Kaum ein Film, der sich mit dem Thema Silvester auseinandersetzt, ist wirklich gut. Wer im Netz auf die Suche geht, findet selten etwas Passendes für einen Filmabend zum Jahresende. Empfohlen werden häufig mittelmäßige Episodenfilme wie „Happy New Year“ oder „Four Rooms“, nicht zu vergessen „Harry & Sally“, die Mutter aller romantischen Komödien mit ihrem großen Finale am Silvesterabend. Aber wie oft haben wir den schon gesehen?

Der einzig gute Silvester-Film: "Harry & Sally"

Und viele Filme, die sich explizit mit Silvester auseinandersetzen, wandeln gefährlich nah am Flop. Ein paar Beispiele: „End of Days“, das Endzeit-Fiasko mit Arnold Schwarzenegger. „Abgerissen“, ein trashiger Horrorfilm, der an Silvester in einer Seilbahn spielt. Oder der kitschige „A Long Way Down“ mit Pierce Brosnan, der das Thema Suizid an Silvester rührend beleuchten möchte. Und ja klar, da ist noch der Kult-Sketch „Dinner for One“, aber diese knapp zwanzigminütige Silvester-Tradition kennt eigentlich jeder. Dabei gibt es ziemlich viele Filme, die sich wunderbar für einen Filmabend zum Jahresende eignen – vordergründig thematisieren diese sieben den Jahreswechsel gar nicht, passen aber perfekt zur Stimmungslage Ende Dezember.

Bye Bye, 2023: „In Time – Deine Zeit läuft ab“

Wie schnell die Zeit vergeht! Eben saß man doch noch unterm Tannenbaum, feierte das Ende von 2022 und nahm sich viel vor für das neue Jahr – doch schon ist 2023 an einem vorbeigezogen. Dieser nahezu in Vergessenheit geratene Science-Fiction-Thriller aus dem Jahr 2011 stellt die Zeit in den Vordergrund und passt deshalb perfekt zum Jahresende. In den Hauptrollen zu sehen sind Justin Timberlake und Amanda Seyfried. Das sind jetzt iicht unbedingt die besten Schauspieler. Aber „In Time“ ist vor allem wegen seiner Idee kreativer und sozialkritischer als die meisten aktuellen Blockbuster. Der Film handelt von einer zukünftigen Gesellschaft, in der man Waren nicht mehr mit Geld bezahlt, sondern mit Lebenszeit. Alterungsprozesse stoppen zum 25. Lebensjahr, danach entscheiden Wohlstand und Lebensstil darüber, wie viel Zeit einem noch bleibt. Und auf dem Arm der Menschen tickt ein Timer, der ihnen die verbleibende Lebenszeit anzeigen. Geht die Zeit auf null, ist es aus. Wer arbeitet, gewinnt Zeit, wer konsumiert, verliert sie. Und natürlich wird die Zeit in den oberen Schichten ganz anders wahrgenommen als in den unteren. Dieses Konzept macht „In Time“ unfassbar spannend – und ganz nebenbei verhandelt der Film natürlich die allgegenwärtige soziale Frage. Als Schurke brilliert in „In Time“ übrigens der damals noch unbekannte Oppenheimer-Darsteller Cilian Murphy. Wie schnell die Zeit vergeht!

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Gala-Dinner-Satire: „The Menu“

Anders als Weihnachten ist der Silvesterabend das Fest des Event-Kapitalismus. Silvester-Menus von drei bis acht Gängen, Rooftop-Mottoparties, Gala-Gourmet-Dinners in Abendgarderobe. Zum Jahresende soll es für viele nochmal besonders schick werden, und damit natürlich abgedreht teuer. Der Bayerische Hof bietet dieses Jahr ein Champagner-Menu mit Hummer und Rinderfilet für 430 Euro pro Person an. Wer auf so etwas keine Lust hat, dürfte sich in „The Menu“ bestätigt sehen. Der Film ist grandios, weil er beide Seiten der Medaille kritisch beleuchtet. Er nimmt die Extravaganz der Reichen im Turbokapitalismus auf die Schippe, aber auch die generelle Anspruchshaltung von Kunden in der Gastronomie und die Mechanismen der Kulturindustrie. Eventisierung, die Sehnsucht nach dem Höher, Schneller und Weiter, nach dem ganz besonderen, dem einen Moment, den man dann mit seinen Followern auf Instagram teilen kann. In The Menu wird einer Auswahl von Gästen (von Finanz-Betrügern bis hin zur Kulturkritikerin) ihr letztes Gala-Dinner serviert. Ein großartiger Cast mit der grandiosen Anya Taylor-Joy und mit Ralph Fiennes als gestresster Sternekoch kurz vor dem psychotischen Zusammenbruch veredeln das Film-Menü. Wer den Film gesehen hat, wird nie wieder ein Steak zurückgehen lassen, weil es ihm zu salzig ist, auch nicht beim Gala-Gourmet-Dinner an Silvester.

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Spieleabend mit Freunden: „The Game“

Wer das Gala-Dinner lieber auslässt, trifft sich an Silvester gerne mit Familien und Freunden zum Spieleabend. Die Klassiker sind „Activity“ oder „Scharade“, vielleicht greift der ein oder andere auch zum Trinkspiel. „The Game“ von David Fincher ist der passende Thriller zum Spiele-Spiel-Hype. Denn manchmal reicht ja schon ein simples Brettspiel für kafkaeske Exkursionen in die emotionalen Abgründe der Freunde. Dieser Film mit Michael Douglas und Sean Penn treibt das auf die Spitze und liefert mit seinem ungewöhnlichen Setting zwei Stunden spannungsgeladene Unterhaltung. Ein erfolgreicher Geschäftsmann wird in ein perfides Spiel im echten Leben verwickelt, sein Bruder hat es ihm geschenkt. Was zunächst lustig und unkonventionell wirkt, entwickelt sich im Verlauf des Films zu einer wahnsinnigen Achterbahnfahrt, in der es bald um den guten Ruf, Leben und Tod gilt – und bei der man nie weiß, was real ist und was fake. Vielleicht sollte man einen unsympathischen Bankertypen, wie ihn Michael Douglas in diesem Film verkörpert, öfter mal zum Spieleabend mitnehmen.

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Sylvester (Stallone) mit Böllern: „Rambo“

It’s that time of the year again: Ganz Deutschland diskutiert über die Konsequenzen eines Böllerverbots. Meinungsumfragen werden in Auftrag gegeben, aufgeheizte Debatten, wo man nur hinklickt. Und in den sozialen Medien fallen die vernichtenden Urteile: Wer für ein Böllerverbot ist, gilt schnell als woker Stadt-Veganer, wer dagegen ist als hinterwäldlerische Umweltsau. Dieser Film ist ein Kompromiss-Vorschlag, denn CO2 und Feinstaub, die das Team bei den Dreharbeiten zu „Rambo“ in den Äther geblasen haben, lassen sich sowieso nicht mehr aus der Atmosphäre filtern. Der Vorschlag: Statt selbst Knaller zu zünden, kann man dieses Silvester John Rambo beim Ballern zusehen – und wann, wenn nicht zum Jahreswechsel, sollte man sich diesen, nach „Rocky“, zweitbesten Film mit Hauptdarsteller Stallone anschauen? Wie heißt es schließlich so schön? Sylvester steht vor der Tür!

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Ein Film für Neujahrsvorsätze: „Besser geht’s nicht“

Neujahrsvorsätze gehören zu Silvester wie der Pogo zum Punkrock. Meistens allerdings klingen die guten Vorsätze eher wie aus einer neoliberalen Mindset-Bibel zur Selbstoptimierung: Weniger Alkohol, mehr Sport, gesündere Ernährung, mehr Lesen, etc. Es geht häufig nur um individuelle Anpassungen, seltener dagegen um das Zwischenmenschliche. Ok, vielleicht wünscht sich manch einer noch Zeit für Freunde und Familie, aber auch hier steht meistens das „Ich“ im Zentrum. Der Filmklassiker „Besser geht’s nicht“ von James L. Brooks mit Jack Nicholson und Helen Hunt zeigt, worauf es eigentlich ankommt. Nicholson spielt einen Menschenfeind, der sich in eine alleinerziehende Kellnerin verliebt und so seine Menschlichkeit wiederentdeckt. In Zeiten, in denen die Gesellschaft sich mehr und mehr spaltet, in denen das gute Miteinander ins Wanken gerät, ist „Besser geht’s nicht“ der Film zur Stunde, der besser nicht geht.

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Party Hard: „Der Rausch“

An Silvester will es selbst der größte Spießer einmal richtig krachen lassen. Das kann lustig sein, aber auch zu alkoholbedingten Zerwürfnissen führen oder im schlimmsten Fall im Krankenhaus enden. Noch immer ist die größte Ursache für Probleme in den Notaufnahmen zum Jahreswechsel: Alkohol. Der dänische Spielfilm „Der Rausch“ von Thomas Winterberg ist der perfekte Partyfilm, weil er die Licht- und Schattenseiten des Alkoholkonsums aufgreift wie kein Zweiter. Vier Lehrer in der Midlifecrisis entscheiden sich in „Der Rausch“ für ein soziales Experiment. Sie wollen die These des norwegischen Psychiaters Finn Skaderud testen, nach der Menschen prinzipiell mit einem Blutalkoholdefizit von 0,5 Promille auf die Welt kommen. Was folgt, ist ein Rausch mit allen Höhen und Tiefen. Zunächst bringen es die Lehrer zum vielleicht besten Unterricht, den sie je gegeben haben. Doch schon bald beginnt die Abwärtsspirale, weil sie ständig betrunken sind und ihren Alkoholkonsum nicht mehr kontrollieren können. Bis zum Ende gelingt es dem Film, der im dänischen den Originaltitel „Saufen“ trägt, dabei, Alkohol weder zu verteufeln noch zu glorifizieren. „Der Rausch“ mit seinem fabelhaften Hauptdarsteller Mads Mikkelsen ist aufgrund seiner Grautöne das perfekte Vorglühen für die Silvesterparty.

Derzeit in der ARD Mediathek (bis 10.01.2024) und bei Amazon Prime zu sehen oder bei anderen Streaming-Anbietern zu leihen.

Zeitreise-Thriller: „Donnie Darko“

Zum Schluss nochmal die Zeit. Eigentlich kann man diesen Film nicht erklären, man muss ihn gesehen haben. Vielleicht so viel: „Donnie Darko“ ist ein Film, der sich gegen eindimensionale und platte Lebensdeutungen, Bigotterie und Geistlosigkeit stellt. Aus einer Zeit, in der Zeitreisen im Kino noch cool und kreativ erzählt wurden. Zum Jahresende neigen viele schließlich dazu, das Vergangene zu reflektieren und dem Erlebten einen Sinn zu geben. Welche roten Fäden zogen sich durch das letzte Jahr? Das Film-Debut des Regisseurs Richard Kelly mit Jack Gyllenhaal und Drew Barrymore weist all das zurück und basiert, wenn man so will, auf gegenteiligen Annahmen. Als „Donnie Darko 2001 im Kino erschien, war er noch ein Flop. Doch mittlerweile hat sich der Underground-Film eine gewaltige Fangemeinde aufgebaut, die bis heute um mögliche Interpretationen des Sci-Fi-Thrillers ringt. Auch weil er genau das zeigt: Nicht alles Erlebte muss immer Sinn ergeben. Und Interpretationen des Vergangenen hängen immer auch mit dem Auge des Betrachters zusammenhängen. Eine Filmperle, die man mindestens einmal gesehen haben sollte. Und nichts eignet sich dafür besser als das Jahresende. Frohes Neues!

Derzeit bei MOVIECULT, MagentaTV und ARTHAUS+ zu sehen oder bei anderen Streaming-Anbietern zu leihen.