Aus dem Nähkästchen "Jeder bringt seinen eigenen Humor mit ein."
Seit 21 Jahren stehen Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl als Ermittler-Duo im Münchner Tatort vor der Kamera. 61 Folgen haben sie inzwischen zusammen abgedreht – und weil sie ein so einzigartiges Gespann sind, bekommen sie heuer den Ehrenpreis des Bayerischen Fernsehpreises. Die Tatort-Dramaturgin Gisela Weilemann kennt die beiden seit 1997. Wir haben mit ihr gesprochen.
BR.de: Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl ermitteln seit mehr als zwei Jahrzehnten als Tatort-Kommissare. Was ist ihr Erfolgsgeheimnis, was macht die beiden so populär?
Gisela Weilemann: Es war damals nicht abzusehen, dass die beiden so lange als Team zusammen bleiben würden. Am Anfang war die Rede von, ich glaube, drei oder vier Tatorten. Aber dann stimmte die Chemie zwischen den beiden und der Redaktion. Die damalige Redakteurin Silvia Koller, die inzwischen verstorben ist, hat die beiden entdeckt und besetzt. Sie kennen sicher die Geschichte, dass sich Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec mit dem damaligen Leiter des Fernsehfilms getroffen haben und Miro und Udo noch davon ausgingen, dass sie in Konkurrenz zueinander stehen - und sich vorher so verständigt haben, dass sich keiner das Fell abziehen lassen will. Auf jeden Fall war das Essen ziemlich angespannt. Aber dann wurde das Geheimnis gelüftet und Frau Koller sagte, sie wolle sie alle beide besetzen. Und zwar als gleichberechtigte Kommissare, was ja auch einzigartig ist bei den ARD-Kommissaren, die meistens in untergeordneten Hierarchiestrukturen stehen. Das war im BR-Tatort nicht, und das trägt sicher zur Beliebtheit bei. Es ist auch auffällig, dass es in den BR-Tatorten keine Chefs in dem Sinne gibt, sondern dass sie alle Probleme immer gleichberechtigt und von den unterschiedlichen Standpunkten, die sie aber trotzdem haben, lösen. Dieses Spiel zwischen den beiden macht es eben auch aus. Sie sind auf Augenhöhe.
BR.de: Meistens sind Ermittler-Duos in Film und Fernsehen extrem gegensätzliche Typen. Einer ist der Spießer, der andere der Coole. Wie verhält es sich bei Batic und Leitmayr?
Gisela Weilemann: Die beiden bringen sehr unterschiedliche Biografien mit. Udo Wachtveitl ist ein Ur-Münchner, in München geboren, und so ist auch die Rolle von Franz Leitmayr: Auch er ist in München geboren und kommt aus der Vorstadt, also aus einfacheren Verhältnissen. Er ist bodenständig, kennt sich aus. Und Miroslav Nemec ist in Kroatien geboren, aber in Freilassing aufgewachsen und bringt so ein mediterranes Temperament für die Rolle mit. Das merkt man vor allem, wenn er auf Ungerechtigkeiten stößt. Da kriegen sich die beiden schon sehr oft auch in die Haare, weil sie verschiedene Sichtweisen haben auf ein und denselben Fall. Das trägt dazu bei, dass man dran bleibt, weil man wissen will, ob einer von beiden Recht hat. Es gibt immer mal wieder Streits zwischen den beiden Kommissaren.
BR.de: Haben sich Batic und Leitmayr in den vergangenen 20 Jahren überhaupt irgendwie verändert?
Gisela Weilemann: Entwickelt haben sie sich äußerlich sehr. Als wir den 50. Tatort gefeiert haben, gab es einen Zusammenschnitt, da konnte man sehr schön sehen, wie die Zeiten sich geändert haben, das zeigt sich in den Frisuren, den Gesichtern, den Moden. Charakterlich haben sie sich nicht großartig gewandelt. Da haben wir eine Kontinuität beibehalten.
BR.de: Und wie verhält es sich mit ihren Fällen? Gibt es eine Tendenz, in welche Richtung sich der Münchner Tatort entwickelt?
Gisela Weilemann: Die Fälle sind ganz unterschiedlich. Ich bin jetzt seit 1997 dabei, und wir haben von Anfang an mit wechselnden Autoren gearbeitet und erzählen jeweils ganz andere Geschichten, die in allen möglichen vorstellbaren Milieus in München spielen. "Der Teufel" spielt in einem Polizeirevier, "Bluthunde" spielt unter Straßenreportern, die Verkehrsunfälle filmen. "In der Falle" ist eine Geschichte, die innerhalb einer türkischen Familie spielt. Wir haben auch darauf geachtet, dass wir manchmal so etwas wie Heimatkrimis machen. Zum Beispiel in "Das Glockenbachgeheimnis" mit Iris Berben – die Folge spielt natürlich im Glockenbachviertel. Jetzt haben wir zum ersten Mal einen gemacht, in dem wir das jüdische Milieu beleuchtet haben. Wir haben auch nicht nur einen Regisseur, sondern suchen immer jemanden, von dem wir glauben, dass er für einen bestimmten Stoff besonders geeignet ist. Dadurch hat jeder Tatort eine andere Farbe.
BR.de: Ein guter Krimi ist immer auch eine Liebeserklärung an eine Stadt, heißt es. Wie zeigen Sie die Stadt München in den Tatorten?
Gisela Weilemann: Das ist auch sehr unterschiedlich. In der Folge "Viktualienmarkt" ist München natürlich sehr präsent, oder im "Glockenbachgeheimnis". Es gelingt nicht immer, und wir wollen es uns auch nicht leicht machen, indem wir die Frauenkirche zeigen oder die Isar.
BR.de: München sind ja auch die Münchner.
Gisela Weilemann: Nach einem Tatort haben wir mal körbeweise Beschwerden bekommen. Das war die "Vorstadtballade" im Jahr 2004. Die Folge spielte in einem urbayerischen Wirtshaus, und da wurde richtig Bairisch geredet. Da haben sich die Leute beschwert, obwohl wir darauf geachtet haben, dass man die Handlung und alles, was mit dem Mordfall zu tun hat, versteht. Aber was die Bayern am Biertisch gesprochen haben, das war für einen Zuschauer aus Hamburg oder dem Ruhrgebiet nicht mehr gut verständlich. Das haben wir bewusst so gemacht, denn sonst hätten wir den Autor und dieses bayerische Milieu verraten, wenn wir da "gelogen" hätten. Wir achten auch darauf, dass wir authentisch sind. Da mussten wir die Zuschriften eben alle beantworten und uns entschuldigen.
Wir hatten auch lange Zeit Michael Fitz dabei als Carlo Menzinger, der dieses sympathische Bairisch gesprochen hat und auch diesen tollen Humor hatte, mit dem er für die bayerische Farbe gesorgt hat. Die beiden Kommissare, die ihm vorgesetzt waren, haben ihn immer schön an die Arbeit geschickt - er hatte es ja nicht leicht.
BR.de: Unter anderem für ihren hintersinnigen Humor bekommen Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec den Ehrenpreis des Bayerischen Fernsehpreises.
Gisela Weilemann: Die beiden bringen auch ihren eigenen Humor ein, indem sie sehr sorgfältig alle Sätze im Drehbuch lesen und ihre ureigensten Verbesserungen vornehmen, gerade in Hinblick auf Humor. Gerade Udo als Franz Leitmayr trägt viel dazu bei. Als richtiger Münchner bringt er diesen Münchner Humor gut rüber.
BR.de: Münchner Humor - wie sieht der für Sie aus?
Gisela Weilemann: Früher, da gab es manchmal Schilder an den Geschäften, da stand drauf "komme gleich" und man wusste nicht, ob man da jetzt in einer Stunde wiederkommen soll oder in 15 Minuten. Aber gelernt hab ich den Münchner Humor über Ludwig Thoma, dann kam Karl Valentin, quasi für Fortgeschrittene. Michael Fitz konnte das natürlich by heart. Und unsere Autoren natürlich auch.