Bayern 2 - Zündfunk

Pussy Riot "Wir sollten noch wütender sein und energischer handeln"

Teile der Band sind inhaftiert, aber Diana Burkot steht gegen den globalen Rechtsruck, für die Ukraine und den Feminismus auf der Bühne. Wie macht sie weiter?

Von: Ida Morganti

Stand: 24.02.2025

Die Künstlerin Diana Burkot reckt die rechte Faust in die Höhe und singt auf der Bühe.  | Bild: Arne Valen

Diana Burkot weiß, wovor sie sich hier in Deutschland fürchtet. An der deutschen Aussprache scheitert es noch ein bisschen: "ODF? Ich weiß gar nicht, wie ich es aussprechen soll - AfD?!", sagt die 39-Jährige. Sie sitzt im winzigen Backstagebereich der "Roten Sonne" in München und trinkt Maracujasaft.

Um den Rechtsruck, den Krieg in der Ukraine und um Feminismus, darum geht es in Diana Burkots "Sweat and Blood"-Tour. Die Künstlerin von Pussy Riot ist in den letzten drei Wochen zusammen mit der kanadischen Band New Age Doom durch Europa getourt. In der Roten Sonne in München spielt sie ihre letzte Show.

"Ich glaube, dass Musik jetzt politischer geworden ist. Früher war es ein Weg für Eskapismus, um Liebe und Gefühle auszudrücken. Jetzt ist es für mich ein Mittel zu kommunizieren, die Menschen aufzufordern Verantwortung zu übernehmen, wählen zu gehen und eine aktive Rolle in ihrem Land einzunehmen."

Diana Burkot, Pussy Riot

Es sind ganz unterschiedliche Menschen gekommen von jung bis alt, queere Frauen bis alter Rocker. Die Ohrenstöpsel werden ausgepackt, man bereitet sich auf Krach vor.

Die Musik und Performance im Namen der Unterdrückten

Pussy Riot vor dem Brandenburgertor.

Doch so viel Lärm gibt es bei Diana Burkot gar nicht. Die Klänge sind eher elektronisch, experimentell, manchmal dissonant. Dazu tanzt sie expressiv. Sie singt auf Englisch und auf Russisch. Fast jedes Lied hat sie einer Person gewidmet, die vom russischen Regime systematisch unterdrückt wird. Diese Menschen repräsentieren Communities, die global für ihr "anders sein" ausgeschlossen oder kriminalisiert werden. "Die Performance geht um diese verdammte sexistische und patriarchale Welt, in der wir immer noch leben", sagt Diana Burkot.

Diana Burkot ist schon lange bei Pussy Riot. 2012 war sie bei der berühmten Aktion, dem Punk-Konzert in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau dabei. Die anderen Mitglieder wurden verhaftet, Burkot kam damals davon.

Russland: Feministisch sein gilt als "extremistisch"

Seit dem Krieg gegen die Ukraine lebt sie in Island. Dort könne sie die Meinungsfreiheit ausleben, die es in Russland nicht mehr gibt. Darunter leiden Minderheiten, Aktivist*innen und Künstler*innen. Denn nicht alle können es sich leisten, das Land zu verlassen, erzählt Diana Burkot: "Bei einer meiner Freundinnen kam die Polizei in die Wohnung gestürmt. Sie haben einfach die Tür aufgebrochen. Sie haben sie auf die Polizeistation mitgenommen und sie musste mehrere Tage dort bleiben". Danach haben Burkot und die Freundin das Land verlassen.

Feministinnen und LGBTQ Personen gelten in Russland als extremistisch. Aktivistische Arbeit ist verboten, die Polizei geht hart gegen sie vor. Sogar das Nachtleben ist davor nicht sicher. In einem Moskauer Technoclub, den Burkot mit dem Berghain in Berlin vergleicht, kommt es regelmäßig zu Razzien: "Die Polizei war schon dreimal da. Sie waren plötzlich da und haben alle Papiere kontrolliert. Die Leute haben dort nur getanzt, dann sollten sie sich auf den Boden legen, mit dem Gesicht nach unten, und die Polizei kontrolliert ihre Papiere", so Burkot.

Der russische Angriffskrieg spaltet Familien

Und noch was hat sich seit dem Krieg gegen die Ukraine für Diana Burkot verändert. Ihre Familie hat sich gespalten. Ihr Vater kommt aus Cherson in der Ukraine, lebt aber in Russland. Er unterstützt Putins Regime und ist so strikt gegen die Kunst seiner Tochter. "Er hat mich Nazi genannt, Faschistin, nach unserer Aktion in der Kirche hat er sogar Satanistin zu mir gesagt."

"Wir sollten noch wütender sein und energischer handeln"

Noch immer sei er der Meinung, sie könne immer zurückkommen und um Vergebung bitten. Das möchte sie aber nicht. "Es tut mir überhaupt nicht leid. Das Einzige, was mir vielleicht leid tut, ist, dass wir nicht genug getan haben, dass wir noch wütender sein sollten und energischer handeln."

In Russland würden ihr fünf bis zehn Jahre Gefängnis drohen. Außerdem läuft gerade ein Verfahren gegen sie wegen Beleidigung der Armee. Das Absurde, sagt Burkot: Eigentlich lebe sie ein Leben, von dem sie immer geträumt hatte. Sie habe das Gefühl, etwas wichtiges zu tun und mit ihrem Aktivismus etwas zu bewirken. Endlich könne sie sich als Künstlerin selbst verwirklichen. Aber der Traum hat einen Preis:

"Als ich ein Teenager war, habe ich von diesem Leben geträumt. Ich hätte mir nur nicht vorstellen können, dass es so sein würde, wie die Realität nun tatsächlich ist. Aber ich glaube immer noch an die Menschlichkeit. Wir sollten immer Hoffnung haben und versuchen, unser Bestes zu geben."

- Diana Burkot über das Leben im Exil

Auf der Bühne ruft Burkot am Abend vor der Bundestagswahl dazu auf, wählen zu gehen. Eine Botschaft betont sie besonders: "Das Wichtigste, was wir jetzt tun können, ist Solidarität, Zusammenarbeit und eine Gemeinschaft bilden". Die Tour ist nun erstmal vorbei. Als nächstes steht an, ein eigenes Album aufzunehmen. Im Sommer steht sie wieder mit Pussy Riot auf der Bühne, vielleicht geht es auch nach Australien.

Bis zum 9. April 2025 ist im Haus der Kunst in München die Ausstellung "Velvet Terrorism - Pussy Riot's Russia" zu sehen.