BBQ, Chai Society & Realiäter*innen Diese drei Podcasts zeigen Perspektiven, die in Deutschland bisher gefehlt haben
In Zeiten von rechtsextremistischen Terror sind Themen wie Identität und Zugehörigkeit besonders wichtig. In diesem Jahr sind drei neue deutsche Podcasts erschienen, die sich diesen Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln annehmen.
"Yo Dominik, ey Zuher… was geht? Sag mal hast du Bock auf Barbecue? Uuuh yeah!" - So beginnt der BBQ- Podcast (Barbecue, Black, Brown and Queer) von dem Netz-Aktivisten Zuher Jazmati und dem Partyveranstalter Dominik Djialeu. Sie sind zwei schwule deutsche Männer, die gleichzeitig von Rassismus betroffen sind. Einer ist schwarz, der andere arabisch.
"Wenn man sich die deutsche Medienlandschaft anguckt, gibt es natürlich auch queere People of Color und Schwarze Menschen die hauptsächlich bei den privaten Sendern stattfinden", erzählt Djaleu, der auch unter seinem DJ-Alias 'Tchuani' bekannt ist. "Allerdings erfüllen die meist dieselbe Funktion. Und zwar die des Entertainments. Es gibt wenig BIPoC-Stimmen, die tatsächlich Sachen wie Rassismus und Homophobie ansprechen und es ist wichtig, dass sich das im Jahr 2020 mal verändert."
BBQ - Queer & Islam, das geht!
In ihrem Podcast behandeln Jazmati und Djaleu deshalb genau das: Von ihnen bislang vermisste Themen wie beispielsweise die mangelnde Repräsentanz von queeren Hip-Hop-Stars in der Welt des Deutschraps, oder heikle Themen wie Sexarbeit oder Verbindungen von muslimischen Communitys mit der schwul-lesbischen Szene. "Diese wachsende Solidarität und die steigende Zahl an muslimisch-queeren Zusammenschlüssen, Menschen, die sich offen zeigen untergräbt quasi den Gedanken, dass Queerness und Islam sich gegenseitig ausschließen", meint Djaleu dazu.
Bislang waren alle Gesprächspartnerinnen Frauen. Einen voyeuristischen Blick auf die schwulen, nicht-weißen Lebensrealitäten der beiden Hosts bedienen sie leider noch nicht - was schade ist. Geschichten von schief-gegangenen Sex-Dates oder Anekdoten von homophoben Familienmitgliedern bleiben aus, wären aber mindestens genauso – wenn nicht noch spannender für das Publikum, dass sie ansprechen wollen.
Private Storys - Interkulturelles Dating
Umso mehr private Storys gibt es in der Umkehr aber zu Hauf bei dem Podcast Chai Society von den öffentlich-rechtlichen Kolleg*innen von Radio Bremen. Die beiden Journalistinnen Refiye Ellek und Soraya Öztekin geben sich sehr nahbar, beim Hören fühlt man sich, als würde man mit ihnen auf der Couch sitzen. Zur "Chai Society" gehören alle Menschen der Zitat "Blutgruppe Tee" - also irgendwo mit Wurzeln in Nordafrika, dem Balkan, nach Nahost bis in den indischen Subkontinent.
Refiye Ellek und Soraya Öztekin klagen weniger die weiße Mehrheitsgesellschaft an, sondern arbeiten sich an den eigenen Communitys ab. Es geht um die eine türkische Tante, die immer was zu meckern hat oder engstirnige arabische Eltern, die ja keinen Kurden, Afghanen oder noch schlimmer: einen Weißen Deutschen, für die Kinder wollen, wie beispielsweise in einer Folge über interkulturelles Dating.
Chai Society - Erzählen, wie es ist, hier als BIPoC aufzuwachsen
Chai Society ist tatsächlich der erste öffentlich-rechtliche Podcast, der sich zielgruppentechnisch explizit an ethnische Minderheiten in diesem Land richtet. Darüber ist sogar Soraya Öztekin überrascht, wie sie uns erzählt: "Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie Refiye mit der Idee um die Ecke kam und ich mir dachte: 'Cool, ja. Spaß machen würde das, aber als ob es sowas nicht schon gibt?!'. Das zeigt, dass egal ist wer es macht, sondern dass es wichtig ist, dass es überhaupt jemand macht. Dass Leute aus unseren Communitys, die aussehen wie wir, die so aufgewachsen sind wie wir einen Raum haben, wo sie sich austauschen können und eine Plattform haben wo auch Alltagsgespräche entstehen und sie den Raum haben zu erzählen, wie es ist, hier als BIPoC aufzuwachsen."
BIPoC steht für Black, Indigenous, und People of Color – grob also: Menschen die nicht weiß sind, ergo Erfahrungen mit Rassismus machen. Als solche BIPoC identifizieren sich auch Gizem Adiyaman und Lúcia Luciano. Sie sind die Betreiberinnen des Podcasts Realitäter*innen. Eine Partnerschaft mit dem Streaming-Giganten Spotify. Lúcia und Gizem sind bereits erfolgreiche DJs und durch einen Party-Gig entstand auch die Verbindung zwischen Ihnen.
Realitäter*innen - Themen wie Sexarbeit oder toxische Männlichkeit
Ähnlich wie BBQ, haben sie oft sehr harte bildungspolitische Themen wie eben auch Sexarbeit, toxische Männlichkeit, intersektionaler Feminismus oder Oberflächlichkeit auf Dating-Apps. Zu letzterem Thema hatten sie beispielsweise Hengameh Yaghoobifarah zu Gast, Redakteur*in beim Missy Magazin, die in einer Folge über ihre Erfahrungen in disem Bereich berichtet.
Dabei versuchen sie immer leicht verständlich zu sein und vermitteln große Thema sehr locker - was auch Gizems beruflichen Background geschuldet ist, wie sie berichtet: "Ich komme aus der Jugendbildungsarbeit. So war ich auch immer dazu angehalten, einen Zugang zu diesen Themen zu finden, der nicht zu akademisch oder zu elitär ist." Mit Geschichten aus dem eigenen Leben halten sich die beiden DJs, ähnlich wie das BBQ-Duo, eher bedeckt. Es sind vor allem die hochkarätigen Gäste, die zitierfähige Anekdoten und messerscharfe Analysen liefern.
Die Macharten und Perspektiven der drei Podcasts sind sehr unterschiedlich - doch in puncto Sichtbarkeit sind sich alle Podcaster*innen einig:
Gizem Adiyaman: "In Zeiten von Hanau, in Zeiten von zunehmendem Rechtspopulismus ist es super wichtig, dass wir alle zu uns, zu unseren Identitäten stehen, dass wir das offen thematisieren, gerade wenn manchen von uns die Menschlichkeit abgesprochen wird."
Dominik Djaleu: "Wir wünschen uns, dass wir gerade junge, queere Leute, die vielleicht noch unsicher sind mit gewissen Dingen, abholen können und begeistern können und für die eben das sein können, was wir, als wir jung waren, gebraucht hätten: eine Plattform, bei der wir uns gesehen und verstanden fühlen."
Soraya Öztekin: "Und wir gehören hier her. Also, dass wir nicht diesen Clash haben, nicht irgendwo hinzugehören. Dass alle wissen: Wir sind 'Made in Germany', wir gehören hierher und wir machen dieses Land zu etwas Besonderem."