Nehme ich heute das weiße oder doch lieber das pinkfarbene? Eine schwierige Entscheidung in diesen Tagen, wenn man morgens vor dem Kleiderschrank steht. Nein, es geht nicht um die Grundsatzfrage: Soll ich heute etwas Farbe wagen oder bin ich im normalen Büro-Einheitsdress? Bei der Frage Pink oder Weiß geht es um mehr: Ziehe ich heute das Heim- oder das Auswärtstrikot der deutschen Fußballnationalmannschaft an?

Ob sie in weiß oder pinkfarben auftritt: Die DFB-Elf entzündet nach den langen Wegen aus der Krise und aus der Depression wieder mal ein Feuerwerk guter Gefühle. Sie ist, man möchte fast sagen endlich, mal wieder, bis ins Viertelfinale der Europameisterschaft vorgedrungen. Die Fanzonen sind überfüllt, man denkt daran, noch weitere zu eröffnen. Und kurz vor dem Spiel am Freitag gegen Spanien stellt sich für viele diese Trikotfrage. Und zwar nicht nur für IT-Fachleute im Innendienst oder Versicherungsvertreterinnen oder Bankangestellte, so nach dem Motto: Heute bedient sie die mit der Rückennummer 10 Jamal Musiala. Ach ne, ist ja doch unsere freundliche Frau Huber. Na egal.

Auch im Landtag von NRW stellt sich ernsthaft diese Frage: Weiß oder Pink oder doch gedeckt mit Sakko? Es gilt in einem Parlament immer die Würde des Hohen Hauses zu achten. Und es sind Handlungen zu unterlassen, die Tätigkeit des Hauses zu stören. Der Landtag in Düsseldorf wird am kommenden Freitag die letzte Sitzung vor der Sommerpause abhalten. Und um 18 Uhr beginnt bereits das Spiel. Die Vorfreude steigt. Also stand die Frage im Raum: Stören weiße oder pinkfarbene Trikots? Wird die Würde des Hauses in Frage gestellt, wenn die Namen Füllkrug oder Sané in den Reihen der Abgeordneten auftauchen? Machen diese Trikots aus dem Parlament eine Fanzone mit unangemessenen Bekundungen?

Heute haben Sneakers längst Einzug ins Parlament gehalten

Schwierig ist das Ganze. Denn die Würde ist schnell beschädigt, weil sie so schwer zu greifen ist. Denken wir nur beinahe 40 Jahre zurück, als im Landtag in Wiesbaden der erste grüne Minister vereidigt wurde. Joschka Fischer trug zwar kein Fußballtrikot, dafür aber weiße Sneakers vulgo Turnschuhe. Und das war neben der Tatsache, dass die Grünen erstmals in Hessen mitregierten das zweite aufsehenerregende Ereignis in dieser Zeit. Die Schuhe haben es bis ins Deutsche Ledermuseum in Offenbach geschafft.

Heute haben Sneakers längst Einzug ins Parlament gehalten. Und warum. Weil sie sich so schön als Abgrenzungssymbol der jüngeren gegenüber den älteren anbieten mit ihren schwarzen Halbschuhen mit Budapestermuster. Dafür ist aber immer noch nicht geklärt, ob die Abgeordneten in Düsseldorf weiß oder pink tragen dürfen. Sie dürfen ins Parlament mit Trikot auflaufen, hat der Landtagspräsident entschieden. Wenn sie aber ans Rednerpult wollen, müssen sie ein Sakko drüberziehen. Na also, geht doch. Übrigens, der Bayerische Landtag hat das Thema mit einem Kurzpass umschifft: Am Freitag findet keine Sitzung statt.