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Marc-Uwe Kling „Ich gebe hier meine Zustimmung, meine Bücher in Zukunft nach meinem Tod zu verändern“

Marc-Uwe Kling hat den bekanntesten deutschen Kommunisten seit Karl Marx geschaffen: Das Känguru. Jetzt hat der Schriftsteller jedoch einen Krimi geschrieben. Im Interview erklärt er, warum das so gut zum übergeordneten Thema „KI“ passt.

Von: Johanna Hintermeier

Stand: 01.07.2024

Der Schrittsteller Marc-Uwe Kling sitzt auf einer Treppe und wird von unten seitlich fotografiert. Das Bild ist schwarz weiß. Kling trägt eine Schiebermütze und eine Kapuzenjacke.  | Bild: Sven Hagolani

Das neue Buch von Marc-Uwe Kling ist ein Krimi. „Views“ heißt es, und das kommunistische Känguru spielt darin keine Rolle. Es geht um Technologien und um neue und alte Ressentiments in der Gesellschaft. Besonders in Bezug auf digitale Plattformen und Künstliche Intelligenz. Im Interview erklärt der Autor, warum diese Themen so wichtig sind.

Johanna Hintermeier: Müssen wir anders über KI-Entwicklungen nachdenken?  

Marc-Uwe Kling: Ja, ich glaube schon. Also das wäre auf jeden Fall gut. Anders gesagt, ich glaube, es gibt zu wenig Regeln für diese digitalen Technologien. Es gibt zu wenig Regeln, auch für die Social Media Plattformen. Diese Plattformen sind die größten Massenmedien, die die Menschheit je gesehen hat. Aber sie kommen durch ihre Lobbyisten damit durch, zu behaupten, wir sind nur eine Plattform und nicht verantwortlich für die Inhalte, die bei uns teilweise viral gehen oder überhaupt gepostet werden. Diesen Bluff sollte die Regierung nicht mehr akzeptieren, sondern sagen: Ihr seid Massenmedien und ihr werdet reguliert wie die anderen Massenmedien auch. Ihr müsst die Wahrheit senden, ihr könnt Meinungen haben, aber wenn ihr anfangt, Lügen zu erzählen, dann muss das richtig gestellt werden. Und wenn ihr nicht damit aufhört, dann wird euch irgendwann auch die Sendelizenz entzogen. Es gibt ja einen Grund, warum Massenmedien reguliert sind in Deutschland. Was allein Putin weltweit an Propaganda verbreitet, und dass die demokratischen Staaten das akzeptieren, ist ein totales Unding. 

Bis zu einem gewissen Grad legst du diese Aussagen deinen Charakteren in dem Buch in den Mund: Inwieweit bist du ein aktivistischer Autor?  

Ich bin insofern aktivistisch, dass ich natürlich über Dinge schreibe, die mich interessieren. Aber dann bin ich eindeutig Autor. Und ich will eine Geschichte erzählen, die spannend und interessant ist. Und ich habe kein Sachbuch geschrieben. Dass diese Geschichte dann etwas mit unserem politischen Zusammenleben zu tun hat, kommt eher daher, dass das ein Thema ist, das mich interessiert.

Aber hoffst du darauf, auf der Ebene Menschen trotzdem für die Themen zu sensibilisieren oder vielleicht sogar zu begeistern?

Am Ende ist alles Teil des gesellschaftlichen Diskurses, natürlich auch so ein Buch. Und, wenn es Leute dazu bringt, sich mit diesen Themen zu beschäftigen und auseinanderzusetzen, ist das natürlich super.

Hast du manchmal Angst, dass sich deine eigenen Haltungen so stark ändern, dass du es bereuen würdest, sie so aufgeschrieben zu haben, wie du es in der Vergangenheit getan hast?  

Ich glaube, ich bin inzwischen ein bisschen kompromissbereiter als in den Anfangstagen, weil ich denke, man muss die Allianz möglichst groß bauen gegen die demokratiefeindlichen Kräfte. Insofern wäre ich jetzt durchaus bereit, mit mehr Leuten zu reden als am Anfang. Aber ich finde, die grundsätzlichen Probleme, die auch im ersten Känguru besprochen werden, die haben wir immer noch. Und da habe ich auch immer noch eine ähnliche Meinung.

Verändert sich der Buchgeschmack mit dem Älterwerden noch stärker als der Musikgeschmack?

Ich habe letztens eine Statistik gesehen, dass generell die Menschen der Meinung sind, die Musik ist am besten, die rauskam, als sie 17 waren. Es kann gut sein, dass man im Buch Geschmack da ein bisschen flexibler ist. Das ist auf jeden Fall im Filmgeschmack so, finde ich. Das geht dir ja vielleicht auch so. Wenn man einen Film anguckt, den man als Kind oder Jugendlicher super fand, irgendwas aus den 80ern oder 90ern und man guckt das heute noch mal an, denkt man: Das geht heute gar nicht mehr.

Was war dann die Musik bei dir mit 17, die die beste jemals war?  

Nirvana, da steh ich auch dazu.

Aber vielleicht altert Musik auch weniger schlecht als Bücher oder Filme? 

Das stimmt. Also ich habe immer noch große Freude daran, mir ein Beatles Album anzuhören. Aber es gibt nur noch wenige gute Filme aus den 60ern. Die Beatles Alben kann man sich noch super anhören, aber die Beatles Filme sind schon so ein bisschen weird heute, ganz anders, als wenn man heute einen Film dreht.

Und wenn man es neu schneiden würde?   

Cover von "Now and Then", der letzten Beatles-Single dank KI.

Das ist echt etwas, das ich mal vorschlagen würde. Das wird viel zu selten gemacht im Filmbereich. Und das passiert ja bei der Musik. Es wird geremixt, es kommen Cover. Ich glaube, viele Filme würden davon profitieren, wenn man mal einen Remix schneidet. Bei den „Blues Brothers“ den ganzen Sexismus raus, dann ist es wieder geil. Oder bei „Attack of the Clones“ die ganze Love Story raus. Dann kann man den Film glaube ich gucken.

Dann sollte man es bei Büchern auch machen, die kritischen, rassistischen Passagen rauszustreichen? Und es dann einfach noch mal neu rausgeben, weil es besser geworden ist?  

Ich weiß, dass das ein totales Aufregerthema ist. Und ich bin da super entspannt. Also ich gebe hier in diesem Interview meine Zustimmung, meine Bücher in Zukunft nach meinem Tod zu verändern. Falls das gesellschaftlich notwendig ist, habe ich absolut kein Problem damit. Ansonsten würde ich mir das von Fall zu Fall total differenziert angucken. Und mit dem Wort „Südseekönig“  bin ich total d'accord. So habe ich überhaupt keinen Stress damit. Bei anderen Büchern, wo es quasi in die Handlung geht, kann man auch mit einem Vorwort arbeiten.

Wenn wir jetzt bei den Beatles sind: Wie findest du „Now and Then“, den von der KI geschriebenen Beatles Song?  

Das ist kein von der KI geschriebener Beatles Song, sondern die KI. Ich finde, da ist die KI genau richtig eingesetzt worden, nämlich als Werkzeug, um etwas möglich zu machen, was vorher nicht möglich war. Das heißt, die KI hat einfach dafür gesorgt, dass John Lennons Stimme von dem Klavier getrennt wurde und von dem brummenden Kühlschrank, der irgendwo in der Ecke steht. Und ich finde es super schön, dass es das Lied gibt. Ich mag die die Geschichte zu dem Lied. Das rührt mich zu sehen, wie die quasi nochmal zusammenkommen mit zwei ihrer Bandkollegen, die schon tot sind und es möglich gemacht haben. Wenn die KI das ganze Werk schafft, da wiederum bin ich total kritisch.