Ende der Welt - Die tägliche Glosse Wenn Sportler fluchen
Wenn gemeine Autofahrende fluchen oder andere Verkehrsteilnehmer beschimpfen, ist das nicht tragisch - sofern die Scheiben hochgekurbelt sind. Bei Formel-1-Piloten kriegen das aber alle mit, die an den Bildschirmen die Grand Prix live verfolgen oder den Pressegesprächen lauschen. In letzter Zeit missfiel es den Rennsport-Offiziellen, dass sich manche Fahrer im Ton vergriffen haben. Dabei ist Fluchen erwiesenermaßen ein Mittel zur Leistungssteigerung… . Eine Glosse von Heinz Gorr.
Die gängige Redewendung für eine - nun ja, nicht gerade dezente - Art, sich auszudrücken, "fluchen wie ein Bierkutscher", könnte schon bald eine neue Variante bekommen. Und zwar aus einem völlig anderen Speedbereich maskuliner Fortbewegung, nämlich der Formel 1. Jedenfalls macht der Motorsport-Weltverband FIA, allen voran dessen Präsident Mohammad Ben Sulayem, Druck auf die Fahrer, in der live übertragenen Kommunikation aus dem Cockpit doch Kraftausdrücke zu vermeiden. Gemünzt war das zuletzt auf den dreifachen Weltmeister Max Verstappen, der ein Four-letter word aus dem Englischen um eine Silbe ergänzt hatte, um den Zustand seines Fahrzeugs zu beschreiben. Die Elite des Motorsports solle sich laut Ben Sulayem nicht dem sprachlichen Niveau von Rappern annähern.
Eine Rennkommission hat das niederländisch-belgische Ass wegen öffentlichen Fluchens zu "gemeinnütziger Arbeit" verurteilt - was immer das auch sein mag. Wir wissen nicht, ob Verstappen, der beim Team von Oracle Red Bull unter Vertrag steht, den Energy Drink täglich zu sich nehmen muss, der laut Eigenwerbung "Flügel verleiht" und "in stark fordernden Berufen sowie bei langen Autofahrten geschätzt wird". Es könnte natürlich sein, dass - dermaßen aufgeputscht, noch dazu unter den Stressbedingungen einer Raserei mit 300 Sachen - einem schon mal total emotionale Äußerungen rausrutschen.
Britische Forschende haben das in einer Studie nachgewiesen
Davor ist niemand gefeit, selbst abgeklärten Politprofis wie beispielsweise Dieter Reiter passiert sowas, der im ersten Amtsjahr als Münchner OB beim Wiesnanstich vor aller Augen und Ohren sich nicht nur mit dem Schlegel, sondern auch verbal leicht verhauen hat. Nun sei dahingestellt, ob man Anzapfen oder Autorennen als Sport betrachtet; wenn ja, gibt es selbst dafür wissenschaftliche Belege: also dass Fluchen leistungssteigernd wirkt.
Britische Forschende haben das in einer Studie nachgewiesen in Testreihen mit jungen Männern und Frauen. Vor einer anstrengenden körperlichen Leistung hielt man die Probandinnen an, zehnmal entweder ein neutrales Wort oder Schimpfwort zu wiederholen: die Versuche mit den Flüchen waren durch die Bank besser!
Ob in der Hitze des Rennens oder auf der anschließenden Pressekonferenz: Max Verstappen will sich nicht maßregeln lassen, er habe keine Lust, sich dem Vokabular-Verdikt zu beugen, hieß es gestern. Sollte der Weltverband weiterhin auf korrekte Wortwahl der Piloten pochen, könne er auch aufhören. Wie ernst das zu nehmen ist? Wir erinnern uns an den coolen Weltmeister Niki Lauda, der der Formel 1 den Rücken kehrte, weil es für ihn Wichtigeres gab, "als mit einem Auto im Kreis zu fahren". Sacklzement - was für ein Statement! Und doch kam er nach drei Jahren zurück auf die Piste…