Ende der Welt - Die tägliche Glosse Unternehmen Silberlocke
Nach dem man sich die Haare gerauft hat, wäre es durchaus möglich ein Selbiges in der Suppe zu finden. Eine Glosse von Peter Jungblut.
Uns Journalisten wird ja häufig vorgeworfen, dass wir auf einer Glatze Locken drehen, aber jetzt erzwingt es die Nachrichtenlage geradezu. So, wie es aussieht, wird nämlich noch viel Frisierwasser den Bundestagswahlkampf hinabfließen, bis ein Sieger feststeht, und das liegt keineswegs daran, dass Gerhard Schröder wieder fleißig tönt, wenn auch nicht die Haare.
Kein Geringerer als Gregor Gysi hat die „Mission Silberlocke“ ausgerufen und will der Linken mit einer pigmentarmen Tolle rückwärts den Wiedereinzug in den Bundestag sichern. Gut, reden ist bekanntlich Silber und davon versteht der gelernte Anwalt Gysi zweifellos was, aber an Dauerwellen dürften die Wähler bei dem 76-jährigen bisher am wenigsten gedacht haben, auch wenn von der Parteigeschichte so ein stechender Geruch ausgeht und die Lockenwickler von Margot Honecker bis heute nicht vollzählig aufgefunden wurden.
Sonderlich wallend sind die Wahlaussichten der Linken ja nicht, seit Sahra Wagenknecht ihre Rosa-Luxemburg-Frisur in die eigene Partei mitnahm. Gysis Partei durfte sich nicht mal die Spitzen abschneiden und der Bundestagsfraktion blieben nur Spliss und Brennschere.
Warum sollen Leihhaare weniger zählen als Leihstimmen
Ehrlich gesagt hofft Gysi auch weniger auf Locken als auf Strähnchen: Er hat fest vor, die Wahlkreiskarte einzufärben. Drei Direktmandate würden bekanntlich reichen, um die Fünf-Prozent-Hürde außer Kraft zu setzen, aber für Wahlkreise gilt dasselbe wie für Haare: Rot ist eine ganz heikle Farbe. Braune Wähler müssten vorher blondiert werden, fragen Sie ihren Friseur, und graue Wähler wirken nach der Behandlung oft erstaunlich blass.
Kann sein, dass es am Wahltag auf Haarspalterei ankommt, aber davon verstehen Gysis silberfarbene Parteikollegen Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow ja einiges. Wenn es knapp wird, kann die Linke der Bundeswahlleiterin immer noch notariell beglaubigte Bartstoppeln vorlegen und wenn die Locken partout nicht reichen, finden sich in Weimar mit Sicherheit welche von Goethe und Schiller. Warum sollen Leihhaare weniger zählen als Leihstimmen, noch dazu, wenn sie nach Maiglöckchen riechen?
Dass Deutschlands Wachstumsschwäche mehr mit den Follikeln als mit der Konjunktur zu tun hat, war vor Gysis Silberlocken-Offensive zwar nicht bekannt, ein flüchtiger Blick auf Olaf Scholz und Friedrich Merz zeigt jedoch, dass zumindest ihr Scheitelpunkt in weiter Ferne liegt und damit ist nicht die Zukunft gemeint. Es fehlt beiden offensichtlich am Kreatin, und welche Themen in den nächsten Wochen noch um die Geheimratsecken kommen, ist sowieso unvorhersehbar.
Klar, Boris Pistorius könnte unsere ganzen Probleme an der Haarwurzel packen, der SPD fällt es ja gerade wie Schuppen von den Augen. Sie weiß nur noch nicht, ob das vom Trockenshampoo aus den Regierungserklärungen oder von der Gänsehaut beim Blick auf die Umfragen kommt.
Seinen Internet-Auftritten nach zu urteilen hat zumindest Robert Habeck eine gesunde Kopfhaut, was bei weiblichen Wählern verfangen könnte. Die Grünen sollten ihr Selbstbewusstsein allerdings erst mal nicht offen tragen: Markus Söder versteht sich nämlich auf Extensions!