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Jansons im Interview - Teil 3 Die Sprache des Herzens

Stand: 30.06.2014

Mariss Jansons | Bild: BR/Peter Meisel

BR-Magazin: Man sagt von Ihnen, dass Sie nie wirklich entspannt sind. Stimmt das?

Mariss Jansons: Das stimmt, ja. Ich bin sehr, sehr selten entspannt.

Warum?

Viel zu tun... Und wenn ich auch nicht direkt mit meiner Arbeit beschäftigt bin, dann mit Gedanken. Man muss immer an die Zukunft denken. Dann kommt man manchmal auf Probleme und Fragen. Ganz locker zu sein und an gar nichts zu denken, ist sehr schwer.

Sie machen sich viele Sorgen und schwere Gedanken?

Das hängt von dem einzelnen Problem ab. Manchmal gibt es wirklich große Probleme, manchmal kleine, die kann man ein bisschen analysieren. Man kann nachdenken, und dann passiert das auch so, wie man es sich vorstellt. Manchmal braucht man aber viel, viel Zeit, bis ein Problem gelöst ist.

Sie haben einmal gesagt, Sie hören bei Problemen auf die Sprache des Herzens ...

Das hat mein Vater gesagt: Wenn Du antworten oder etwas bestimmen, ja oder nein sagen oder auf etwas reagieren musst, dann ist es wichtig, auf Dein Herz zu hören. Ich habe ihn gefragt: Was bedeutet das? Und er sagte: Das ist der erste Moment, wenn Du eine Frage gestellt
bekommst oder Du etwas lösen musst. Dieser Impuls, den Du von Deinem Herzen bekommst, ist die Nummer Eins. Der ist das, was vielleicht das Richtige für Dich ist. Weil Du schon nach zwei Sekunden zu analysieren beginnst, und wenn du analysierst, dann mit dem Kopf, und das ist schon etwas ganz anderes als dieser spontane Intuitionsmoment.

War das ein guter Rat?

Ja. Ein sehr guter Rat, ja.

Sind Sie eher spontan oder analytisch?

Ich bin ein Analysierer. Das ist mit der Intuition nicht so leicht. Die bekommen Sie nicht sofort. Sie kriegen etwas, dann fangen Sie an zu denken, und dann kommen neue Fragen und neue Probleme, und dann fragen Sie sich: Ach, aber was war eigentlich mein erster Impuls? Sie erinnern sich und sagen: Dann kann ich das auch so machen. Wenn ich mit Fragen und Gedanken nicht weiter weiß, erinnere ich mich an meinen ersten Impuls, sonst komme ich zu keiner Entscheidung.

Sie haben Ihre Entscheidung angekündigt, privat mehr auf Reisen gehen zu wollen. Wo soll es denn hingehen?

Huch… Wissen Sie, ich bin, glaube ich, überall gewesen. Außer in Afrika. Daher möchte ich vielleicht auch Afrika sehen. Das wäre nicht schlecht, darauf bin ich neugierig. Oder Indien, das wäre auch interessant.

Sie haben auf Tourneen nichts von der Welt gesehen außer Gesichtern von Musikern und Partituren, sagten Sie einmal …

„Nichts“ stimmt nicht. Wenn ich zum ersten Mal in ein Land oder eine Stadt komme, versuche ich unbedingt, das Wichtigste zu sehen. Immer. Ich habe erst die Proben und dann gehe ich ins Museum. Beim nächsten Besuch sehe ich vielleicht schon weniger. Deswegen habe ich das gesagt. Ganz so tüchtig wie ein Tourist bin ich nicht. Wenn man – im Gegensatz zum Touristen – probiert und Konzerte gibt, dann ist man danach müde und kann nicht mehr viel besichtigen. Am nächsten Tag ist wieder Probe oder Konzert. Das begrenzt schon Ihre Eindrücke.

Haben Sie auf allen Reisen Ihren Lieblings-Dirigentenstab dabei?

Nein, ich habe verschiedene Stäbchen hier in München, bei meinem anderen Orchester in Amsterdam und auch zu Hause. Unterwegs habe ich vielleicht sechs Stück dabei. Wenn einer kaputt ist, wechsle ich auf einen anderen. Wenn alle kaputt sind, kaufe ich neue. Meistens in Japan, denn das sind die besten Taktstöcke.

Kaufen Sie immer dasselbe Modell?

Fast immer, ja.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie das perfekte Modell gefunden haben?

Sie gehen ins Geschäft. Und dort sehen Sie Taktstöcke und nehmen sie in die Hand. Das ist nicht so kompliziert. Sie müssen nur mit Ihrer Hand fühlen, ob das Gewicht bequem ist und ob er für Ihre Finger angenehm ist. Wenn Sie finden, dass er gut ist, dann nehmen Sie ihn.

Also ist das Verhältnis nicht so wie bei einem Musiker und seinem Instrument?

Nein, das soll so nicht sein. Bei einer Geige oder einem Piano ist das etwas ganz anderes. Man kann nicht sagen, dass, wenn ich mit dem einen Taktstock dirigiere, es wunderbar wird und mit dem anderen schrecklich. Das hat nichts miteinander zu tun. Der Taktstock ist nur ein Mittel, um das, was du möchtest, an die Musiker zu übergeben.


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