"Stranger In My Own Skin" Die neue Doku über Peter Doherty offenbart die Widersprüchlichkeit einer Künstlerseele
In der neuen Doku "Stranger in my own skin" wurde Pete Doherty zehn Jahre von seiner Jetzt-Ehefrau Katia DeVidas begleitet. Sie schafft Verständnis für die waidwunde, süchtige Künstlerseele, aber hat auch Schattenseiten.
Peter Doherty philosophiert: Wie erzählt man so ein Leben, noch dazu seines, er hat es ja nicht immer wirklich richtig mitbekommen. Aber Katia DeVidas versucht es, mittlerweile ist sie mit Peter Doherty verheiratet und spielt auch in seiner Band. Zehn Jahre lang hat sie ihn mit der Kamera begleitet, im Tourbus, auf Konzerten, Drogen nehmen, Drogen entziehend, und wenn er nicht fix und fertig im Bett liegt, sieht man ihm meist auf einer Gitarre klimpern. Wenn man so will, ist es das Porträt einer der letzten von Englands Rosen, eine Rose, die aber selbst viele Dornen, sehr viel Stacheldraht aushalten musste.
"Wie beschreibt man Erinnerungen, sie sind so unzuverlässig! Es blitzen meist nur Momente der Freude auf. Oder man erinnert sich halt an all die Katastrophen. Wie nur kann man ein Leben erzählen, das zwar kostbar ist, aber einem immer wieder wie Sand durch die Finger rinnt?"
Pete Doherty
Die Debütsingle von Pete Doherty „The Last Of The English Roses“: Sie ist von Jean Genet inspiriert, den der belesene, auch Dostojewski und James Joyce liebende Peter Doherty verehrt. Schon als junger Typ, das erfahren wir in der Doku, hat er alles an Literatur verschlungen, was er in die Finger bekam. Und damit versucht, seiner begrenzten Welt zu entfliehen. Sein Vater war Sergeant-Major, die Familie ist dauernd umgezogen, hat oft in Militärbaracken gewohnt, außer den Frauen und Kinder trugen fast alle in Dohertys Kindheit Uniformen, „Immer war ich der Neue, der Träumer, ein Clown“, sagt Pete in der Doku, und das ist berührend.
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Peter Doherty: Stranger In My Own Skin | Trailer deutsch
Wie Peter Doherty berühmt wurde
Peter Doherty ist dann der für ihn schwierigen Zeit in der Kindheit entflohen: nicht nur in die Fantasie der Literatur, sondern auch in die Musik. Er, der zunächst eigentlich Fußballfan war, eigentlich ein Queens Park Rangers-Fan. Aber Doherty ist mit seiner Mutter als Kind oft an die Anfield Road. Dort, in Liverpools Hexenkessel, hat er versucht, den Fans ins Gesicht zu schauen! Denn Pete wollte lieber das Entzücken, die Anspannung in den Mienen der Fans dechiffrieren als die Spielzüge des FC Liverpool. Aber statt als Fußballprofi das große Kribbeln in den Stadien zu erleben, wurden es die großen Konzertbühnen für Pete. Er gründete mit Carl Barat die Libertines und dann, sagt der Clash-Gitarrist und Libertines-Produzent Mick Jones, dann ging alles sehr schnell, denn die Libertines waren der seltene Fall einer britischen Band, die alles hatte, ähnlich wie die Beatles. Bands wie diese gebe es nur alle hundert Jahre.
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Time for Heroes
Der Erfolg kam für die Libertines dann sehr schnell, vielleicht zu schnell. Denn die Zeit für die Helden währte nicht besonders lang. Pete Dohertys Heroinsucht und seine daraus resultierende Unzuverlässigkeit wurden bald für die anderen Bandmitglieder unerträglich. Die Libertines trennen sich immer wieder und gründen neue Bands. Carl Barat die Dirty Little Things, Doherty die Babyshambles.
Die waidwunde Seele des Pete Doherty
Die Doku von Katia De Vidas heißt ja „Stranger In My Own Skin“ – immer wieder und manchmal arg lange sehen wir Pete Doherty als waidwunde Seele, als Künstler, der oft erfolglos seine Heroinsucht bekämpft und Entziehungskuren startet. Immer wieder verprellt Doherty seine Fans, das aber auf durchaus komische Weise, er ist ja ein Clown, sie sollen bitteschön einfach abhauen.
Für meinen Geschmack hält sich Katia DeVidas Doku zu lange auf mit dem Porträt einer „troubled soul“. Zeigt uns zu wenig von Pete Dohertys Privatleben mit und ohne Kate Moss, dem Supermodel. Auch den denkwürdigen Auftritt von Doherty 2009 bei uns auf dem Bavarian Open Festival sehen wir nicht, wo er, der Belesene, er, der jüdische Wurzeln hat, das Deutschlandlied angestimmt hat, als Provokation und verärgert darüber, dass die Fans lautstark zum Ausdruck brachten, dass sie eigentlich nicht auf ihn, sondern auf die Band Kettcar warten. Das war sogar englischen Nachrichten eine Meldung wert.
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The Libertines - Can't Stand Me Now (Official Video)
Die Szenen, die einen berühren
Natürlich hat die Doku ein Happy End, sie ist ja gedreht von Katia DeVidas, mittlerweile Dohertys Ehefrau. Nach einem monatelangen Aufenthalt in Thailand, wo Doherty erfolgreich entzieht, ist er clean. In einer berührenden Szene sehen wir, wie er sich mit seinem Vater, dem Berufssoldaten versöhnt, als er, der früher nur Erfolg sehen wollte, nach Jahren Doherty bei einem Konzert auf der Bühne überrascht und sogar die Texte der Band auswendig kennt.
„Stranger In My Own Skin“ hat sie, die Szenen, die einen berühren. Und die den Zuschauern das Bild einer gequälten Künstlerszene zeigen und wie Kunst Ängste und Horror immer wieder kanalisieren und umwandeln kann. Am Ende ist Doherty zumindest für uns kein „Stranger“ mehr, dennoch hat die Doku einiges versäumt und dennoch Längen. Trotzdem ist „Stranger In My Own Skin“ eine Empfehlung: nicht nur für Libertines Fans, sondern auch für euch Menschen, die an Musik interessiert sind und daran, wie widersprüchlich eine Künstlerseele so sein kann.