Wer hat dich bloß so programmiert Macht KI die Popmusik auf Dauer zur Zweiklassengesellschaft?
Was KI musikalisch mittlerweile drauf hat, zeigen wohl die KI-Mashups von "There I Ruined It" gerade am eindrucksvollsten. Und wenn bald noch KI-generierte Musik Spotify und Co. fluten, was bedeutet das für die Zukunft der Branche – und für das Publikum?
2021 ging ein Aufschrei durchs Internet: Ein "neuer" Nirvanasong, war aufgetaucht. Den hatte allerdings nicht Kurt Cobain geschrieben, sondern eine KI. "Drowned in the Sun" heißt das Stück und damit es auch nach Nirvana klang, musste ihn damals noch der Sänger einer Nirvana-Coverband einsingen.
KI-Cover und KI-Songs auf Knopfdruck
Die Technik ist seitdem rasend schnell besser geworden – KI-Generatoren können mittlerweile nicht nur komponieren, sondern auch täuschend echt Gesang simulieren: Elvis singt beispielsweise AC/DC, oder Frank Sinatra "Gangsta's Paradise" von Coolio – solche sogenannten KI-Cover sprudeln derzeit nur so aus dem Internet.
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Frank Sinatra / gangsters Paradise 
Auch lassen sich durch KI mittlerweile auf Knopfdruck neue Songs generieren. So hat die KI "Sona AI" für uns einen Popsong komponiert, aufgenommen, getextet und eingesungen – und das innerhalb von wenigen Sekunden. Dafür musste nur der Prompt (die Anweisung an eine KI) "Einen Indie-Popsong darüber, wie KI das Musik-Business übernimmt" ins Textfeld eingegeben werden. Sogar einen prophetischen Titel hat das Programm dem Song gegeben: "Willkommen in der Zukunft".
Advanced: die KI-Mashups von "There I Ruined It"
Noch eine Stufe weiter sind die KI-Mashups von "There I Ruined It", die aus der "Feder" von Musiker Dustin Ballard, der mit den beiden Programmen Melodyne und Pro Tools die mit Abstand schrägsten Musik-Mashups kreeirt. NWA's "Straight Outta Compton" meets Oktoberfest oder Jeff Buckley singt "Hallelujah", nur eben mit den Lyrics von "Baby Got Back".
Aus Langeweile während der Pandemie heraus entstanden, heißt es auf seiner Seite, und mit dem einfachen Vorsatz, so viele Lieblingslieder wie möglich kaputt zu machen, bevor sie aus dem Netz genommen werden, hat er mittlweile eine Followerschaft von über sechs Millionen Menschen aufgebaut, die er über seine verschiedenen Social-Kanäle erreicht.
Protestbrief: Über 200 Musikstars warnen vor Bedrohung durch KI
Die Stars, mit deren Stimmen solche KIs trainiert werden, finden das Ganze allerdings nicht immer so lustig wie Snoop Dogg, der selbst ein Reaction-Video zu seinem Mashup gepostet hat. Ein Song, in dem eine KI Eminem über Katzen hat rappen lassen, musste auf Druck von Universal gelöscht werden und der Youtuber Grandayy wurde von Youtube verwarnt. Und Anfang April veröffentlichten über 200 Musikstars einen Protestbrief gegen den Einsatz von KI ohne deren Einverständnis. Dieser sei eine "enorme Bedrohung", für ihre Identität, ihre Musik – und ihren Lebensunterhalt.
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Snoop Dogg reacting to me ruining his song
Dass KI das Geschäftsmodell von Musiker:innen bedroht, ist keine steile These. Denn klar, wenn ein Programm komponieren, einspielen, singen und texten kann – wieso sollte jemand dann dafür noch einen echten Menschen bezahlen? Der Beruf des Songwriters oder der Studiomusikerin wäre nicht der erste, den der technologische Fortschritt weggefegt hätte.
Vorteile von KI: "Als Produzent ist das natürlich ein Traum"
Dennoch habe die Musik-KI nicht nur Nachteile, sagt Produzent und Komponist Thomas Foster. In seiner täglichen Arbeit könne er nun unmittelbar Gesangspassagen ausprobieren und austüfteln, und muss sich nicht erst wochenlang mit Sängern für mögliche Studiotermine abstimmen. "Für mich als Produzent ist das natürlich ein Traum."
Foster vergleicht KI-erzeugte Gesänge mit dem Aufkommen von computergeneriertem Schlagzeug, das schon seit Jahren überzeugend echt klingt. "Da war es auch nicht so, dass nie wieder ein echtes Schlagzeug aufgenommen wurde". Foster ist sich sicher: "Beide Welten werden parallel existieren". Nachwuchs-Künstler:innen seien womöglich eher dankbar, durch die Technologie Kosten zu sparen; und große Produktionen würden weiterhin auf von Menschen eingespielte Instrumente setzen.
"Die Erfolgreichen machen mehr Geld denn je"
Doch es bleibt fraglich, wer künftig wie abkassieren wird. Foster beobachtet seit längerem einen Trend im Musikgeschäft: "Die ganz großen Erfolgreichen machen mehr Geld denn je. Aber für die Kleinen und für die Mittelschicht ist es viel schwieriger."
So könnte es auch dieses Mal sein. Womöglich könnten die großen Stars sogar ihre Stimmen für den KI-Einsatz vermarkten – was sich für unbekannte Künstler*innen, genau wie beim Streaming, viel weniger lohnen würde.
"Fake Artist" fluten schon jetzt die Streamingplattformen
Auch das Phänomen der "Fake Artists" dürfte mit KI noch einmal an Fahrt aufnehmen. Denn schon jetzt fluten Produzent:innen mit dutzende Fake-Profilen die Spotify-Playlisten und greifen dabei Klicks und Ausschüttungen anderer Artists ab. Recherchen der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter zufolge steckt zum Beispiel eine einzelne Person hinter 656 Spotify-Artists und 2700 Songs – mit insgesamt mehr Klicks als das Gesamtwerk Michael Jacksons.
Was also, wenn Fake-Profile nun gar nicht mehr selbst komponieren müssen, sondern einfach das Songwriting an KI-Generatoren auslagern; mit potentiellem Output von tausenden Songs täglich? Spotify experimentiert derweil natürlich auch selbst schon mit dem Einsatz von KI bei Playlists.
Und während KI-generierte Massenware immer besser und billiger wird, steigen Ticketpreise für Live-Konzere immer weiter oder Megastars spielen live für ein kleines exklusives Publikum. Wie Rihanna, die kürzlich für eine Art Warming Party einer indischen Hochzeit extra eingeflogen wurde.
KI oder Bio-Siegel: Wird Popmusik zur Zweiklassengesellschaft?
Macht KI aus der Popmusik also eine Art Zweiklassengesellschaft: Computerware für die Massen und Live-Erlebnisse von echten Menschen nur für die wohlhabenden oberen Prozent? Vielleicht aber wird gerade durch die KI-Masse menschengemachte Musik nochmal ganz anders aufgewertet – das Bio-Siegel im Musikgeschäft, echte "Bio-Musik". Momentan gibt es mehr Fragen als Antworten, aber eines ist gewiss: Die Technik ist da und wird nicht mehr verschwinden.
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I made a song entirely from artists singing "yeah"