weil in dortigen Supermärkten alle Früchte und Gemüse natürlich das ganze Jahr über vorrätig seien.

Und dass Rhabarber hierzulande sogar als Schorle konsumiert wird, erklären sie jenseits des Großen Teichs zur abstrusen Marotte

Ziemlich „crazy“, diese Deutschen, heißt es in dem Blatt, denn die Ärmsten freuten sich sogar noch darüber, dass manche Dinge nur zeitlich begrenzt verkauft würden: „Die halten das nicht mal für unbequem!“ Und dass Rhabarber hierzulande sogar als Schorle konsumiert wird, erklären sie jenseits des Großen Teichs zur abstrusen Marotte.

Immerhin gibt die „New York Times“ offen zu, dass sie keine Angst mehr vor uns haben müssten, auch nicht vor unserer ansonsten gern als „aggressiv“ wahrgenommenen Aussprache. Naja, es lässt sich ja leider nicht abstreiten, dass die Römer unseren Rhabarber wörtlich als Wurzelgemüse von Barbaren verstanden haben. Vermutlich schockierten Frau Nero oder Tante Augustus damit ihre Kernfamilien nach dem Bummel durch die Bioläden, und als dann beim Verzehr auch noch die Mundschleimhaut betäubt wurde, wie es die Oxalsäure nun mal mit sich bringt, dürfte die germanische Spezialität apothekenpflichtig geworden sein. Wer weiß, womöglich versuchten sie sogar, damit Caligulas Pferd zu vergiften.

Offenbar haben die Amerikaner Wind davon bekommen, sonst würden sie nicht so befremdet über unsere Ernährungsgewohnheiten berichten. Klar, der alberne Rhabarber-Song, der gerade bei TikTok abräumt, kommt unseren NATO-Verbündeten ebenfalls irgendwie unheimlich vor.

Vom deutschen Humor bekommen sie in den USA ja auch eine pelzige Zunge, und unsere Filme und Fernsehprogramme halten sie gewöhnlich für stark ätzend, wobei es durchaus passieren kann, dass sie Rhabarber und Hitler saisonal nicht ganz auseinanderhalten können, aber Landwirtschaft und Chronologie sind halt nicht die Stärken von Hollywood. Dort haben viele ihre Vergangenheit noch vor sich, was deutsche Gemüsehändler nur vom Rhabarber und Spargel kennen. Stimmt, der Vergleich ist ausgesprochen holzig. Naja, man kann die Stangen ja feucht einwickeln, am besten in der „New York Times“.


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