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Klimawandel im Kalender Die Jahreszeiten verschieben sich

Die Erderwärmung bringt die Jahreszeiten in Bewegung. In den vergangenen fünf Jahrzehnten begannen Frühling, Sommer und Herbst bei uns immer früher. Das bedeutet: Der Winter wird immer kürzer.

Stand: 27.07.2021

Die Jahreszeiten verändern sich aufgrund des Klimawandels.  | Bild: colourbox.com; Montage:BR

Die Erderwärmung durch den Klimawandel wirkt sich auf Tiere und Pflanzen aus und damit auf die phänologischen Jahreszeiten: Ob Hasel, Kirsche oder Apfel - immer früher blüht es, immer eher beginnt der Frühling. Das ist in ganz Deutschland feststellbar, aber auch in vielen anderen Regionen der Welt. Die Jahreszeiten selbst verschieben sich: In den vergangenen fünf Jahrzehnten begannen Frühling, Sommer und Herbst bei uns immer früher, und der Winter wird immer kürzer.

Weltweit blühen die Pflanzen früher

Japanisches Kirschblütenfest immer früher

Japanische Kirschblüte

Weltweit blühen Pflanzen immer früher und führen uns nach Ansicht von Botanikern dergestalt den Klimawandel vor Augen. Seit Jahrzehnten etwa beginnt die japanische Kirschblüte immer früher. An kaum einer Pflanze lässt sich die Veränderung der phänologischen Jahreszeiten so gut feststellen wie an der Japanischen Kirsche. Denn das Kirschblütenfest wird seit über tausend Jahren ausführlich dokumentiert. 2021 erreichte die Kirschblüte in Kyoto am 26. März ihren Höhepunkt - so früh wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 812.

Apfelblüte in Bayern: Alle zehn Jahre vier Tage eher dran

Immer frühere Apfelblüte in Bayern

Nicht ganz so lange wie die der japanischen Kirschblüte sind die Aufzeichnungen der Apfelblüte in Bayern. Aber auch hier ist der Trend seit einiger Zeit recht klar: Apfelbäume blühen in Bayern immer früher. Zwischen 1990 und 2019 im Mittel waren sie etwa alle zehn Jahre vier Tage eher dran. In den Jahren und Jahrzehnten zuvor war dieser Trend noch nocht so klar zu erkennen gewesen.

Nordhalbkugel: 80 Prozent der Pflanzen in Eile

Vierkantige Schuppenheide

Eine Studie der Universität Jena vom Februar 2018 zeigt, dass es die meisten Pflanzen auf der Nordhalbkugel inzwischen eilig haben mit der ersten Blüte im Frühjahr: Die Botanikerin Patrizia König wertete Daten verschiedener Studien von 18 Standorten in Europa und Nordamerika aus. Das Ergebnis ist deutlich: 80 Prozent der 550 untersuchten Pflanzenarten blühen heute früher als noch vor zehn Jahren. Jede zehnte Pflanze ist dabei heute sogar um mehr als fünf Tage früher dran als vor einem Jahrzehnt. Spitzenreiter unter den Früher-Blühern ist die Vierkantige Schuppenheide, ein Heidekrautgewächs aus der nördlichen Polarregion. Er blüht inzwischen ganze drei Wochen früher als noch vor einem Jahrzehnt.

Blüten in Deutschland unter Beobachtung

Die Veränderung der phänologischen Jahreszeit wird bei uns ganz genau beobachtet: Ehrenamtliche Mitarbeiter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) überwachen seit 1951, wie sich bestimmte Pflanzen im Laufe des Jahres entwickeln. Wenn zum Beispiel an einem bestimmten Ort die Haselnuss zu blühen beginnt, melden dies Beobachterinnen und Beobachter an den DWD. Deutschlandweit existiert ein Grundnetz aus rund 1050 aktiven so genannten phänologischen Beobachtungsstationen (Stand: 2020).

Phänologie: Jahreszeiten im Wandel

Mehr als drei Wochen früher Frühling

Haselblüte: drei Wochen eher im Jahr

Die Haselnussblüte gilt als Zeichen des Frühlingsbeginns. Insgesamt zeigt sich, dass die Haselnuss immer früher blüht, meldete das Bayerische Landesamt für Umwelt bereits 2014. Im Auswertungszeitraum von 1961 bis 2010 tat sie dies pro Dekade durchschnittlich 4,6 Tage eher. Im Laufe von fünfzig Jahren wanderte so der phänologische Frühlingsbeginn um 23 Tage nach vorne. Über einen Zeitraum von 1992 bis einschließlich 2020 begann die Haselnussblüte durchschnittlich am 20. Februar.

Der Holunder meldet eher Sommer ...

Die Holunderblüte leitet den Sommerbeginn ein. Auch beim Holunder gab es eine große Bandbreite im Kalender, wann die Blüte begann. Statistisch zeigt sich die Holunderblüte aber pro Jahrzehnt um 3,4 Tage früher. Insgesamt rutschte die Holunderblüte zwischen 1961 und 2010 um 17 Tage nach vorn.

... und früher Herbst

Schwarzer Holunder

Die Fruchtreife des Schwarzen Holunders ist für Phänologen das Zeichen, dass der Herbst beginnt. Zwischen den einzelnen Jahren gab es beim Termin große Schwankungen, so wie auch bei den Blühzeiten von Haselnuss und Holunder. Der Trend ist aber auch hier eindeutig. Der Holunder ist heute im Durchschnitt 18 Tage früher reif als vor fünfzig Jahren. Pro Jahrzehnt rutschte der Termin um 3,6 Tage nach vorn. In den Jahren 1992 bis einschließlich 2020 war die Fruchtreife des Schwarzen Holunder im Mittel am 22. August erreicht.

Keine Verschiebung bei Spätherbst und Winter

Stieleiche

Wenn sich die Blätter der Stieleiche verfärben, beginnt der Spätherbst. Die Vegetation ruht und ist bereit für den Winter. Im Unterschied zu den Zeichen für den Beginn Frühling, Sommer und Herbst ließ sich an der Verfärbung der Blätter der Stieleiche kein Trend zur Terminverschiebung beim Spätherbst ablesen.

Frühling, Sommer und Herbst beginnen dank Klimawandel früher

Die phänologische Uhr für Deutschland

Die Auswertung zeigt: In den beobachteten Jahren hat sich die Entwicklung der Pflanzen im Lauf der Jahreszeiten deutlich verändert: Frühling, Sommer und Herbst beginnen immer früher. Die phänologischen Uhren machen dies deutlich: Während der äußere Ring klimatische Referenzperioden der letzten Jahre zusammenfasst, zeigt der innere Ring die Länge der Jahreszeiten aus dem Jahr 2020. Innerer Ring und äußerer Ring sind verschoben. Besonders deutlich wird dies beim Vorfrühling, der durch die Haselblüte angezeigt wird.

Erderwärmung lässt Winterzeit schmelzen

Wenn Frühling, Sommer und Herbst früher einsetzen, der Winter aber nicht, heißt das: Die kalte Jahreszeit wird immer kürzer, die Vegetationperiode von Frühlingsbeginn bis Vegetationsruhe hingegen immer länger. Laut dem Deutschen Wetterdienst DWD ist sie in den dreißig Jahren von 1991 bis 2019 im Schnitt um 18 Tage länger als im Durchschnitt der dreißig Jahre davor. Das bedeutet: Der Winter ist inzwischen durchschnittlich um fast drei Wochen kürzer.

Klimawandel und Jahreszeiten: Ein halbes Jahr lang Sommer?

Birke im Wandel der Jahreszeiten

Inwiefern der Klimawandel die Jahreszeiten auf der Nordhalbkugel verändert, haben Forschende um Jiamin Wang von der Lanzhou Universität in China im Jahr 2021 untersucht. Dafür analysierten sie Daten aus dem Zeitraum von 1952 bis 2011 für die mittleren Breiten. Laut der Studie haben sich in dieser Zeit die Jahreszeiten deutlich verschoben. Der Sommer verlängerte sich von 78 auf 95 Tage. Durchschnittlich hat sich der Sommer pro Jahrzehnt um 4,2 Tage verlängert. Außerdem beginnt er heute 2,5 Tage früher. Frühjahr, Herbst und Winter verkürzen sich hingegen: Dauerte der Frühling im Jahr 1952 durchschnittlich noch 124 Tage, waren es 2011 nur noch 115 Tage.

Eine Vorhersage für die Zukunft machen die Forschenden ebenfalls: Setzt sich der menschengemachte Klimawandel ungebremst fort, könnte der Sommer im Jahr 2100 durchschnittlich fast ein halbes Jahr lang dauern - und der Winter nur noch weniger als zwei Monate.

Vom Klimawandel verschobene Jahreszeiten haben fatale Konsquenzen

Die Verschiebung der Jahreszeiten hat beträchtliche Folgen. So haben Forschende der ETH Zürich im August 2018 festgestellt, dass mit einem warmen Frühjahr das Risiko für Frostschäden bei Bäumen und Büschen steigen kann. Die Pflanzen treiben nämlich früher aus und sind so vor überraschender Kälte im späten Frühjahr schlechter geschützt. Auffällig war das zum Beispiel im April 2017. Besonders empfindlich sind Pflanzen, die in einer Höhe ab 1.100 Meter wachsen, zum Beispiel Lärchen.

Tiere und Pflanzen bekommen den Klimawandel zu spüren

Die frühe Wärme bringt Tier- und Pflanzenwelt in vielfältiger Weise durcheinander: Blüten werden nicht bestäubt, wenn die Insekten, die dafür zuständig sind, noch nicht geschlüpft sind. Oder diese verhungern, weil die Pflanzen, die sie als Nahrung nach dem Schlüpfen brauchen, nicht mehr oder noch nicht wachsen. Auch Zugvögeln kann es passieren, dass sie bei ihrer Rückkehr aus dem Süden nicht die Nahrung finden, die sie brauchen. Tiere, die im Winter ein weißes Fell bekommen, sind, wenn der Schnee ausbleibt, gefährdet statt geschützt. Und auch für den Menschen hat es Folgen, wenn die Winter kürzer und wärmer werden: Krankheitserreger und Schädlinge, die hier bislang nicht heimisch waren, können überleben und sich ausbreiten.