Münchner Abkommen Sudetendeutsche Wandlungen
Im 19. Jahrhundert nannte man die Deutschen im (heutigen) Tschechien zunächst Deutschböhmen; nach der Gründung der Tschechoslowakei dann oft Sudetendeutsche. Bei der Namensgebung orientierte man sich am Gebirgszug Sudeten, wo viele Deutsche lebten.
Beim Münchner Abkommen ging es - zumindest vordergründig - um die Sudetendeutschen. Woher stammt dieser Begriff? Eine kleine Einführung: Im 12. und 13. Jahrhundert wanderten Baiern, Franken, Obersachsen und Schlesier nach Böhmen und Mähren aus, wo man unter anderem ihre neuen Ackerbau-Techniken schätzte. Deutsches Handwerk und Kulturschaffen war dort fortan jahrhundertlang mitprägend.
Im 19. Jahrhundert - im Zuge des aufkommenden tschechischen Nationalismus - nannte man die Deutschen zunächst Deutschböhmen (Německé Čechy), später - vor allem nach der Gründung der Tschechoslowakei - Sudetendeutsche (Sudetští Nĕmci). Bei der Namensgebung orientierte man sich am Gebirgszug Sudeten (Sudety), wo viele Deutsche lebten.
Im Land der Vorfahren plötzlich Minderheit
Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs gehörten diese Gebiete zum Vielvölkergemisch der österreichisch-ungarischen Donaumonarchie. Die Situation änderte sich für die Sudetendeutschen schlagartig, als im Oktober 1918 der neue Staat Tschechoslowakei proklamiert wurde - inklusive der deutschen Siedlungsgebiete, die von tschechischen Truppen besetzt wurden. Die Mehrheit der Deutschen lehnte die Integration in den neuen Staat ab, Demonstrationen wurden von tschechischer Polizei zum Teil blutig niedergeschlagen.
Der Saint-Germain-Vertrag von 1919 bestätigte jedoch die nun bestehenden Verhältnisse. Die etwa 3,2 Millionen Deutschen behielten in ihren Siedlungsgebieten zwar die Majorität, waren im neuen Staat insgesamt aber nun Minderheit - neben Slowaken, Ungarn, Ukrainern oder Polen.
"Tschechisch lernen und deutsch bleiben!"
Die Sudetendeutschen bekamen ihren Minderheiten-Status rasch zu spüren. So wurde die Zahl der deutschen Abgeordneten im Parlament begrenzt, Beamte beklagten Benachteiligungen bei Beförderungen. Spannungen und Skepsis zwischen den Volksgruppen blieben nicht aus. Das drückte sich auch in einem Ratschlag des deutschen Gesandten von 1926 aus: "Tschechisch lernen und deutsch bleiben!"
Konstruktive und reaktionäre Fraktionen
Parteipolitisch reagierten die Deutschen auf die neue Situation sehr unterschiedlich. Sozialdemokraten und Christsoziale schlugen einen kooperativen Kurs ein und beteiligten sich an der tschechoslowakischen Regierung.
Deutsche Nationalpartei (DNP) und Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei (DNSAP) lehnten den neuen Staat dagegen strikt ab. Die rechtsextremistische DNSAP nahm bereits 1921 Kontakt zu Hitlers NSDAP auf und wurde Anfang der 1930er-Jahre quasi eine Art "Auslandsfiliale". Als Hitler 1933 an die Macht kam, verbot die tschechoslowakische Regierung DNP und DNSAP.
"Heim ins Reich!"
Deutsche Rechte organisierten ihre Opposition nun zunächst außerparlamentarisch. Im Mittelpunkt stand dabei Konrad Henlein. Der völkisch orientierte Turnlehrer gründete mit Anklängen an Hitlers Vokabular im Oktober 1933 die "Sudetendeutsche Heimatfront". 1935 wurde daraus die - zugelassene - Sudetendeutsche Partei (SdP). Sie war auf Anhieb erfolgreich, erhielt bei Wahlen zwei Drittel aller deutschen Stimmen und wurde wichtigster Gegenspieler der tschechoslowakischen Regierung.
Nicht alle SdP-Wähler waren glühende Nazis. Die Partei zog auch viele Frustrierte, von Arbeitslosigkeit besonders hart Getroffene an. Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise von 1929 dauerten im Sudetenland jahrelang an. 1936 waren dort immer noch 525.000 Deutsche ohne Job, mehr als in ganz Frankreich. Sie hatten Hitler-Deutschland vor Augen, wo die Arbeitslosenrate rasch gesunken war, und blickten mit entsprechenden Sympathien über die Grenze: "Im Reich ist alles besser", hieß deren Devise.