Bierbrücken Fränkisch-böhmische Bierbeziehungen
Zwischen Nürnberg und Prag wanderten zu Zeiten Karls IV. auf der Goldenen Straße Gewürze, Waffen und Vieh hin und her – aber kein Bier. Es verdarb einfach zu schnell. Eine fränkisch-böhmische Bierbeziehung konnte deshalb erst später entstehen.
In vielen Jahrhunderten entwickelten sich in Franken wie in Böhmen landestypische Bierkulturen, wobei die Franken ihren Nachbarn mehrere Nasenlängen voraus waren. Heute gilt: Nirgendwo ist die Brauereidichte im Freistaat so hoch wie in Oberfranken. Dort werden in über 200 Brauereien rund Tausend verschiedene Biere gebraut.
Der Siegeszug des Pilsner Bieres
Zum Nachhören
Die Böhmen beschlossen schließlich seinerzeit, sich Unterstützung zu holen und verpflichteten Mitte des 19. Jahrhunderts den bayerischen Braumeisters Josef Groll. Er kreierte daraufhin in Pilsen mithilfe eines besonderen Hefepilzes ein ganz spezielles Bier. Das Pilsner trat bald darauf seinen Siegeszug an und dieser Erfolg beflügelte die böhmische Bierkultur dermaßen, dass es rund 50 Jahre später zu Beginn des 20. Jahrhunderts in dem kleinen Land bereits um die 1.000 Brauereien gab. Der Zweite Weltkrieg jedoch zerstörte die gerade erst zart geknüpften Bierbande ins Nachbarland. Und die Zahl der tschechischen Brauereien sank in den einstelligen Bereich.
In Tschechien boomen kleine Privatbrauereien
Im Jahr 2002 wurde die Pilsener Urquell vom Britischen Großkonzern SAB Miller aufgekauft. Doch Todgeweihte leben bekanntlich länger, und so war es ausgerechnet diese Übernahme, die kurze Zeit später in Tschechien für einen Boom der kleinen Privatbrauereien sorgte. Denn mit einem hatten die Großbrauereien nicht gerechnet: dem tschechischen Lokalpatriotismus.
"Der Anstoß, eine eigene Brauerei zu gründen, kam, als Bier aufhörte, Bier zu sein und die tschechischen Bierliebhaber gezwungen wurden, chemisch angereichertes Bier hiesiger Großbrauereien zu konsumieren, die von ausländischen Konzernen aufgekauft wurden, denen es nicht um den tschechischen Nationalstolz ging, sondern nur um den größtmöglichen Gewinn."
Auszug aus dem Bierwanderführer 'Bierland Pilsen' von Martin Droschke und Elmar Tannert
Bierbrücken zwischen Franken und Tschechien
Tatsächlich dürfte der tschechische Privatbrauereien-Boom sowohl der Sehnsucht nach eigenständigem National-Geschmack als auch der Globalisierung zu verdanken sein. Und den Nachbarn in Franken wird zwecks Inspiration sehr gern in den Braukessel geschaut, meint Autor Elmar Tannert. Beratung, Ideen und vor allem eine der wichtigsten Zutaten, das Malz nämlich, finden tschechische Braumeister zum Beispiel nur wenige Autostunden entfernt im Oberfränkischen in vielen Variationen. Zum Beispiel bei der Bamberger Mälzerei Weyermann. Sie bietet ganze 80 Sorten von Malz an.
Dagmar Hrnečková ist eine emsige Außendienstmitarbeiterin für die fränkische Mälzerei. Sie vertreibt das Malz auf dem tschechischen Markt und ist damit so etwas wie eine Geschmacksbotschafterin in Sachen Biergetreide, eine Brückenbauerin zwischen Franken und Tschechien.
"Dank der Firma Weyermann sind die Minibrauereien in der tschechischer Republik wahnsinnig explodiert. Mittlerweile sind es 300. Vor sieben Jahren, als ich angefangen habe, waren es nur sieben Stück."
Dagmar Hrnečková
Anspruch an die gute Qualität
Bei den fränkischen Privatbrauereien, vor allem auf dem Land, gehört der Gasthof, in dem das eigene Bier ausgeschenkt wird, ganz selbstverständlich dazu. In Tschechien wurde diese Tradition durch die Zeit des Sozialismus unterbrochen und erlebt erst seit rund zehn Jahren eine Renaissance. Was die fränkische und die böhmische Bierkennerseele jedoch vollkommen vereint, ist der Anspruch an die gute Qualität. Was läge also näher, als eine nachbarschaftliche Bierfusion?
Fracz – der erste fränkisch-tschechische Bierhybrid
Der tschechische Brauer Vladimír Stuchl (links) und der fränkische Braumeister Stefan Mützel und haben sich einen Fracz eingeschenkt.
Genau das dachten sich einige Bierenthusiasten, zu denen auch Martin Droschke zählt. Er ist Co-Autor des Brauereiführers "Bierland Pilsen". Die Idee zu einer fränkisch-böhmischen Bierbrücke entstand im Café Abseits in Bamberg, bei einer Bierverkostung. Und dann kam das Fass ins Rollen. Fracz, so sollte er heißen, der erste fränkisch-tschechische Bierhybrid. Der Name setzt sich aus den ersten Buchstaben der beiden Biernationen zusammen, klingt ebenso frech wie neugierig und steht damit programmatisch für ein hehres Ziel, so Martin Droschke.
"Fracz, das ist ein Bier, das zwei Kulturräume in sich vereinigt, zwei Bierkulturräume. Das ist ein fränkisch-böhmisches Gemeinschaftsbier, das das Beste beider Länder zusammenbringt."
Martin Droschke
Fracz besteht jeweils zur Hälfte aus böhmischem und fränkischem Malz. Dazu kommen verschiedene Hopfen aus Tschechien wie aus Franken. Das Ergebnis ist ein böhmisch-fränkisches Kellerbier. Im Spätsommer 2015 konnte es erstmals in Bamberg probiert werden. Und das soll nicht der letzte Schritt auf der fränkisch-böhmischen Bierbrücke sein.