Ökosysteme im Wandel Tiere und Pflanzen im Klimastress
Tiere und Pflanzen bekommen die Folgen des Klimawandels längst zu spüren. Experten fürchten, dass eine ganze Reihe von Arten durch die Klimaerwärmung aussterben könnten.
Den Eisbären in der Arktis schmilzt der Lebensraum unter den Tatzen weg, doch das sind nur die prominentesten Verlierer im Klimawandel. Denn der macht sich auf der ganzen Welt bemerkbar, auch bei uns in Deutschland. Jede einzelne Tier- und Pflanzenart muss reagieren. Denn jedes Grad Erwärmung hat Folgen.
Klimawandel steigert Pollenbelastung
Einen Effekt haben Sie vielleicht selbst schon bemerkt: Allergiker bekommen mehr Pollen ab, ihr Leiden intensiviert und verlängert sich häufig. Die milderen Temperaturen sorgen bei uns für eine ausgedehntere Pollenflugsaison, denn die Blütezeit bestimmter Pflanzen beginnt mitunter früher. Und nicht nur das: Ganz neue Pflanzenarten wie die Beifuß-Ambrosie werden bei uns heimisch, die immer häufiger Allergien hervorrufen. Zu allem Überfluß begünstiegt nicht nur der Anstieg der Temperatur, sondern auch die zunehmende CO2-Konzentration in der Luft die Pollenproduktion. Allergieauslösende Pflanzen schlagen also mehr und stärker aus.
Steigende Temperaturen quälen Pflanzen und Tiere
Die neuen Arten quälen allerdings nicht nur Allergiker, sondern auch die heimischen Pflanzen, die von ihnen verdrängt werden. Dabei leiden unsere Pflanzen und Tiere schon allein an den steigenden Temperaturen. Der Klimawandel hat deutliche Auswirkungen auf die biologische Vielfalt. Wissenschaftler schätzen, dass wir in den nächsten Jahrzehnten in Deutschland bis zu 30 Prozent unserer einheimischen Arten verlieren, weil sie sich nicht an die veränderten Umweltbedingungen anpassen können. Laut Bonner Rote-Liste-Zentrum (RLZ) ist ein Viertel der hiesigen Pflanzen-, Pilz- und Tierarten in seinem Bestand gefährdet. Das betrifft besonders kaltwasserliebende Fisch- und Krebsarten. Aber auch Arten, die feuchte Lebensräume brauchen, geraten in Bedrängnis, etwa die Gelbbauchunke und die Zwerglibelle. Jede zweite Amphibienart und mehr als zwei Drittel der Reptilienarten sind laut RLZ bestandsgefährdet. Bei allen Reptilien- und fast allen Amphibienarten sei der Bestand in den vergangenen 120 Jahren zurückgegangen.
Auswandern, um dem Klimawandel zu entkommen – doch wohin?
Wohin müssten Tiere ziehen, um sich den geänderten Klimabedingungen anzupassen? Dieser Frage sind Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen (FAU) zusammen mit Kollegen aus Australien, Großbritannien und den USA bereits 2014 nachgegangen. Doch eine einfache Antwort darauf fanden die Wissenschaftler nicht: Die Temperatur auf der Erde ist zwar im Durchschnitt bislang im Vergleich zum vorindustriellen Niveau um 1,0 Grad gestiegen - aber nicht in allen Regionen wurde es wärmer, in einigen sogar kälter.
Geschwindigkeit und Richtung der Klimaveränderung entscheidend
Die Forscher haben die globalen Klimadaten der vergangenen 50 Jahre untersucht. Dafür teilten sie die Erdoberfläche auf einer Karte in viele Quadrate auf und notierten für jedes Kästchen, wie sich die Temperatur dort entwickelt hat. Mit kleinen Pfeilen, sogenannten Klimavektoren, haben die Wissenschaftler zudem festgehalten, in welche Richtung und mit welcher Geschwindigkeit sich die Klimaregionen über Kontinente oder Ozeane bewegen. Die Forscher konnten nachweisen, dass Tiere und Pflanzen den klimatischen Veränderungen folgen. Es stellte sich heraus, dass für das Überleben der einzelnen Arten nicht so sehr die absolute Temperaturveränderung entscheidend ist, sondern die Geschwindigkeit und die Richtung der Klimaveränderung. Drei unterschiedliche Bereiche konnten die Wissenschaftler identifizieren:
Unterschiedliche Klimabereiche
Klimakorridore
Klimakorridore sind Gebiete, in denen die klimatischen Bedingungen aus verschiedenen angrenzenden Regionen zusammentreffen und sich schließlich in eine Richtung weiterbewegen. Ein Beispiel für eine solche Region ist Süddeutschland.
Klimaquellen
Klimaquellen sind Gebiete, in denen ein neues Klima entsteht, das es in angrenzenden Regionen nicht gibt. Viele Arten wandern aufgrund des neuen Klimas aus, aber keine neuen Arten zu. Die größte Klimaquelle lässt sich um den Äquator ausmachen. Die Temperaturen steigen an und zwingen viele Tiere zum Auswandern, doch neue Arten aus heißeren Gebieten können nicht zuwandern, da sie nicht direkt an die Äquatorgebiete grenzen.
Klimasenken
Klimasenken sind Regionen, in denen ein lokales Klima ganz verschwindet. Hier wird das Auswandern der Tiere durch natürliche Barrieren verhindert. Ein Beispiel hierfür sind Gebirge. Erwärmen sich die Temperaturen dauerhaft, können Tiere zunächst in höhere Regionen wandern. Doch irgendwann sind die Gipfel erreicht und eine Umkehr ins Tal aufgrund wärmerer Temperaturen nicht mehr möglich.
Komplexes System gerät ins Wanken
In Senken und Quellen ist laut der Forscher langfristig am ehesten mit einem Artensterben zu rechnen. Doch auch in den Korridoren könnte sich die Anzahl der Arten verändern. Denn das komplexe Zusammenspiel heimischer Arten wird durch die Zuwanderung der "Klima-Flüchtlinge" durcheinandergewürfelt. Den Forschern zufolge wird es dabei Gewinner und Verlierer geben.
Klimawandel verändert Lebesräume in Deutschland
In Süddeutschland sind laut Experten rund ein Drittel der heimischen Arten bedroht. Andererseits wird hier der veränderte Lebensraum für fremde Arten attraktiv, die mit heimischen Arten konkurrieren und sie verdrängen. So ziehen einige Schmetterlinge in den kühleren Norden, während manch tropischer Falter im Süden Deutschlands heimisch wird. Das gilt auch für ungeliebte Schädlinge wie den Eichenprozessionsspinner, der ursprünglich aus der Mittelmeerregion stammt und sich inzwischen in einigen Teilen Deutschlands pudelwohl fühlt.
Vögel wegen Klimawandel unter Zugzwang
Ganz deutlich zeigt sich der Klimawandel bei den Zugvögeln: Die verabschieden sich im Herbst später und kehren im Frühjahr eher zurück, der Weißstorch beispielsweise. Manche Vögel wie der Zilpzalp bleiben sogar den Winter über bei uns. Nur Gewinner? Von wegen! Der Kuckuck hat dadurch zum Beispiel ein kurioses Problem: Er bleibt weiterhin pünktlich bis April im warmen Süden. Doch wenn er zurückkommt, haben die anderen Vögel längst gebrütet. Für das ungeliebte Kuckucksei ist kein Platz mehr.
Pflanzen sind die großen Verlierer im Klimawandel
Während Vögel ihrem wandernden Lebensraum hinterherziehen können, haben es Pflanzen schwerer, sich an das sich ändernde Klima anzupassen. Insbesondere das sensible Ökosystem in der Bergwelt ist massiv bedroht, da die Frostgrenze immer weiter nach oben steigt. Auch der große Klimaschützer Wald leidet: Hitze und Trockenheit machen besonders der Fichte stark zu schaffen. Orkane kommen immer häufiger vor und fällen ganze Waldbestände. Schädlinge wie der Borkenkäfer breiten sich vermehrt aus. Manche Straßen werden wohl bald nicht mehr mit Ahornalleen gesäumt sein, denn sie verdursten buchstäblich. Stattdessen finden sich dort vielleicht bald Ginko und Gurkenmagnolie.
Pflanzen - vom CO2-Speicher zur -Quelle
Pflanzen spielen eine entscheidende Rolle im globalen Klimasystem: Sie nehmen das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) aus der Luft auf und verarbeiten jährlich 120 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, etwa ein Viertel des von Menschen gemachten Treibhausgases. Erst wenn die Pflanzen selbst verrotten, geben sie den Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre ab. Wie lang dieser Kreislauf dauert, haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts in Jena herausgefunden: Durchschnittlich ist das Kohlendioxid 23 Jahre in einer Pflanze gespeichert. Die Zahl variiert aber je nach Region sehr stark. In Tropenwäldern gelangt der Kohlenstoff nach 14 Jahren wieder in die Atmosphäre, oberhalb von 75 Grad nördlicher Breite nach durchschnittlich 255 Jahren. Das liegt an der Temperatur, aber auch am Niederschlag: Je wärmer es ist, umso schneller verrotten die Pflanzen. Die Mikroorganismen, die die Pflanzen zersetzen, brauchen aber auch Wasser für ihre Arbeit. Der große Einfluss des Niederschlags wurde bisher zu wenig berücksichtigt, sagen die Jenaer Forscher. Wie gut die Pflanzen CO2 zukünftig speichern, ist unsicher. Durch steigende Temperaturen könnten die Pflanzen und Böden verstärkt Kohlendioxid abgeben und so von einer Kohlenstoff-Senke zur -Quelle werden.