Bayern 2 - Die Welt am Morgen


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Verdi et Orbi

Die Kirche ist nicht berühmt dafür, ein guter Arbeitgeber zu sein. Immer wieder gibt es Schlagzeilen über schlechte Arbeitsbedingungen und miese Löhne. Jetzt auch im Vatikan. Das Problem: Dort gibt es keine Gewerkschaften. Höchste Zeit, dass sich das ändert, findet unser Autor Uli Höhmann.

Von: Uli Höhmann

Stand: 22.05.2024

Es ist was faul im Staate – nein, nicht Dänemark, sondern im Vatikan. Und zwar dermaßen faul, dass 49 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt mit einer Sammelklage drohen gegen miese Arbeitsbedingungen und zu wenig Geld. Sie sind allesamt Angestellte der Vatikanischen Museen und wenn man sie hört, sollte eigentlich auch ein alter, schwerhöriger Mann mit Goldkettchen kapieren, dass wenn man nichts tut, nicht einfach irgendwann weißer Rauch aufsteigt, sondern einem vorher der ganze Ofen um die Ohren fliegt: Täglich schlurfen ein paar tausend Besucher mehr durch die Museen des Vatikan als eigentlich erlaubt. Das packt die Lüftung nicht und es gibt nur zwei Notausgänge. Die Löhne der Angestellten sind seit der Pandemie eingefroren und was sie damals nicht gearbeitet haben, weil der ganze Bums zu hatte, wird ihnen jetzt als Fehlstunden angerechnet. „Hallo, geht’s noch?!“ möchte man da rufen. Und: Wehrt euch! Legt die Arbeit nieder! Streikt!

Das Problem dabei: Es gibt keine Gewerkschaften im Vatikan. Allerhöchste Zeit also, eine zu gründen. Als Vorsitzenden braucht die natürlich jemanden mit Biss, einen harten Hund vom Schlag eines Großinquisitors, der sich mit Daumenschrauben auskennt. Aus Dresden reist er an, der Schrecken aller Arbeitgeber, der erfolgreiche Verhandlungsführer Santa Claus Weselsky. Am selben Tag noch gründet er die Gewerkschaft „Verdi et Orbi“, ruft zur Urabstimmung auf und bläut allen ein, dass es nur gemeinsam geht, wenn wirklich alle mitziehen. Das Ergebnis ist überragend und sofort wird gestreikt: „Masse statt Messe! Kohle statt Choräle!“ so schallt es vor den geschlossenen Toren. Die Angestellten haben sich rot-weiße Müllsäcke übergezogen und sehen aus wie Kardinäle in Aspik. Selbst die Schweizer Garde steckt Fähnchen von Verdi et Orbi an ihre Lanzen. Die Stimmung ist ausgelassen, fröhlich und hoffnungsvoll.

Die Trillerpfeifen sind lauter als die Glocken des Petersdoms

Doch das neuste Angebot der Arbeitgeberseite macht dies alles zunichte: vergünstigte Hostien und gratis Weihwasser ab dem dritten Jahr. Das sei der blanke Hohn, schimpft Weselsky und fordert: 35 Stunden Woche, Vergebung aller Überstunden und ewige Rente. Damit hat er endgültig alle auf seiner Seite. Selbst die Statuen der Apostel drehen sich jetzt aus Protest um, die Heiligen lassen sich nicht mehr foltern und die dicken, kleinen Putti zeigen bloß noch ihre nackten Hintern. Die Trillerpfeifen sind lauter als die Glocken des Petersdoms und die Sprechchöre sind weit über Rom hinaus zu hören: „Lohn einnahm statt Fronleichnam! Lohn einnahm statt Fronleichnam!“

Tage-, wochenlang dauert der Streik. Die Schlange der Touristen vor den Vatikanischen Museen reicht mittlerweile bis Mailand. Aber keiner gibt seinen guten Warteplatz am Autobahnkreuz Bologna auf, denn sie könnten sich ja bald einigen und dann geht’s voran. Der internationale Druck jedenfalls steigt mit jedem Tag.

Und dann, endlich, als kaum noch jemand daran glaubt, steigt weißer Rauch über dem Lohnklave auf, Claus Weselsky tritt auf den Balkon und ruft: „Habemus Pecuniam!“ Und die Menge auf dem Platz dankt es ihm jubelnd mit einem frenetischen „Sancto subito!“


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