Tilda Swinton Wie David Bowie ohne Wimperntusche
Oft muss die Anerkennung von Tilda Swintons schauspielerischer Leistung hinter Lobgesängen auf ihr Aussehen zurücktreten. Androgyn und außerweltlich heißt es da immer. Swinton glaubt, das liege daran, dass sie aussehe wie David Bowie und keine Mascara benutze.
Manche Künstler sind bekennende Spätzünder und garen ihr Talent lieber auf kleiner Flamme ordentlich durch, als sich vorschnell mit Halbrohem sehen zu lassen. Tilda Swinton ist eine von den Begabungen, die sich Zeit lassen. Zwar steht sie schon seit 25 Jahren vor der Kamera, aber erst seit zehn Jahren auch für große Hollywood-Produktionen: Sie war schon 40, als sie mit Leonardo DiCaprio in "The Beach" spielte.
Handverlesene Engagements
Die gebürtige Schottin wählt sorgfältig aus, welchen Rollen sie ihr Gesicht gibt, das mit der hellen Haut und den klaren Zügen zu einer unverwechselbaren Marke geworden ist - und zu einer Art Gütesiegel für Filme, denn bis heute ist Swinton nie in zweifelhaften oder gar schlechten Produktionen aufgetreten. Seit sie mit Haut und Haaren dem Kino verfallen ist, steckt die Cineastin viel von ihrer Zeit in Liebhaberprojekte. Elf Jahre Planung und Vorbereitung stecken allein in "I Am Love", der 2010 in den deutschen Kinos lief.
Von wegen Adel verpflichtet
Swinton mit androgyner Frisur und ausnahmsweise Lippenstift (rechts: Sandro Kopp)
Swinton, die 1960 in eine der ältesten Familien Schottlands geboren wurde, wuchs völlig frei von künstlerischen Einflüssen auf. Ihre drei Brüder gingen zur Jagd und taten, was Adlige so tun. Swinton wusste schon früh, dass das nicht ihre Welt war. Spätestens während ihrer Internatszeit, die sie hasste, wurde ihr klar, dass sie schreiben wollte. Nach der Schule studierte sie unter anderem Englische Literatur in Cambridge, hörte aber auf zu schreiben und ging nach ihrem Abschluss nach London, wo sie den Regisseur Derek Jarman kennenlernte. Ab diesem Zeitpunkt spielte sie bis zu seinem Tod in all seinen Filmen mit.
In Zukunft immer mit der Ruhe
Heute sagt sie, dass sie in all den Jahren produktiver war als sie beabsichtigt hatte. Sie drehte mit Christoph Schlingensief, den Coen-Brüdern und Jim Jarmusch, stand mit Tom Cruise, George Clooney und Meryl Streep vor der Kamera, bekam einen Oscar für ihre Rolle in "Michael Clayton", ist Mutter von Zwillingen im Teenager-Alter und will jetzt das Tempo ein wenig drosseln. Was nicht heißt, dass ihre Fans in Zukunft auf David Bowie ohne Wimperntusche verzichten müssen.
Filmografie:
1986 Egomania - Insel ohne Hoffnung
1991 Edward II
1992 Orlando
1998 Love Is The Devil
2000 The Beach
2001 Trügerische Stille
2001 Vanilla Sky
2003 The Statement - Am Ende einer Flucht
2005 Broken Flowers
2007 Michael Clayton
2008 Julia
2008 Burn After Reading
2009 The Limits of Control
2009 I Am Love