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Jansons im Interview - Teil 2 "Musik ist melodisch, ist voll von Gefühlen" - Russische Nacht

Stand: 02.07.2014

Mariss Jansons dirigiert | Bild: BR/Peter Meisel

BR-Magazin: Sie bieten in diesem Konzert am Odeonsplatz schon so etwas, was eine gewisse Starqualität zeigt: Sie bringen ein Werk zur Uraufführung, das Ihnen gewidmet ist. Fühlen Sie sich da nicht großartig?

Mariss Jansons: An erster Stelle steht die Musik. Natürlich ist das sehr nett, wenn das Werk Dir gewidmet ist. Das gibt schon solche positiven Ehrgefühle. Aber es geht doch um Musik!

Wollen Sie verraten, was für eine Art Musik diese „Garden Symphony“ sein wird?

Das ist eine sehr interessante Sache. In Sankt Petersburg existiert ein Quartett, das auf russischen Nationalinstrumenten spielt, das Terem Quartet. Die Musiker sind hochprofessionell und haben Diplome vom Sankt Petersburger Konservatorium. Sie spielen ihre Instrumente fantastisch. Und sie spielen viele Bearbeitungen klassischer Musik. Als ich mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zum ersten Mal in Petersburg war, habe ich ein Abendessen organisiert und dieses Balalaika-Quartett dazu eingeladen, dort zu spielen.

Sie kennen sich?

Virtuos: Das Terem Quartet

Ich kenne die Musiker, ja. Das Orchester war ganz begeistert. Da kam uns die Idee, dass wir etwas zusammen machen möchten, und wir haben ein Werk bei Alexander Tschaikowsky bestellt, in dem unser Orchester zusammen mit diesem Quartett spielt. Wir werden auch noch andere Stücke mit diesem Quartett spielen. Das ist ein bisschen eine Überraschung. Ich würde dem Publikum wirklich raten, zu diesem Konzert zu kommen. Ich sage das nicht, weil das meine Einladung ist oder weil mir das gefällt. Es ist wirklich objektiv höchste Qualität. Das ist absolut unglaublich, was und wie diese Musiker spielen. Das muss man hören.

Kennen Sie den Komponisten Alexander Tschaikowsky auch persönlich?

Ja, Tschaikowsky kenne ich. Das ist ein Zeitgenosse, der viel Musik schreibt. Er ist eigentlich aus Moskau, lebt aber in Sankt Petersburg und ist ein guter Freund. Wir treffen uns ziemlich oft und sind zusammen eine Art „musikalische Gesellschaft“.

Das Programm heißt „Russische Nacht“. Was bedeutet in dem Kontext „russisch“?

Wir spielen nur Musik von russischen Komponisten. Natürlich sind das die besten russischen Komponisten. Sie haben sehr viel geschrieben. Ihr Stil ist sehr bekannt. Das sind die Assoziationen dieses Abends mit russischer Musik.

Was ist der Kern der russischen Musik? Oder gibt es den gar nicht?

Den gibt es natürlich. Diese Musik ist sehr melodisch, ist voll von Gefühlen, hat viel Temperament, sehr viel Ausdruck. Das geht direkt ins Herz. Dies ist eine der charakteristischen Seiten russischer Musik.

Fühlen Sie sich selbst manchmal russisch?

Ich denke überhaupt nicht darüber nach, was bin ich. Ich fühle: Ich bin Lette. Und ich glaube: Ich bin ein Mensch, der Qualitäten aus vielen Ländern hat. Ich dirigiere seit Langem in der ganzen Welt und habe die jeweils besten Seiten, die eine Nation in ihrer Mentalität hat, aufgenommen. Was für einen Pass ich habe, spielt absolut keine Rolle. Ich fühle, dass ich ein Lette bin, weil ich in Riga geboren bin und Lettisch spreche. Gleichzeitig habe ich in meiner Kindheit und während meines Studiums in Sankt Petersburg sehr viel von der russischen Mentalität angenommen.

Was denn?

Eine Offenheit, eine Herzlichkeit. Das bedeutet nicht, dass ich besonders herzlich bin. Aber ich weiß, dass das eine Qualität ist, die ich zu schätzen gelernt habe. Ich fühle, dass sie im Leben wichtig ist und ich habe sie stark entwickelt. Auch Freundschaft. Das ist etwas ganz besonderes. Und das Gefühl, dass Du in einer Gesellschaft lebst und nicht nur an Dich selbst denken sollst. An sich ist das ja gut – jeder denkt an sich selbst und will individuell für sich das Beste. Dabei wird man manchmal zu egoistisch. Man darf nicht vergessen, dass es auch andere Leute gibt. Du lebst in einem sozialen Umfeld, du musst die Leute verstehen und musst mit ihnen so umgehen, wie Du möchtest, dass die Leute mit Dir umgehen.

Das ist russisch? Oder ist das menschlich?

Das ist menschlich. Vieles ist menschlich, in der ganzen Welt. Aber die Russen haben diese Qualität im Blut und mit der Muttermilch aufgesogen. Andere müssen das erst lernen.

In welcher Sprache träumen Sie?

Wenn mein Traum etwas mit Konzerten zu tun hat, dann hat die Sprache im Traum damit zu tun, wo dieses Konzert stattfindet. Das kann in Argentinien, in Japan, oder in Deutschland sein. Aber im Grunde genommen glaube ich: Wenn ein Mensch träumt, dann nicht in einer Sprache. Ein Traum ist sehr geistlich. Er ist unglaublich und unerklärlich, deswegen steht er über der Sprache. Sprache ist das, was uns auf die Erde bringt. Im Traum sind wir schon im Himmel.


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