"go Drag! Munich"-Festival Drei Learnings, wie inspierend Drag-Kultur sein kann
Beim ersten internationalem Drag-Festival in München dreht sich alles um Drag Kings & Quings. Doch Drag polarisiert: Die AfD und andere Politiker haben bereits Stimmung dagegen gemacht. Zu Unrecht. Drei Learnings, wie inspierend Drag-Kultur sein kann.
Auf dem go Drag! Munich Festival, was zum ersten Mal in Bayern stattfand, stehen die Drag Kings im Vordergrund. Drag Kinging – also die übertriebene, überzogene Darstellung von Männlichkeit, ist längst nicht so verbreitet wie die Darstellung der Weiblichkeit von Drag Queens. Vor allem in der Popkultur: Für Drag Queens gibt es riesige Reality Shows, wie der Welterfolg „RuPaul’s Drag Race“ – bisher treten dort keine Drag Kings auf. Beim Deutschen Ableger von Drag Race immerhin, gab es schon welche. Aber warum überhaupt so ein Drag-Festival ausrichten? Drei Learnings:
1. Drag Kings und Quings wollen und brauchen mehr Sichtbarkeit
„It’s a man‘s world“, singt James Brow frustriert resigniert. Die Genderperformance Künstlerin Bridge Markland tritt an den Rand der Bühne, zuckt die Schultern, als würde sie die Tragweite dieser Aussage abschütteln. Sie reißt das goldene Paillettenkleid und eine Perücke vom Leib, tanzt fast nackt, ihre Brustwarzen sind mit rotem Tape abgeklebt. Später wird sich Bridge Markland einen Nadelstreifenanzug überziehen, die Verwandlung von Frau zu non-binärer Person zu Macho-Mann ist vollzogen. Der Mann macht plumpe Superman Poser Gesten, hat anstelle eines Einstecktuches einen Dildo in der Anzugtasche, seine Bewegungen sind hölzern, cool. Bridge Markland zeigt einen Mann auf der Bühne, der sich selbst in seinem Gehabe genug ist, auch, wenn er alle anderen um sich herum damit langweilt.
Zum ersten Mal sehe ich eine Dragshow, bei der es um Männlichkeit geht. Eigentlich komisch, denn leben wir nicht in der man‘s world? Immerhin hat München durch das Engagement von Ruby Tuesday eine stetig wachsende und sehr junge Drag King und Quing Szene. Drag Quing, das ist ein non-binärer Drag Charakter, also die Verkörperung eines Menschen, der sich keinem oder mehreren Geschlecht zugehörig fühlt.
Warum gibt es so viel weniger Aufmerksamkeit für Drag Kings?
Bridge Markland, die nicht nur performt, sondern das Festival zusammen mit dem Münchner Drag King Ruby Tuesday, kuratiert sagt: „Das Patriachat lässt grüßen, selbst wenn der Mann ein Kleid anzieht – aber die Frau, die dann die Macht beansprucht, den Anzug und die Hosen anzieht hat es schwieriger. Ihre Theorie: „Wenn man sich in die männliche Rolle begibt, beansprucht man Macht. Dadurch ist es sehr politisch und wenn ich mich zur Drag Queen mache, gehe ich ins ‚schwache Geschlecht‘ und beanspruche keine Macht“. Selbst in der Kunstform Drag, die seit Jahrhunderten mit Geschlechteridentitäten spielt, kommt mal also nicht vorbei an patriarchalen Strukturen.
Learning: Drag Kings und Quings auf der Bühne untergraben das Patriarchat!
2. Die Drag Community muss geschützt werden
Es ist ein politisches Signal, dass Dominik Krause, zweiter Bürgermeister der Stadt (Bündniss90/Die Grünen), Schirmherr des Festivals ist. Er sagt bei der Eröffnung des Festivals. Bei der Eröffnung betonte er, wie queer und weltoffen München sei: „Wir erleben einen Rechtsruck im ganzen Land, wichtig gerade in solchen Zeiten, dass man sich die Stimmung nicht vermiesen lässt, für seine Rechte eintritt und auch einfach Spaß hat, und genau das ist das Festival.“
Fakt ist aber auch: letztes Jahr kam es vor einer Lesung in einer Münchner Stadtbibliothek von Drag Künstler*innen online zu einer Hetzkampagne, auch gegen die Münchner Queen Wikivoyage. Vorurteile, dass Drag Kinder „früh-sexualisieren“, wurden aus der Mottenkiste gepackt, Hubert Aiwanger tweetete gar, es sei „Kindeswohl-Gefährdung“, wenn Kinder Bücher von einer Drag Person vorgelesen werden. Auch der Oberbürgermeister Dieter Reiter sagte damals öffentlich, er würde mit seinen Enkeln nicht hingehen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Drag Kings, Quings und Queens erleben immer noch überdurchschnittlich viel physische und psychische Gewalt. Im Jahr 2022 wurden in Deutschland in einer Statistik des Bundesinnenministeriums über 1500 Straftaten in den Kategorien „sexuelle Orientierung“ und „geschlechtsbezogene Diversität“ erfasst. Darunter fällt beispielsweise Körperverletzung an in Drag gekleidete Personen.
Learning: Ist die Stadtgesellschaft da und unterstützt, hilft das der Drag Community.
3. Drag bewegt sich zwischen Hoch- und Subkultur. Drag ist politisch!
Drag ist anzüglich und es geht um Sex? Drag ist Varieté Theater? Nö. Natürlich spielt Drag mit Sexualität und ja, die Shows dürfen unterhalten. Das Festival Programm macht jedoch deutlich: Drag-Kultur ist wahnsinnig vielfältig und kann unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Drag ist tänzerischer Ausdruck und Akrobatik, wie die Shows von Drag-Race-Germany Gewinnerin Pandora Nox zeigen. Drag ist eine Lesart von „hochkulturellen Klassikern“. Mit „Nathan in the box“ zeigt Bridge Markland, dass Performance und Drag-Art neue Interpretationen bieten können. Denn ist Drag nicht letztlich eine kafkaeske Verwandlung? Ein Spiel mit Veränderung und Übertreibung, das dem Publikum den Spiegel vorhält? Drag ist politisch, weil es Debatten über Genderidentitäten anregt und kommentiert.
Drag kann auch das Angebot sein, sich mit neuen Facetten seiner Persönlichkeit auseinanderzusetzen. Und: Drag ist eine Community für Menschen der LGBTIQ+ Community, in der sich ausgetauscht und künstlerisch ausprobiert werden kann. Es ist ein subkultureller Raum, der in einigen Aspekten in den Mainstream wandert (wie dieses Festival zeigt) und der so wieder durch neue Einflüsse geprägt wird und sich einander befruchtet. By the way: Natürlich ist Drag-Kultur eng mit der queeren Community verknüpft, aber auch heterosexuelle Menschen, können Drag ausprobieren, betont die Kuratorin Bridge Markland.
Learning: Drag verwandelt Hochkultur in Queerness!