BR24 - Aus Landwirtschaft und Umwelt

Klimawandel in Deutschland Längst bei uns angekommen

Der Klimawandel betrifft nicht nur die Eisbären in der Arktis. Er findet auch vor unserer eigenen Haustür statt. Die Gletscher, Tiere und Pflanzen in Deutschland bekommen die Folgen der Erwärmung zu spüren. Wir selbst auch.

Von: Heike Westram

Stand: 26.09.2022

Vertrocknete Sonnenblumen stehen in der Sonne auf einem Feld. In Deutschland ist der Klimawandel längst messbar angekommen. | Bild: dpa-Bildfunk/Sven Hoppe

Schon klar: Ein Supersommer wie in diesem Jahr (oder 2019 oder 2018) macht noch keinen Klimawandel. Aber wenn Jahr für Jahr die Sommer wärmer sind als früher, kommt man nicht nur ins Schwitzen, sondern auch ins Grübeln.

Und ein verregneter Sommer zwischendurch ist auch kein Hinweis, dass sich das Klima doch noch nicht so stark geändert hat - gerade Extremwetter-Ereignisse wie Starkregen werden durch den Klimawandel noch häufiger werden. Und es sind nicht nur die Sommer, sondern vor allem die anderen drei Jahreszeiten, die inzwischen jährlich Temperaturrekorde brechen, insbesondere zu warme Winter.

"Wir erleben die letzten Jahre eine Häufung klimatologischer Rekorde, die sich in der Summe nur mit dem Klimawandel erklären lassen. Mit diesen Rekorden nehmen aber auch Extremereignisse zu, welche direkt oder indirekt uns alle betreffen. Für die Zukunft erwarten wir eine weitere Zunahme solcher Extremereignisse."

Dr. Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes im Mai 2018

In Deutschland steigen die Temperaturen

Klimawandel: Wie plausibel 1,5-Grad-Ziel? Ohne sozialen Wandel geht nichts

Im gesamten Jahresdurchschnitt sind die Temperaturen in Deutschland bereits um anderthalb Grad gestiegen - verglichen mit den langjährigen Durchschnittstemperaturen vor Beginn dieses Jahrtausends: Um 1,6 Grad höher ist inzwischen die Lufttemperatur im Jahresmittel, im Vergleich der Wetterdaten von 1881 bis 2021. Das ist mehr als der weltweite durchschnittliche Anstieg der Temperaturen, der "nur" bei einem Grad liegt.

Anderthalb Grad mit vielen Folgen

Anderthalb Grad, das klingt zunächst nicht viel, bringt aber schon jetzt deutlich messbare Veränderungen mit sich. Skifahrer bekommen das in einigen Regionen bereits zu spüren, denn es ist vor allem in den Wintermonaten wärmer geworden. Die fünf deutschen Gletscher sind seit Jahren im Schwinden begriffen und könnten bald ganz Geschichte sein. Und die Jahreszeiten haben sich schon verschoben. Das Wetter variiert im ganzen Jahr stärker als früher und Extremwetter-Ereignisse wie Stürme, Starkregen, aber auch Dürreperioden haben merklich zugenommen.

Temperaturrekorde weltweit

2022 : Wetterkatastrophen in Pakistan und Afrika

Laut der Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization, WMO) zählt das Jahr 2022, wie die vergangenen acht Jahre, zu den wärmsten seit Auszeichnungsbeginn. Obwohl die globalen Temperaturen durch das Wetterphänomen El Niña in den vergangenen drei Jahren leicht zurückgingen, erwartet die WMO für 2023 weitere Hitzewellen und einen anhaltenden Trend zur Erwärmung. 2022 kam es wie in den Vorjahren zu Extremwetter-Ereignissen: Ein Drittel Pakistans wurde überflutet und Regionen in Afrika litten unter Hitzewellen und Dürren.

Die WMO wies darauf hin, dass Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und Frühwarnsysteme zur Vorhersage von Extremwetter immer wichtiger werden, um Menschenleben und Infrastrukturen zu schützen - zusätzlich dazu, dass die Staaten den Ausstoß von CO2 weiter reduzieren müssen.

2021 eines der sieben wärmsten Jahre seit Aufzeichnung

Das Jahr 2021 war laut der Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization, WMO) eines der sieben wärmsten Jahre seit der Aufzeichnung der Wetterdaten. Trotz des Wetterphänomens La Niña von 2020 bis 2022, das kühlend wirkt und die globale Durchschnittstemperatur kurzzeitig senkt, reiht sich 2021 in die Negativ-Rekordliste ein, nachdem 2020 das zweitheißeste Jahr überhaupt war.

Dürre in Kalifornien

Somit lag die globale Durchschnittstemperatur etwa 1,11 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau von 1850 bis 1900. Das Rekordjahr bisher ist 2016 mit einem Plus von 1,2 Grad Celsius. Die sieben wärmsten Jahre fanden alle seit 2015 statt - alle lagen mindestens ein Grad über dem vorindustriellen Niveau. Und die WMO befürchtet, dass sich die globale Erwärmung und andere langfristige Trends des Klimawandels wegen der rekordhohen Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre, die die Wärmestrahlung absorbieren, fortsetzen.

Rekordtemperaturen von fast 50 Grad trotz La Niña

Bereits seit 1980 war jedes Jahrzehnt wärmer als das davor. Dieser Trend setzt sich fort, die Unterschiede zwischen den Jahren seit 2015 sind teilweise marginal. 2016, 2019 und 2020 zählen als die wärmsten. 2016 vor allem wegen des Wetterphänomens El Niño, das die globalen Durchschnittstemperaturen auf ein Rekordhoch hat steigen lassen. Durch La Niña wurde die Erwärmung 2021 als weniger schlimm erwartet - dennoch war das Jahr wärmer als andere Jahre mit dem gleichen Phänomen, wie beispielsweise 2011.

"Das Jahr 2021 wird mit Rekord-Temperaturen von fast 50 Grad Celsius in Kanada in Erinnerung bleiben, die vergleichbar sind mit den Werten, die in der Sahara in Algerien aufgezeichnet wurden, den außergewöhnlichen Regenfällen und tödlichen Fluten in Asien und Europa, aber auch den Dürren in Teilen von Afrika und Südamerika. Die Folgen des Klimawandels und wetterbedingte Gefahrenlagen haben lebensverändernde und verheerende Folgen für die Menschen auf jedem Kontinent gehabt", erinnert WMO-Generalsekretär Petteri Taalas.

Wichtig bleibt dabei: Die Temperatur ist nur ein Indikator des Klimawandels. Weitere sind Treibhausgaskonzentrationen, der Wärmegehalt und pH-Wert der Weltmeere, der globale mittlere Meeresspiegel, Gletschermasse und die Ausdehnung des Meereises.

Beispiele von weltweiten Extremereignissen 2021 - I

Die Zusammenfassung der WMO, die die Daten von Januar bis September 2021 berücksichtigt, nennt viele Beispiele für Wetterextreme, darunter:

  • Am 14. August regnete es mehrere Stunden lang auf dem Gipfel vom Grönländischen Eisschild - auf 3.216 Metern Höhe. Die Temperaturen blieben über neun Stunden lang über dem Gefrierpunkt. Seit Aufzeichnung der Wetterdaten hat es niemals zuvor auf dem Gipfel geregnet.
  • Im Juni und Juli brachen mehrere Hitzewellen im westlichen Nordamerika die Rekorde der Wetterstationen - bei teilweise vier bis sechs Grad Celsius über dem bisherigen Rekord. Hunderte Menschen starben. In Lytton im kanadischen British Columbia wurden am 29. Juni 49,6 Grad Celsius gemessen - das sind 4,6 Grad Celsius mehr als der bisherige Rekord. Am nächsten Tag wurden große Teile der Gemeinde durch einen Brand zerstört.
  • Auch im Südwesten der USA gab es mehrere Hitzewellen. Im Death Valley in Kalifornien wurden am 9. Juli 54,4 Grad Celsius gemessen - ein ähnlicher Wert wie 2020 und damit weltweiter Rekord seit den 1930er Jahren. Insgesamt war es der heißeste Sommer des US-amerikanischen Festlands seit Aufzeichnungsbeginn.
  • Vor dem Mittelmeerraum machte die extreme Hitze ebenfalls nicht Halt: Am 11. August maß eine Wetterstation auf Sizilien 48,8 Grad Celsius, was einen vorläufigen Rekord in Europa darstellte. In Kairouan in Tunesien wurden gleichzeitig 50,3 Grad Celsius erreicht. Drei Tage später wurde ein neuer spanischer Rekord mit 47,4 Grad Celsius in Montoro gemessen. Auch Madrid verzeichnete am 14. August mit 42,7 Grad Celsius den heißesten Tag seit Aufzeichnungsbeginn.

Beispiele von weltweiten Extremereignissen 2021 - II

  • 2021 gab es diverse verheerende Waldbrände: Am 13. Juli begann das Dixie Fire im nördlichen Kalifornien und brannte bis zum 7. Oktober etwa 390.000 Hektar (3.900 Quadratkilometer) Land nieder. Der größte einzelne Waldbrand in der Geschichte Kaliforniens.
  • Am 20. Juli wurde in der Türkei ein neuer Rekord mit 49,1 Grad Celsius in Cizre verzeichnet und im georgischen Tiflis wurde eine Rekordtemperatur von 40,6 Grad Celsius gemessen. Gleichzeitig wüteten in der Region große Waldbrände. Algerien, der Süden der Türkei und Griechenland waren am schlimmsten betroffen.
  • Ungewöhnlich kalt wurde es dagegen Mitte Februar in der Mitte der USA und im Norden von Mexiko. Die größten Auswirkungen waren in Texas zu spüren - mit den niedrigsten Temperaturen seit 1989. Auch in vielen Teilen Europas wurde es Anfang April nochmal sehr kalt für Frühling. In Deutschland war er mit 6,1 Grad Celsius der kälteste April seit 40 Jahren.
  • Die chinesische Provinz Henan dagegen litt vom 17. bis 21. Juli unter starken Regenfällen. Die Stadt Zhengzhou stellte mit 201,9 Millimeter Regen pro Stunde einen neuen chinesischen Rekord auf. In sechs Stunden waren es 382 Millimeter und insgesamt 720 Millimeter. Das ist mehr als der Durchschnitt des gesamten Jahres. Durch Sturzfluten kamen mindestens 302 Menschen ums Leben. Der wirtschaftliche Schaden beziffert sich auf 17,7 Milliarden US-Dollar.
  • Mitte Juli gab es auch im Westen Europas eine der schlimmsten Flutkatastrophen seit Aufzeichnung.

Beispiele von weltweiten Extremereignissen 2021 - III

  • Im Westen von Deutschland und Osten von Belgien fielen vom 14. auf den 15. Juli 100 bis 150 Millimeter Niederschlag über eine große Fläche verteilt. Allerdings waren die Böden bereits gesättigt, weshalb es zu Überschwemmungen und Erdrutschen kam, bei denen mehr als 200 Menschen starben. Der höchste Niederschlag am Tag wurde mit 162,4 Millimetern in Wipperfürth-Gardenau gemessen.
  • Im ersten Halbjahr fiel konstant mehr Niederschlag in Teilen des nördlichen Südamerikas als durchschnittlich, vor allem im nördlichen Amazonas Becken, was zu erheblichen und langanhaltenden Überschwemmungen führte. So erreichte der Rio Negro im brasilianischen Manaus einen Höchststand. Auch im Osten Afrikas brachten Überflutungen verheerende Folgen mit sich, vor allem im Südsudan.
  • Im subtropischen Südamerika hatten die Menschen vor allem mit Dürre zu kämpfen - im zweiten Jahr in Folge. Im südlichen Brasilien, Paraguay, Uruguay und im Norden von Argentinien gab es viel weniger Regen als üblich. Die Trockenheit führte zu enormen landwirtschaftlichen Verlusten, die durch einen Kälteeinbruch Ende Juli noch verschärft wurden: Viele Kaffeeanbau-Regionen in Brasilien wurden dadurch beschädigt. Niedrige Flusspegel wirkten sich negativ auf die Produktion von Wasserkraft aus und störten den Flusstransport.
  • Die 20 Monate von Januar 2020 bis August 2021 zählen zu den trockensten im Südwesten der USA - mit mehr als zehn Prozent unter dem bisherigen Rekord. Der Weizen- und Rapsanbau in Kanada wird 2021 voraussichtlich 30 bis 40 Prozent unter dem Wert von 2020 liegen. In Teilen von Madagaskar führte die Dürre zu einer Unterernährungskrise.

Klimawandel heizt der Welt ein

Weltweit sind die Temperaturen merklich gestiegen, seit 1880 mit den Wetteraufzeichnungen begonnen wurde. Diese Animation zeigt die Entwicklung von 1880 bis 2015, dargestellt immer als globale Abweichung der 5-Jahres-Mittel vom Mittelwert der Jahre 1951 bis 1980. Blaue Farben zeigen, hier war es im fünfjährigen Durchschnitt kühler als im Referenzzeitraum, rote Farben zeigen höhere Temperaturen als in der Vergleichsperiode.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Global Warming from 1880 to 2021 | Bild: NASA Climate Change (via YouTube)

Global Warming from 1880 to 2021

Mehr Wärme, mehr Dürre, aber auch mehr Regen

Höhere Temperaturen bedeuten aber nicht schöneres Wetter, im Gegenteil: Durch erhöhte Lufttemperaturen verdunstet mehr Wasser. Mancherorts häufen sich dadurch Dürreperioden, wie im Osten Deutschlands und im Norden Bayerns. Zugleich kann eine wärmere Atmosphäre auch immer mehr Wasserdampf aufnehmen: Mit jedem Grad Erwärmung kann die Atmosphäre sieben Prozent mehr Wasser speichern - und als Niederschlag wieder abgeben. Zugleich vergrößern höhere Lufttemperaturen auch das Gewitterrisiko. Extreme Wetterereignisse nehmen dadurch zu.

Klimawandel macht Tieren und Pflanzen zu schaffen

Die Tier- und Pflanzenwelt reagiert längst auf das veränderte Klima. Flora und Fauna in den Alpen sind besonders vom Klimawandel betroffen. Auch am Verhalten mancher Vögel lassen sich die Folgen des Klimawandels beobachten: Viele Zugvögel brechen im Herbst nicht mehr gen Süden auf. An Land- und Forstwirten gehen die Veränderungen ebenfalls nicht vorbei: Während wärmeliebende Pflanzen wie Mais und Zuckerrüben besser wachsen, solange es genügend Niederschläge gibt, und sich die Bauern über höhere Erträge freuen, nehmen auf der anderen Seite Schädlinge wie der Borkenkäfer zu. Bei warmen Temperaturen vermehrt er sich explosionsartig. Häufigere Dürren machen schon jetzt den Wäldern schwer zu schaffen - ein neues Waldsterben hat eingesetzt.

Ganze Ökosysteme durch die Erderwärmung bedroht


Die stetig steigenden Temperaturen in Deutschland betreffen aber nicht nur einzelne Tier- und Pflanzenarten, sondern ganze Ökosysteme - etwa Wälder, Seen oder Graslandschaften. Um den Anforderungen des Klimawandels begegnen zu können, erforschen Wissenschaftler nicht nur, welche Auswirkungen die Klimaerwärmung schon hat und zukünftig haben wird, sondern auch, wie unsere Ökosysteme und die heimische Artenvielfalt geschützt werden können.