Prof. Spanner-Ulmer Stimmt die Chemie, funktioniert auch die Technik
Sie hat Auszeichnungen für ihr technisches Wissen erhalten und ist Professorin für Arbeitswissenschaften. Sie tritt Anfang Februar ihre neue Stelle an. Prof. Dr. Dr. Birgit Spanner-Ulmer ist die erste Produktions- und Technikdirektorin beim Bayerischen Rundfunk. Eine überraschende Entscheidung für eine außergewöhnliche Frau.
Wenn Birgit Spanner-Ulmer von ihrer Arbeit erzählt, werden komplexe Dinge plötzlich klar, Theorie lebendig. Es ist nicht nur diese Begeisterungsfähigkeit, es ist ihre Bodenständigkeit, die die Wissenschaftlerin so sympathisch macht.
Als Mädchen kannte sie alle Automarken
Bereits als kleines Mädchen liebte Birgit Spanner-Ulmer alles, was mit Technik zu tun hatte. Mit ihren Freundinnen spielte sie natürlich auch mit Puppen, aber: "Ich weiß noch, wie ich mit fünf Jahren zu Weihnachten einen Baukasten geschenkt bekommen habe", erinnert sie sich lachend. "Das war das Größte". Die Vorliebe fürs Tüfteln hat sie wohl von ihrem Vater geerbt, einem Bankdirektor. Die Liebe zur Kunst von ihrer Mutter, einer Lehrerin.
Vier Fragen an die neue Direktorin
Neue Aufgabe
Was sehen Sie als große Herausforderung Ihrer neuen Aufgabe beim Bayerischen Rundfunk?
Wir erleben im Bereich der Medien eine rasante technische Fortentwicklung, zum Beispiel mit neuen, mobilen Kommunikationsformen, technischen Standards und veränderten Nutzungsgewohnheiten der Bürger. Da fast jeder Jugendliche in sozialen Netzwerken aktiv ist, ändert sich unweigerlich auch die Form, wie eine Gesellschaft miteinander kommuniziert. In diesem unvorhersehbaren, ständig bewegten Umfeld muss ein Sender seinen Platz neu definieren und auch behaupten. Meine Aufgabe wird es sein, dafür die technischen Voraussetzungen zu schaffen.
Auch der trimediale Umbau des Senders, das Zusammenwachsen der redaktionellen Kompetenzfelder, hängt mit dieser Entwicklung zusammen. Dies ist eine enorme Herausforderung für den gesamten BR. Es gilt die passende Technik zu finden, die den Umbrüchen am Markt, aber auch den Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht wird.
Beim Konvergenzprozess von Hörfunk, Fernsehen und Online wird meine größte Aufgabe sein, die Mitarbeiter mitzunehmen. Es muss klar kommuniziert werden: Was sind die nächsten Schritte, was müssen wir gemeinsam tun, was ist der gemeinsame Nutzen, wo muss die Qualifizierung angepasst werden? Alle, die davon betroffen sind, müssen mit einbezogen werden, damit dieser Prozess unser gemeinsamer Prozess ist. So wurden die bisherigen Aktivitäten bereits gestartet und so werden wir sie gemeinsam fortführen. Der Mensch ist der Maßstab! Die Technik dient dem Menschen und nicht umgekehrt!
Berufsumfeld
Sie arbeiten seit Jahrzehnten sehr erfolgreich in einem meist männlich dominierten Berufsfeld. Mussten Sie sich als Frau besonders behaupten, um anerkannt zu werden?
Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Zunächst muss sich jeder, ob Mann oder Frau in seinem Arbeitsfeld behaupten. Selbstverständlich fällt man als Frau in technischen Fachrichtungen mehr auf. Deshalb werden Beiträge oder Äußerungen manchmal etwas kritischer betrachtet. Ich freue mich, dass der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Herr Wilhelm, gerade diese Position mit mir als Frau besetzt.
Ergonomie
Sie beschäftigen sich seit Jahren mit der Ergonomie von Arbeitsplätzen. Haben Sie ihren Arbeitsplatz im Haus bereits dementsprechend begutachtet?
Noch nicht genau, das wird erst nach und nach geschehen. Sicher ist nur, dass ich meinen eigenen Schreibtischstuhl mitbringe. Er ist nach meinen Bedürfnissen ausgerichtet. Ach ja und ich mag eigentlich keine Vorhänge. Die habe ich bis jetzt in jedem Büro als erstes entfernt.
Ausflug in die Industrie
Nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens, Promotion und Habilitation arbeitete sie bei Audi. Als Industrial Engineering Managerin optimierte die Wissenschaftlerin die Produktionsprozesse. Als Managerin im Bereich technische Entwicklung verantwortete sie die Ergonomie in den neuen Fahrzeugprojekten. Anzeigen und Bedienelemente sollen optisch ansprechen und müssen einfach und gut funktionieren.
"Ich liebe bis heute Autos, aber nur dann, wenn Geschwindigkeit, Verbrauch, Funktionalität und Design intelligent miteinander verbunden sind."
Professor Spanner-Ulmer
Und trotzdem hat die gebürtige Eichstätterin vor ein paar Jahren ihre Liebe zum Fahrrad (wieder-)entdeckt. "Mein Mann und ich radeln am liebsten durch’s Altmühltal", schwärmt sie und wird ein bisschen leichtsinnig: "Ich würde ja schon gerne einmal an der BR-Radltour teilnehmen. An der Kondition muss ich aber noch arbeiten."
Zusammenspiel von Mensch und Technik
2004 ereilte Spanner-Ulmer der Ruf zurück zur Uni. Sie wurde Professorin für Arbeitswissenschaft an der Maschinenbau-Fakultät der Technischen Universität Chemnitz. Sie setzte sich mit innovativen Arbeitswelten auseinander und ergonomischer Produkt- und Prozessgestaltung. Sie suchte nach Lösungen, die Schnittstellen zwischen Mensch, Technik und Organisation zu optimieren.
Anerkannte Expertin
Gratulation nach der Wahl zur neuen Produktions- und Technikdirektorin des Bayerischen Rundfunks von ...
Birgit Spanner-Ulmer bekam als erste Frau den goldenen Ehrenring des Vereins Deutscher Ingenieure verliehen, für "hervorragendes technisches Wissen". Sie ist Mitglied des Strategierates des "Haus der Forschung" in Bayern. Sie kennt sich in vielen Bereichen aus. Natürlich muss sie für ihre neue Aufgabe beim BR noch manches lernen: Die Medienwelt ist für sie ein neues Terrain. Doch Angst vor dem Unbekannten kenne sie nicht, sagt sie. Neue Herausforderungen reizten eher ihren Forschergeist.
"Technik muss dem Menschen dienen. Dies hat mich mein ganzes Berufsleben beschäftigt. Die Medienwelt hat sich durch die Digitalisierung radikal gewandelt. Ich kenne Wissenschaft, Industrie und Forschung, jetzt kann ich diese Bandbreite an Erfahrungen in ein öffentlich-rechtliches Unternehmen einbringen, das reizt mich sehr."
Professor Spanner-Ulmer
Steckbrief
Persönliches
Geboren: 1962
In: Eichstätt
Wohnort: Eichstätt
Verheiratet mit: Eckard Ulmer
Hobbies: Radeln, Wandern, Zeit mit Freunden verbringen
Ausbildung
Studium Wirtschaftsingenieurwesen/Fertigung an der Technischen Hochschule Karlsruhe
Dissertation an der Fakultät für Maschinenwesen der Technischen Universität München
Habilitation an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt über Rechnergestütztes Lernen im Arbeitsschutz
Ausbildung zum Sicherheitsingenieur an der TFH Berlin
Beruf
Forschung und Lehre an der Technischen Universität München
Managerin bei AUDI in den Geschäftsbereichen Produktion und technische Entwicklung
Universitätsprofessorin für Arbeitswissenschaft der Fakultät Maschinenbau der Technischen Universität Chemnitz
Direktorin Produktion und Technik beim BR
Verantwortlich für die Fernseh- und Hörfunkproduktion und alle technischen Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit der Produktions- und Sendetechnik sowie der Distribution und deren Planungen stehen. Darüber hinaus liegen Tätigkeitsschwerpunkte in der Schnittstellenoptimierung von Mensch, Technik und Organisation in Veränderungsprojekten und –prozessen sowie in trimedialen Arbeitsweisen.
Kooperationen
- Mitglied des Aufsichtsrats Bavaria Studios und Production Services
- Mitglied des Zukunftsrats der Bayerischen Wirtschaft
- Senatorin der Fraunhofer Gesellschaft