Bruce Nauman zum 70. Von Menschen und anderen Clowns
Seine Bilder blinken, seine Skulpturen formt er aus Wachs, seine Performances stellen die Nerven auf harte Proben: Der US-Amerikaner Bruce Nauman gilt vielen als der einflussreichste Künstler nach Beuys und Warhol.
Manchmal gibt es Eselsbrücken, die dunkle Schatten werfen. Zum Beispiel die Gedächtnisstütze, die verhindert, dass Bruce Nauman jemals seinen eigenen Geburtstag vergisst. Am Tag vor Pearl Harbor kam er im US-Bundesstaat Indiana zur Welt, am 6. Dezember 1941. Der Vater war Ingenieur bei General Electric, daher musste er mitsamt der Familie häufig umziehen. Für den Sohn Bruce war es entsprechend schwierig, Freunde zu finden, er blieb für sich, las viel und baute Modellflugzeuge.
Im Prinzip ist Nauman immer dieser in sich zurückgezogene Junge geblieben. Auch heute, als Künstler von Weltruf, nimmt er Preise lieber nicht persönlich entgegen – auch nicht den Goldenen Löwen, den er 2009 für seinen Pavillon in Venedig bekam. Er scheut den Medienrummel, die Bühne, den Mittelpunkt. Mit seiner Frau, der Malerin Susan Rothenberg, lebt er auf einem abgelegenen Hof in New Mexico.
Der wahre Künstler hilft der Welt
Was ihm, zumindest zum Teil, ebenfalls bis heute blieb, ist sein Interesse an physikalischen und mathematischen Zusammenhängen. Bevor er an der University of California Kunst studierte, war er für Mathematik und Physik eingeschrieben. Manchen seiner Werke merkt man dieses Interesse noch an, zum Beispiel der Neon-Textspirale "The true artist helps the world by revealing mystic truths" – "der wahre Künstler hilft der Welt, indem er mystische Wahrheiten enthüllt" – die die mathematische Figur der Spirale mit wissenschaftlich nicht beweisbaren "Wahrheiten" verbindet.
No! No no no no no!
"Meine Arbeit entsteht aus Frustration", sagte Nauman einmal, "es frustriert mich, dass Menschen sich weigern, einander zu verstehen und sich Gewalt antun." Viele Künstler greifen hier zu Ironie, halten sich den Schrecken auf Abstand, indem sie dem Ernsten das Komische abgewinnen. Nauman macht es umgekehrt, er nimmt ein komisches Element und verkehrt es ins Ernste: Er filmt beispielsweise einen Clown, der am Boden sitzt, die Beine in die Luft streckt, dann die Arme hebt, zappelt und dabei ununterbrochen ruft "No! No no no no no noooooo!". Über diesen Clown lacht niemand, dieser Clown geht so an die Substanz, dass dem Aufsichtspersonal im Museum verkürzte Arbeitszeiten genehmigt wurden. "Clown Torture" – Clown-Folter heißt das Stück.
Wie ein Schlag in den Nacken
Die prekärsten Themen bringt Nauman so auf den Punkt, dass man über die Eleganz staunt, mit der ihm das gelingt. Hau-drauf-Drastik ist nicht Naumans Stil. Das zeigen auch seine vordergründig verspielt wirkenden Korridor-Installationen, in denen er die Besucher zwischen sich verengende Pressspanplatten zwingt und sie zusätzlich mit kaltem Licht irritiert. Viele Künstler interessieren sich für das Verhältnis des menschlichen Körpers zu seiner Umgebung, aber Nauman möchte dieses Verhältnis ausloten, indem er eine Kunst macht, "die den Menschen betrifft, die sofort da ist und wirkt, wie ein Schlag in den Nacken". Das gelingt ihm nun schon seit über 40 Jahren.