UKW - Ultrakurzwelle Welle der Freude
"Es geht los mit den Ultrakurzwellen!“, schreibt die Zeitschrift "Radiowelt“, als am 28. Februar 1949 der erste UKW-Sender Europas in Bayern in Betrieb genommen wird: Auf 90,1 MHz beginnt in München-Freimann der frequenzmodulierte Hörfunk.
Dass Bayern dieses Jubiläum einen Tag früher feiern kann als etwa Hamburg oder Köln, liegt an der etwas hinterlistigen Entscheidung des damaligen amerikanischen Leiters Edmund Schechter. Ursprünglich geplant war, dass BR und NWDR (wie die Vorgängeranstalt von NDR und WDR damals hieß) in einer gemeinsamen Aktion gleichzeitig am 1. März 1949 ihre UKW-Sender einschalten sollten. Doch irgendein "unfreundlicher Gedanke beim Bayerischen Rundfunk" habe "diese Einmütigkeit dann zerstört", beklagte sich später Werner Nestel, der Technische Direktor des NWDR. Der Bayerische Rundfunk nannte als Grund für den Alleingang eine Tagung von Rundfunkgeräteherstellern am 28. Februar in München.
Gelobte Franken
Im Juli 1949 ging schließlich ein 250-Watt-UKW-Sender auf dem Gelände des Studios Nürnberg in Betrieb. 1950 folgten weitere UKW-Stationen auf dem Wendelstein und in Würzburg. Nun konnten bereits 35 Prozent der Einwohner Bayerns UKW theoretisch empfangen. Der zweite Bauabschnitt sollte dann bis 1954 mit 27 neuen Stationen zur Vollversorgung in Bayern führen. „Wenn Sie alle diese Stationen im Land besucht, ihre Sendetürme erstiegen und einen Rundblick ins Land getan haben, dann haben Sie ganz Bayern gesehen.“ So schwärmte Otto Willi Gail, der bekannte Rundfunkreporter, in seiner Sendereihe "Das kleine Wellenkolleg". Und er lobte 1953 in der Sendung "Der Funk und seine Hörer" die Franken! "Überhaupt ist die durchschnittliche UKW-Dichte in Nordbayern merklich höher als in Südbayern. Zweifellos hängt das mit der konservativen, lange abwägenden Wesensart der Altbayern und der für das Neue schneller aufgeschlossenen Wesensart der Franken zusammen.“
Aber wie war es zu dieser technischen Neuerung gekommen, die 1950 auch den Beginn des zweiten Hörfunkprogramms, des heutigen Bayern 2, bedeutete? 1948 fand in Kopenhagen eine europäische Rundfunkkonferenz zur Neuverteilung der Frequenzen des Lang- und Mittelwellenrundfunks nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Das änderte sich in Kopenhagen schlagartig. Deutschland war nicht vertreten und bekam lediglich ein Minimum an Frequenzen zugestanden.
Kürzeste aller Mittelwellen
Am 15. März 1950 trat der Kopenhagener Wellenplan in Kraft. Der Bayerische Rundfunk beispielsweise erhielt die kürzeste aller Mittelwellen zur Benutzung zugewiesen, die schlechteste Welle im ganzen Bereich. Viele ältere Geräte mussten erst umgestellt werden, da sie ursprünglich die hohe Frequenz von 1602 kHz nicht empfangen konnten. 1951 erreichte der Hauptsender in Ismaning abends – aufgrund der schlechten Wirkung von Raumwellen nach Einbruch der Dunkelheit – nicht einmal 30 Prozent seiner Hörerinnen und Hörer. Wegen dieser gravierenden Einschnitte in die deutsche Rundfunkversorgung war bereits seit 1947 von deutschen Rundfunkfachleuten über Alternativen zur Mittelwellenübertragung diskutiert worden. Unter mehreren verschiedenen technischen Lösungsansätzen befand sich auch die Idee der Ultrakurzwelle.
Die Eigenschaften der Ultrakurzwellen ähneln in vielen Punkten denen der Lichtwellen. Das hat zur Folge, dass die Reichweite der UKW-Sender etwa das 1- bis 1,5fache der Sichtweite entspricht. Deshalb war man auch bestrebt, UKW-Sender auf möglichst hohen Standorten zu errichten. Die Vorteile des frequenzmodulierten UKW-Betriebs bestanden und bestehen darin, dass ein nahezu störungsfreier Empfang zu erzielen ist und atmosphärische Störungen praktisch weg fallen. Auch können wesentlich höhere Tonfrequenzen als bisher übertragen werden, was die Wiedergabequalität erhöht. Der glasklare Empfang und das populäre Programm, das die Hörer anlocken sollte, machten das UKW-Programm zur "Welle der Freude", ein Slogan, den der Chefredakteur der "Hör Zu" Eduard Rhein erfand.
Karrierestart für Fuchsberger, Frankenfeld und Kulenkampff
Der Bayerische Rundfunk nahm die Rundfunkausstellung 1950 in Düsseldorf zum Anlass, offiziell ein zweites Hörfunkprogramm einzuführen, zunächst nur während einiger Abendstunden. Ein Blick in die Programmfahne für Freitag, den 18. August 1950, zeigt: Bis 16.00 Uhr und ab 22.00 Uhr wie Mittelwelle, dazwischen ein "Teekonzert", eine Übertragung von der Funkausstellung Düsseldorf, ein Großes Unterhaltungskonzert, Kammermusik, dann ein Vortrag von Elisabeth Langgässer über "Die Dichterische Darstellung der Christlichen Wissenschaft" und zum Abschluss das Hörspiel "Das Streichquartett“, eine Romanze aus Nymphenburg von Francesco Stefani, Regie Theo Fischer. Bis 1958 wurde das zweite Programm vom Sender Nürnberg in der Wallensteinstraße ausgestrahlt. In den zahlreichen Unterhaltungssendungen starteten unter anderem Joachim Fuchsberger, Peter Frankenfeld oder Hans-Joachim Kulenkampff ihre Karrieren.
Wie schon in den 1920er Jahren brach damals wieder eine Zeit für Bastler an. Viele hochwertige UKW-Empfänger waren sehr teuer und selbst gebastelte Geräte bei gleicher Qualität billiger als die der Industrie. Die Alternative war ein so genanntes Vorsatzgerät für den Umbau der gewöhnlichen Empfänger. Auf der Funkausstellung in Düsseldorf 1950 wurden verschiedene Modelle zur Schau gestellt.
Wellenfieber und Isarspatzen
Das Thema "UKW-Vorsatzgerät" verarbeitete 1950 auch die 17. Folge der beliebten Hörfunkreihe "Brumml’gschichten". Ihr Titel: "Das Wellenfieber".
Die "Isarspatzen" sangen über die Vielfalt von "Ätherwellen, Isarwellen oder Ultrakurzwellen". Michl Lang, Liesl Karlstadt und Rudolf Vogel waren verwirrt über die "durcheinander geratenen Wellen" – bis der Erfinder des neuen UKW-Vorsatzgerätes zu Besuch kam und alle über die technischen Neuerungen aufklärte.
Schnelles Wachstum
Die Zahl der modernen Empfänger ist schnell gewachsen, denn das neue UKW-System war in punkto Klangqualität und Störanfälligkeit dem Mittelwellenempfang haushoch überlegen. Von 1963 an kam zu Mono noch die Stereoübertragung, später die Verkehrsfunkkennung ARI (Autofahrer Rundfunk Information) und schließlich das Radiodatensystem (RDS) hinzu.
Der drahtlose UKW-Empfang ist auch 70 Jahre nach seiner Einführung immer noch die Nummer Eins beim Radio hören. Allein 200 terrestrische UKW-Sender an 41 Standorten verbreiten im bayerischen Sendegebiet die fünf Hörfunkprogramme des Bayerischen Rundfunks. Jetzt holt das digitale Nachfolgesystem DAB+ auf.
Die weitere Entwicklung
UKW ist mittlerweile in die Jahre gekommen. Das Frequenzband: voll belegt - das System: technologisch ausgereizt. Neue Programmangebote haben schlicht keinen Platz mehr. Mit Beginn der Digitalisierung in der Informations- und Kommunikationstechnik entwickelten deshalb Experten schon in den 1980er Jahren länderübergreifend Konzepte für ein digitales Nachfolgesystem.1995 konnte schließlich der DAB-Standard (Digital Audio Broadcasting) veröffentlicht werden. 2008 wurde er nochmals erweitert: Damit steht eine flexible und zukunftssichere Standardfamilie zur Verfügung.
Es hat sich gezeigt, dass das digitale terrestrische Radio einen langen Atem braucht. Die Zahl der UKW-Radios in deutschen Haushalten ist zwar rückläufig, liegt aber immer noch bei 133 Millionen (Quelle: Digitalisierungsbericht 2018). Entsprechend hoch ist daher auch noch die Nutzung.
2011 gelang in Deutschland der Neustart mit DAB+: Einerseits konnte das Programmangebot aufgrund der weiterentwickelten effizienteren Audiocodierung erheblich erhöht werden. Zum anderen wurden die DAB-Netze in Bayern - aber auch anderen Bundesländern - in den letzten Jahren sehr gut weiter ausgebaut. Dadurch hat auch die Haushaltsausstattung mit DAB+ Geräten in den letzten Jahren deutlich zugelegt, in Bayern verfügt etwa jeder Dritte mittlerweile über ein DAB+ Radio.
Einen festen Termin zur Abschaltung der UKW-Versorgung - wie in Norwegen mit dem Jahr 2017 - gibt es in Deutschland noch nicht. Die telekommunikationsrechtlichen Lizenzen für UKW-Frequenzen wurden noch einmal bis 2025 verlängert. Wann der Ausstieg aus UKW hierzulande beginnt, hängt auch davon ab, wie die Politik dafür die Weichen stellt. Eine neue EU-Richtlinie hat zum Ziel, zunächst einmal die Voraussetzungen beim Mobilempfang schaffen: Der neue "European Electronic Communications Code" sieht vor, dass alle in der EU verkauften Autoradios inklusive der Radiogeräte ab Werk künftig in der Lage sein müssen, digitales, terrestrisches Radio (z.B. DAB+) zu empfangen. Die Automobilhersteller werden verpflichtet ab 2021 in allen Neufahrzeugen auch automatisch DAB+ mit anzubieten. Auch für alle andere Arten von Radiogeräten wird in Deutschland eine vergleichbare Verpflichtung angestrebt. Das dürfte auch die Verbreitung und Akzeptanz beim Verbraucher weiter ankurbeln.