Hermann Dollinger Vom Studioleiter zum Hörspielchef
Hermann Dollinger war 1950 der erste Studioleiter in Nürnberg. Einstellungskriterien waren nach eigener Aussage „eine Ahnung vom Funk, nicht in der Partei, Franke und evangelisch“. Prägend für den Bayerischen Rundfunk wurde er wenige Jahre später als Leiter der Hörspielredaktion, die er mehr als zwei Jahrzehnte verantwortete.
Hermann Dollinger kam am 15. August 1906 in Nürnberg zur Welt. Nach dem Abitur studierte er Germanistik, Kunst- und Theatergeschichte sowie Archäologie an den Universitäten Berlin, München, Erlangen und Chicago. Bereits 1928 begann er für die Deutsche Stunde in Bayern als freier Mitarbeiter zu arbeiten.
Vom Journalismus zum Theater
Von 1930 bis 1934 war er Schriftleiter bei den „Fränkischen Monatsheften“ und begründete die „Fränkische Vierteljahrschrift“. Von 1934 bis 1944 arbeitete er als Chefdramaturg und Spielleiter am Hessischen Landestheater in Darmstadt.
1939 und 1944 wurde er jeweils für ein Jahr zum Wehrdienst eingezogen und kam in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach Kriegsende war Dollinger an der Gründung des Heidelberger Theaters beteiligt. Kurze Zeit später, von 1945 bis 1950, ging er als Intendant an die Städtischen Bühnen in Mainz.
Der Nürnberger Hörspielchef
1950 übernahm Dollinger die Leitung des damaligen Studio Nürnberg. Wohlwollend wurde in den fränkischen Zeitungen notiert, dass endlich ein gebürtiger Nürnberger das Studio Nürnberg verantworten würde. Während seiner Amtszeit konnte er den Musikanteil aus Franken im Programm erhöhen. Besonders gefördert wurde die „Alte Musik“ sowie das „Musikalische Tafelkonfekt“, mit der sich das Nürnberger Studio unter Willy Spilling als Musikchef profilieren konnte. Trotz seiner Verdienste für das Programm und das Studio betonte Dollinger, dass er besonders stolz war, rund um das Studiogebäude einen wunderschönen Park angelegt zu haben.
Ab 1957 leitete Dollinger die Hörspielabteilung kommissarisch und wechselte 1958 ganz nach München, wo er bis 1971 die Abteilung leitete. Die 1950er und 1960er galten als Blütezeit des Hörspiels. Das Fernsehen war in vielen Haushalten noch nicht angekommen und der Hörfunk das Medium für Information und Unterhaltung. Unter Dollinger entstanden Hörspiele wie „Der gute Gott von Manhattan“ von Ingeborg Bachmann, „Zwielicht“ von Rolf Schneider oder „Zwei oder drei Porträts“ von Helmut Heißenbüttel, die mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnet wurden. Die renommiertesten Autorinnen und Autoren schrieben für den Hörfunk und das Hörspiel wurde zu einer neuen Kunstgattung.
Vom Klassiker zum „Neuen Hörspiel“
Hermann Dollinger leitete die Hörspielabteilung, übernahm das Lektorat oder die Dramaturgie. Er konnte erreichen, dass erstmals feste Hörspieltermine im Programm eingeführt wurden. Er verpflichtete Ilse Aichinger, Günter Eich, Paul Pörtner oder Marie-Luise Kaschnitz für den Funk. Gemeinsam mit seinem Dramaturgen und späteren Nachfolger, Hansjörg Schmitthenner, machte er die Hörspielabteilung des Bayerischen Rundfunks zu einer der erfolgreichsten innerhalb der ARD. Die Abteilung wurde zu einer bedeutenden Förderstätte radiophoner Kunst im deutschsprachigen Raum. Dollinger scheute sich auch nicht, experimentelle Wege zu gehen und förderte das sogenannte „Neue Hörspiel“ unter dem Motto von Helmut Heißenbüttel „Alles ist erlaubt, alles ist möglich“.
1971 übernahm Hermann Dollinger zusätzlich zum Hörspiel die Abteilung Hörspiel und Literatur. Am 31. Dezember 1971 ging er in den Ruhestand.
Hermann Dollinger starb am 2. August 1990.